Mehr Personal für die Bundeswehr

Nachdem die Bundesregierung vor zwei Jahren das Ende der militärischen Zurückhaltung Deutschlands bekannt gegeben und Anfang des Jahres eine drastische Aufstockung des Wehretats angekündigt hatte, folgte am Dienstag die sogenannte „Trendwende Personal“.

In einem Tagesbefehl für die Armee zum 10. Mai kündigte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) an, die Zeit der Personaleinschränkung werde mit sofortiger Wirkung beendet und eine schrittweise Personalerhöhung eingeleitet. Ihre Armeeanweisung beginnt mit den Worten: „Die Bundeswehr hat in den letzten gut 25 Jahren einen kontinuierlichen Personalabbau erlebt. Mit Blick auf die Entwicklung der sicherheitspolitischen Lage und die daraus erwachsenden Anforderungen an die Streitkräfte ist nun ein Umdenken und Umlenken erforderlich.“

Die bisher geltenden „starren personellen Obergrenzen“ seien aufgehoben. Künftig werde der Personalbedarf der Armee jedes Jahr „nach einem strukturierten Planungs- und Prognosemodell“ von der Armeeführung festgelegt. Ziel sei ein „atmender Personalkörper“, der sich an den wachsenden Aufgaben der Armee orientiere.

Um die jeweilige Erhöhung des Personalbedarf zu ermitteln, werde ein neues Personalboard „analog zum Rüstungsboard“ unter der Federführung von Generalstabschef (Generalinspekteur) Volker Wieker geschaffen. Dieses neue Gremium werde „nicht nur den Personalbedarf jährlich erläutern und nachvollziehbar begründen, sondern gleichzeitig Aussagen zur Realisierungsplanung treffen“.

Diese militärischen Planungsziele „werden anschließend in die Haushaltsplanung überführt“. Mit anderen Worten: Entschied bisher die Politik über die Truppenstärke, legt sie künftig die Militärführung fest und fordert die entsprechende Mittelerhöhung aus dem Haushalt an.

„Beginnend ab 2017 planen wir mit der Trendwende Personal, in ausgewählten Bereichen der militärischen und zivilen Strukturen die Durchhaltefähigkeit der Bundeswehr zu erhöhen, die Robustheit zu stärken und neue Fähigkeiten aufzubauen“, heißt es in von der Leyens Tagesbefehl.

Die Trendwende umfasse einen prognostizierten Bedarf von rund 14.300 Soldatinnen und Soldaten sowie rund 4.400 Haushaltsstellen für zivile Beschäftigte. Realisiert würden zunächst rund 7.000 neue militärische Stellen.

Insgesamt seien 96 Einzelmaßnahmen geplant, um die Leistungsfähigkeit der Bundeswehr zu steigern. Von der Leyen zählt „unter anderen“ auf: Aufbau des neuen Organisationsbereiches Cyber- und Informationsraum; Aufstellung einer weiteren Boardingkompanie im Seebataillon; Stärkung der Spezialkräfte von Heer und Marine; Stärkung der Kapazitäten im Management großer Rüstungsprojekte und Ausbau der Sanitätsversorgung.

Die militärische Trendwende, die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen einleite, sei größer, als sie auf den ersten Blick erscheine, schreibt die Süddeutsche Zeitung, die bereits vorab informiert wurde. „Die ein Vierteljahrhundert währende Ära der Bundeswehr-Schrumpfung geht damit zu Ende.“

Die Antikriegsstimmung sei nach wie vor groß und Investitionen in die Bundeswehr gälten „als eher unpopulär“, fährt die Süddeutsche fort. Nach dem Ende des Kalten Krieges sei keine Notwendigkeit mehr für ein starkes Verteidigungsheer gesehen worden. „Die Zahl der Soldaten schmolz von knapp 600.000 am Tag der Wiedervereinigung im Jahr 1990 auf derzeit nicht einmal mehr die Hälfte zusammen. Die Obergrenze liegt inzwischen bei 185.000 Soldaten, tatsächlich dienen aber nur etwa 177.000 Soldaten und Soldatinnen.“

Der Bundeswehrverband begrüßte die Personalreform als richtige und mutige Entscheidung. „Diese Trendwende heißt nicht nur so, sie stellt tatsächlich eine 180-Grad-Wende in der Personalpolitik dar“, sagte der Chef der Deutschen Bundeswehrverbandes, Oberstleutnant André Wüstner.

Ausdrückliche Unterstützung für die militärische Aufrüstung kommt von der SPD. Hans-Peter Bartels (SPD), der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, begrüßt die Personalwende für die Bundeswehr und kritisiert die Verteidigungsministerin, weil sie seiner Meinung nach nicht weit genug gehe. „Bartels sieht weiteren Personalbedarf“, schreibt der Tagesspiegel.

Im Gespräch mit der Zeitung sagte der SPD-Militarist, es sei „gut und richtig“, dass die Ministerin reale Problemanalysen ernst nehme und darauf reagiere. Es sei auch richtig, dass nicht nur bei den Soldaten, sondern auch bei den Zivilangestellten aufgestockt werde. Es sei aber sehr fraglich, ob „die nun genannten Personalzahlen ausreichen“.

Einige Truppenteile seien derzeit extrem unterbesetzt. Das treffe beispielsweise für die Flugabwehr oder Luftbildauswertung zu. Hier verfüge die Bundeswehr lediglich über eine einzige Staffel, „die mit Afghanistan, der Türkei und demnächst Mali drei Einsätze abdecken muss“. Auch die Marine sei teilweise über dem zumutbaren Limit belastet.

Durch die jetzt angekündigte Personalaufstockung würden nur die unmittelbarsten und dringendsten Probleme angegangen und die Durchhaltefähigkeit der Truppe verbessert. Zukünftige Aufgaben, wie etwa die Cyberabwehr und die dafür notwendigen Spezialisten, erforderten aber sehr viel weitergehende Maßnahmen.

Von der Leyens Tagesbefehl zur militärischen Personalwende ist Bestandteil eines umfassenden Aufrüstungsprogramms. Anfang des Jahres hatte die Ministerin angekündigt, dass in den kommenden Jahren 130 Milliarden Euro zusätzlich zum bestehenden Wehretat für den Aufbau und die Ausrüstung der Armee bereitgestellt würden.

Von der Leyen begründete ihre Aufrüstungspläne damals und heute ausdrücklich mit der „Wende“ der deutschen Außenpolitik, die Bundespräsident Joachim Gauck, Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und sie selbst vor nunmehr zweieinhalb Jahren auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 verkündet hatten. Deutschland sei „zu groß, um Weltpolitik nur von der Außenlinie zu kommentieren“, und müsse „bereit sein, sich außen- und sicherheitspolitisch früher, entschiedener und substanzieller einzubringen“, hatten sie damals erklärt.

Auch jetzt wiederholte von der Leyen, Deutschland sei ein Land, dass „eine große Bedeutung hat, politisch und ökonomisch, und das Verantwortung tragen muss und auch tragen will“. Sie erklärte:„Wenn wir uns nicht kümmern in Syrien und im Irak, wenn wir uns nicht kümmern in Afghanistan und Afrika […], wenn wir unseren Beitrag nicht leisten, dann kommen die Probleme zu uns und dann wird es noch schlimmer, und genau das wollen wir nicht.“ Deshalb müsse die Truppe groß genug und gut ausgerüstet sein.

„Weltweit Verantwortung übernehmen“ ist das Codeword für die militärische Verfolgung der wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen des deutschen Imperialismus auf dem ganzen Globus. Dafür brauchen die deutschen Eliten wie in der Vergangenheit eine hochgerüstete und zahlenstarke Armee.

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