Perspektive

Eine weitere Eskalation des US-Militarismus im Nahen Osten

Wie das Pentagon letzte Woche bekannt gab, befinden sich bereits Dutzende von amerikanischen Soldaten im Jemen – angeblich als Unterstützung für die Truppen der Vereinigten Arabische Emirate im Kampf gegen Al Qaida auf der arabischen Halbinsel (AQAP). Diese Nachricht hat offengelegt, in welchem Ausmaß der US-Imperialismus sein gewalttätiges Vorgehen im Nahen Osten verschärft.

Fast 15 Jahre nach Beginn des „Kriegs gegen den Terror“ und 25 Jahre nach dem ersten Golfkrieg gegen den Irak führen amerikanische Truppen tödliche Operationen in einem Gebiet durch, das von Pakistan im Osten bis nach Libyen im Westen und von der türkischen Grenze im Norden bis nach Somalia im Süden reicht.

Der US-Imperialismus überzieht im Namen des Kampfes gegen den Terror einen beträchtlichen Teil der Menschheit mit Terror. Die Folgen sind bisher Millionen Todesopfer, eine Flüchtlingskrise, die selbst diejenige während und nach dem Zweiten Weltkrieg in den Schatten stellt, und eine katastrophale Verschärfung des Elends der Bevölkerungen aller Länder, in denen die USA Truppen eingesetzt haben.

Im Jemen und in anderen Ländern kämpfen US-Soldaten gegen Kräfte, die direkt aus Washingtons eigenen Interventionen hervorgegangen sind. Als direkte Folge des verbrecherischen Krieges der saudischen Monarchie und ihrer Verbündeten, der Ölscheichtümer vom Persischen Golf, gegen das ärmste Land der arabischen Welt konnte AQAP an der Südküste des Jemen ein fast 900 Quadratkilometer großes Gebiet unter seine Kontrolle bringen und durch die Beschlagnahme von Bankkonten eine Kriegskasse von 100 Millionen Dollar anhäufen.

Hierbei handelt es sich nicht um einen unvorhersehbaren Nebeneffekt, sondern um ein direktes Ergebnis von Saudi-Arabiens und Washingtons Unterstützung für Al Qaida-nahe Kräfte als Stellvertretertruppen in einem religiös motivierten Krieg. Dabei wurden bislang 6.000 Jemeniten getötet, darunter 1.000 Kinder. 1,2 Millionen Menschen wurden zu Binnenvertriebenen und der Hälfte der Bevölkerung im Jemen droht eine Hungersnot.

Im Irak und in Syrien passiert im Wesentlichen das gleiche, allerdings mit noch blutigeren Folgen. Die USA haben im Rahmen ihrer Intervention mit dem angeblichen Ziel, den Islamischen Staat (IS) auszulöschen, etwa 5.000 Soldaten in den Irak geschickt, hunderte weitere sind vollkommen völkerrechtswidrig in Syrien aktiv.

Der IS ist ebenfalls ein Al Qaida-Ableger. Er hat seinen Ursprung in der Zerstörung der irakischen Gesellschaft in Folge des Krieges und der Besetzung durch den US-Imperialismus von 2003 bis 2010. Als er vom Irak nach Syrien eindrang, entwickelte er sich zu einem der wichtigsten Kriegsteilnehmer im Kampf für einen Regimewechsel gegen die Assad-Regierung, den die USA angezettelt hatten. Der IS war der größte Nutznießer der immensen Waffen- und Materiallieferungen der CIA und von Washingtons regionalen Verbündeten Saudi-Arabien, Katar und der Türkei. 2014 drang der IS deutlich gestärkt erneut in den Irak ein. Er konnte die tiefen religiösen Spaltungen ausnutzen, die Washington durch seine Politik des „Teile und Herrsche“ geschaffen hatte, und einen Großteil des Landes erobern, darunter die zweitgrößte Stadt Mossul. Die von den USA ausgebildeten und ausgerüsteten irakischen Sicherheitskräfte erlitten vernichtende Niederlagen.

In Afghanistan sind noch immer 10.000 US-Soldaten stationiert, die weiterhin Kampfeinsätze mit zivilen Todesopfern durchführen. Dazu zählt das Massaker an mindestens 42 Patienten und Beschäftigten des Krankenhauses der Ärzte ohne Grenzen (MSF) in Kunduz.

Nächste Woche steht außerdem ein Treffen in Wien an, bei dem über eine weitere Intervention der USA und der Nato-Mächte in Libyen verhandelt werden soll. Nach der Zerstörung der libyschen Gesellschaft durch den Nato-Krieg 2011 konnte der IS strategisch wichtige Gebiete an der Mittelmeerküste erobern.

Diese Welle militärischer Gewalt durch die USA fällt zusammen mit dem einhundertsten Jahrestag des Sykes-Picot-Abkommens, das im Ersten Weltkrieg die imperialistische Aufteilung der Region und einen Großteil ihrer späteren Geschichte bestimmte. Am 9. Mai 1916 schlossen der britische Abgesandte für den Nahen Osten, Sir Mark Sykes, und sein französischer Amtskollege François Georges-Picot das berüchtigte, nach ihnen benannte Abkommen. Damit schufen sie die Grundlagen für die Aufteilung der Ländereien des Osmanischen Reichs zwischen Großbritannien, Frankreich und der damals kleineren Macht Russland.

Der Nahe Osten wurde ohne Rücksicht auf die Forderungen und Hoffnungen der Bevölkerung der Region aufgeteilt. Diese Verschwörung wurde nach der Oktoberrevolution 1917 in Russland bekannt, als der damalige Volkskommissar für äußere Angelegenheiten, Leo Trotzki, das Geheimabkommen veröffentlichte, um die Verbrechen der imperialistischen Mächte gegen die unterdrückten Völker der Region zu enthüllen.

Trotzki erklärte, der Krieg werde „für die ,Neuaufteilung‘ der türkischen Ländereien zwischen den Banken, Industriellen und Händlern der stärksten kapitalistischen Mächte“ geführt. Er warnte, die Versprechen der Imperialisten, den Arabern die Unabhängigkeit zu geben, würden zu Territorien führen, die „nur von den Arabern unabhängig sind, aber völlig abhängig von den Bossen des internationalen Kapitals.“

Frankreich und Großbritannien konnten die vereinbarte Teilung nur durchsetzen, indem sie die Aufstände der arabischen Bevölkerung in den Gebieten, auf denen heute die Staaten Irak, Syrien, Jordanien und Israel liegen, blutig niederschlugen. Angesichts des Niedergangs des britischen und französischen Imperialismus nach dem Zweiten Weltkrieg und der Dekolonialisierung entwickelte sich Washington zum wichtigsten Garanten des Nationalstaatensystems, das auf der Grundlage des Sykes-Picot-Abkommens errichtet wurde.

Die arabische Bourgeoisie war nie bereit, die Grenzen aufzuheben, die die alten Kolonialisten gezogen hatten – trotz der panarabisch-nationalistischen Proklamationen von Bewegungen wie der ägyptischen Nasseristen, der Baath-Partei im Irak und in Syrien oder anderen arabischen Regimes. Diese Grenzen markierten die Länder, die sie von den Kolonialherren geerbt hatten. Unterm Strich waren sie trotz ihrer Konflikte mit den Imperialisten deren Juniorpartner bei der Ausbeutung der Völker, über die sie herrschten.

Das Nationalstaatensystem, das auf der Grundlage des Sykes-Picot-Abkommens errichtet wurde, ist durch die endlosen Aggressionen des US-Imperialismus größtenteils zerstört worden. Während der zahlreichen Kriege der USA haben das Pentagon und die CIA rücksichtslos religiöse Konflikte geschürt, um dem Ziel der amerikanischen Hegemonie über die ölreiche Region näherzukommen. Dabei wurden ganze Staaten auseinandergerissen und die Bedingungen für einen regionalen Krieg zwischen dem Iran und Saudi-Arabien geschaffen.

Die früheren britischen und französischen Imperialisten hatten versucht, ein System der Kolonialherrschaft zu errichten. Ihre amerikanischen Nachfolger haben sich hingegen darauf spezialisiert, bestehende Staaten zu zerstören, um den Rivalen des US-Imperialismus die Energiereserven der Region vorzuenthalten und sicherzustellen, dass sich keine Macht zu einer Gefahr für Washingtons Hegemonie über die Region entwickeln kann.

Die Obama-Regierung ist bei ihrem rücksichtslosen und zerstörerischen Kriegskurs tief gespalten. Die militärischen Befehlshaber sind zunehmend unzufrieden mit der von der Regierung verbreiteten Fiktion, die US-Truppen seien in den diversen Konflikten nicht in Kämpfe verstrickt, sondern nur als „Berater“ aktiv. Das Weiße Haus will zwar seine Aktivitäten im Nahen Osten einschränken, um zusätzliche Kräfte gegen rivalisierende Großmächte in Stellung zu bringen, vor allem gegen China und Russland. Doch die Logik der Militärintervention zwingt das Pentagon dazu, eine weitere Eskalation im Irak, in Syrien, Afghanistan und weiteren Ländern zu fordern.

Die erbitterten Debatten innerhalb des herrschenden Establishments über die Frage, wie es den wirtschaftlichen Niedergang des US-Imperialismus am effektivsten durch den Einsatz seines Militärs ausgleichen könne, finden hinter dem Rücken der amerikanischen Bevölkerung statt. Beide großen Parteien klammern die Vorbereitungen auf eine deutliche Eskalation des Krieges, nicht nur im Nahen Osten, konsequent aus dem Wahlkampf aus. Doch egal wer die Wahl gewinnt, eines ist sicher: gleich danach wird das US-Militär seine weltweiten Aggressionen drastisch verschärfen.

Gegen die immensen Gefahren, die der Weltbevölkerung durch die Kriegspläne der herrschenden Elite drohen, hilft nur der Aufbau einer unabhängigen, internationalen politischen Bewegung der Arbeiterklasse gegen Krieg und seine Ursache, das kapitalistische System. Dafür kämpfen die Socialist Equality Party und ihre Kandidaten für die amerikanische Präsidentschaftswahl, Jerry White und Niles Niemuth.

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