Perspektive

Griechische Arbeiter streiken gegen Syrizas Sparpolitik

Am Wochenende demonstrierten zehntausende Arbeiter in den großen Städten Griechenlands gegen das brutale Kürzungspaket der Syriza-Regierung, das am Sonntagabend vom Parlament verabschiedet wurde. Allein in Athen gingen mehr als 20.000 Menschen auf die Straße. Sie riefen Parolen wie „Erhebt Euch und werft die Regierung, die EU und den IWF raus“ und „Nein zur Auflösung der sozialen Sicherungssysteme“.

Zuvor hatten Streiks große Teile des Landes lahmgelegt. Seit Freitag streikten U-Bahn- und Busfahrer, Zugführer, Lehrer, öffentlich Beschäftigte, Journalisten, das Personal der Fähren, Arbeiter der Abfallentsorgung und einige Arbeiter der Privatwirtschaft. Selbst Inhaber von Kiosken und anderer kleiner Läden legten die Arbeit nieder.

Das hat Syriza nicht davon abgehalten, Kürzungsprogramme in Höhe von 5,4 Milliarden Euro zu verabschieden. 1,8 Milliarden Euro sollen durch Steuererhöhungen und 1,8 Milliarden Euro durch die Umstrukturierung des Rentensystems aufgebracht werden. Unter anderem werden die Mehrwertsteuer von 23 auf 24 Prozent und der Rentenversicherungsbeitrag auf einheitliche 20 Prozent angehoben. Die Einkommenssteuer steigt vor allem für schlecht bezahlte Arbeiter und Kleinstunternehmen.

Diese Sparmaßnahmen sind nur die jüngsten Angriffe der Syriza-Regierung auf die Lebensbedingungen der Arbeiter. Bereits im letzten Jahr hat die Regierung die Sozialabgaben für Rentner erhöht, Leistungen für Frührentner abgeschafft und das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre angehoben. Diese Kürzungen treffen in Griechenland, wo mangels Sozialhilfe oft ganze Familien von der mageren Rente der Großeltern leben, breite Schichten der armen Bevölkerung. Zudem wurden zahlreiche Privatisierungen auf den Weg gebracht.

Die mächtigen Proteste der Arbeiterklasse sind das Ergebnis dieser bitteren Erfahrung. Die Koalition der Radikalen Linken (Syriza) wurde im Januar 2015 an die Regierung gewählt, weil sie versprochen hatte, das Spardiktat der EU zu brechen. Nun ziehen Millionen von Arbeitern ihre Schlüsse aus der Politik Syrizas. Die Partei wird immer mehr als das wahrgenommen, was sie ist: eine rechte, bürgerliche Partei, die den Interessen des europäischen und internationalen Kapitals dient. Die angeblich „linke“ Partei ist das Werkzeug der CIA und der Banken. Sie ist entschlossen, die Europäische Union und den bankrotten griechischen Kapitalismus zu verteidigen, indem sie die Arbeiter in die Armut treibt.

Der Generalstreik ist ein Zeichen dafür, dass die griechische Arbeiterklasse den Kampf nach dem Schock und der Entmutigung durch Syrizas Verrat wieder aufnimmt. Dieser Kampf muss die bitteren Erfahrungen des Jahres 2015 zu seinem Ausgangspunkt nehmen.

Syriza kam nach fünf Jahren verheerender Sparpolitik an die Macht, indem sie die enorme Opposition gegen die EU, den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Banken ausnutzte. Die Partei hatte zuvor im Umkreis der sozialdemokratischen PASOK existiert, die als erstes die Kürzungsprogramme durchgesetzt hatte. Tsipras selbst wurde bei seinen Reisen nach Washington und in die europäischen Hauptstädte von den herrschenden Eliten auf Herz und Nieren geprüft, bevor er die Regierung übernehmen durfte.

Die Folgen dieser Anpassung an den europäischen und amerikanischen Imperialismus wurden direkt nach der Regierungsübernahme sichtbar, als Tsipras die rechtsextreme Partei der Unabhängigen Griechen (ANEL) zum Koalitionspartner machte. Syriza lehnte es ab, die gewaltige Opposition gegen die Sparpoltik zu mobilisieren, die sich in den sieben Jahren der Wirtschaftskrise nicht nur in Griechenland, sondern in ganz Europa entwickelt hatte. Stattdessen warf die Partei ihre Wahlversprechen schon nach wenigen Wochen über Bord und akzeptierte die Bedingungen für das Kreditprogramm von EU und IWF.

Selbst als am 5. Juli die übergroße Mehrheit der Bevölkerung im Referendum „nein“ zu den Sparauflagen sagte, setzte Syriza diese mit aller Brutalität durch. Sie akzeptierte Sozialkürzungen, die weit über alles hinausgingen, was ihre konservativen und sozialdemokratischen Vorgänger je verabschiedet hatten. Unter Syriza hat sich die soziale Krise weiter verschärft. Die Arbeitslosenquote liegt bei 25 Prozent und ein Drittel der Haushalte lebt unterhalb der Armutsgrenze.

Das hat den Klassencharakter von Syriza und sämtlichen kleinbürgerlichen Kräfte offengelegt, die Syriza als „fortschrittliche“ Alternative für die Arbeiterklasse dargestellt haben. Je größer die Konflikte innerhalb der EU und je tiefer die Krise des Kapitalismus, desto offener zeigt sie sich als Vertreterin von Wirtschaftsinteressen. Als Partei wohlhabender Teile der Mittelklasse arbeitet sie aufs Engste mit der EU und US-Institutionen zusammen, um die Europäische Union und den griechischen Kapitalismus zu verteidigen.

Syriza hat bei diesem Verbrechen viele Helfershelfer. Die großen Gewerkschaftsverbände sind eng mit der Partei verbunden und setzen alles daran, die Streiks zu begrenzen und in harmlose Kanäle zu lenken, um die Regierung zu schützen. Zahlreiche pseudolinke Gruppierungen auf der ganzen Welt, von der ISO in den USA, über die Linkspartei in Deutschland bis hin zur NPA in Frankreich, haben Syriza gefeiert und ihren Verrat abgedeckt. Sie haben die Arbeiter entweder direkt der Syriza-Regierung untergeordnet oder die Illusion erzeugt, dass man die Partei zu einem linken Kurs zwingen könnte.

Doch die wichtigste Lehre aus dem ersten Jahr der Syriza-Regierung ist gerade, dass die Partei nicht zu einer Verteidigerin der Interessen der Arbeiterklasse gemacht werden kann, weil sie ein Werkzeug der Kapitalisten ist.

Die wieder erstarkende Bewegung der Arbeiterklasse muss sich deshalb den Sturz der Syriza-Regierung und die revolutionäre Mobilisierung von Arbeitern, Jugendlichen und allen unterdrückten Teilen der Gesellschaft in Europa und auf der ganzen Welt zum Ziel setzen. Sie muss einen unnachgiebigen politischen Kampf gegen Syriza und die ganze Bruderschaft der pseudolinken Organisationen führen. Dazu gehört auch die stalinistische Kommunistische Partei Griechenlands (KKE), die Syriza vom Standpunkt des griechischen Nationalismus aus kritisiert, während sie mit den Gewerkschaften zusammenarbeitet, um den Widerstand der Arbeiter zu unterdrücken.

Arbeiter müssen den Kampf den Händen der Gewerkschaften entreißen und eigene Kampforganisationen aufbauen – Streikkomitees, die unabhängig von der Gewerkschaftsbürokratie, den bürgerlichen Parteien und dem Staat aufgebaut werden. Solche wirklich demokratischen Organisationen werden den Kern einer Arbeitermacht bilden.

Wie das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) am 13. November letzten Jahres in der Erklärung „Die politischen Lehren aus dem Verrat Syrizas in Griechenland“ schrieb: „Die Ereignisse haben bewiesen, dass die Arbeiterklasse nicht einmal ihre minimalsten Interessen verteidigen kann, indem sie sich auf bürgerliche Regierungen stützt, selbst wenn diese mit sogenannten ‚radikal linken‘ Parteien besetzt sind. Genausowenig erreicht die Arbeiterklasse, indem sie versucht, derartige Regierungen unter Druck zu setzen, um eine für sie vorteilhafte Politik durchzusetzen. Die Politik von Syriza zeigt, dass den Arbeitern nichts anderes übrig bleibt, als den revolutionären Weg einzuschlagen.“

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