Bundeswehroffizier leitet AfD-Wahlkampf in Berlin

Die rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) zieht in Berlin mit dem ehemaligen Bundeswehroberst und NATO-Funktionär Georg Pazderski an der Spitze in den Wahlkampf zum Abgeordnetenhaus. Pazderski war bei einem Führungswechsel im Januar als zweiter Landesvorsitzender neben Beatrix von Storch gewählt worden.

Berlin ist nicht der einzige Landesverband der AfD, in dem ehemalige oder noch amtierende Berufssoldaten prominent vertreten sind. Der Landesverband Rheinland-Pfalz wird vom Berufsoffizier Uwe Junge geführt und der Kölner Kreisverband von Hendrik Rottmann, einem Geheimdienstoffizier beim Militärischen Abschirmdienst.

Anlässlich des AfD-Bundesparteitags schrieb die WSWS: Die AfD ist „keine spontane Bewegung von unten. Der Versuch, in Deutschland wieder eine rechte Partei aufzubauen, die rechtskonservative, deutschnationale und völkische Standpunkte vertritt, ist eine direkte Konsequenz der Wiederbelebung des deutschen Militarismus. …“

Im Berliner Landesverband der AfD wird diese Aussage regelrecht personifiziert. Zum Auftakt des Wahlkampfs waren im Januar die sogenannten Gemäßigten um Günter Brinker entmachtet und durch die Doppelspitze Beatrix von Storch und Georg Pazderski abgelöst worden. Die Europaabgeordnete von Storch ist auch stellvertretende Bundesvorsitzende der Partei.

Mit Thorsten Weiß sitzt ein weiterer Bundeswehroffizier im Berliner Vorstand der AfD. Er übte zuletzt Führungsfunktionen in einer Panzerkompanie aus und ist jetzt Chef der „Jungen Alternative“. Vorstandsmitglied Hans-Joachim Berg, ein Jurist, war ehemals Ministerialrat in der Bundestagsverwaltung und über 30 Jahre lang Mitglied der CDU.

Oberst Pazderski kam erst 2012 nach Berlin. Wie der ausführlichen Vita auf der Website des AfD-Landesverband zu entnehmen ist, diente er 41 Jahre lang bei der Bundeswehr, zuletzt als Bundeswehroberst „im Generalstabsdienst“. Besonders zu erwähnen seien, so die AfD, „seine Verwendungen bis zur politisch-strategischen Ebene als sicherheitspolitischer Berater des Ständigen Deutschen Vertreters bei der EU in Brüssel, als Direktor für Operationen und Stellvertretender Chef des Stabes im 1. D/NL [deutsch-niederländischen] Korps in Münster, als Leiter einer Internationalen Planungs- und Analysegruppe im Hauptquartier USCENTCOM in Tampa/USA und als Abteilungsleiter für Logistik im NATO Joint Force Command in Lissabon.“

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hatten beim US-Zentralkommando (CENTCOM) in Tampa, das für die Militäreinsätze in Afghanistan und später im Irak zuständig war, deutsche Verbindungsoffiziere gearbeitet, um die Einsätze im sogenannten Anti-Terror-Krieg mit den US-Streitkräften zu koordinieren.

Schon 2006 hatte das Focus-Magazin berichtet, dass Deutschland in der zentralen Planungsgruppe des CENTCOM kontinuierlich einen der drei Direktoren stelle. Pazderski wurde vom Bundesverteidigungsministerium entsandt, um bis 2010 für einige Jahre das Direktorat für langfristige Planungen zu leiten. Er beriet in dieser Zeit unter anderem General Petraeus, der im Irak- und Afghanistankrieg eine führende Rolle spielte und 2010 Direktor der CIA wurde.

Oberst Pazderski brüstete sich 2006 gegenüber Focus: „Wir haben einen konstruktiven Dialog mit General Abizaid … Wir sind ein wertvolles Entscheidungsinstrument für ihn“. Abizaid war zu diesem Zeitpunkt Kommandeur des CENTCOM, gefolgt von Admiral Fallon und General Petraeus.

Für die kommende Landtagswahl in Berlin am 18. September tritt Pazderski als Spitzenkandidat der AfD an. Die Co-Vorsitzende Beatrix von Storch will in den kommenden Monaten als Abgeordnete des EU-Parlaments in Brüssel bleiben.

Von Storch ist eine geborene Herzogin von Oldenburg. Sie ist die Enkelin des Erbgroßherzogs Nikolaus von Oldenburg und von Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk. Sie bemüht sich seit langem, in Berlin eine rechte Bewegung aufzubauen, und tritt damit in die Fußstapfen ihres Großvaters mütterlicherseits. Graf Schwerin von Krosigk war bis 1945 Hitlers Reichsfinanzminister. 1949 wurde er als Kriegsverbrecher verurteilt, 1951 allerdings wieder aus der Haft entlassen.

Vor der Gründung der AfD 2013 hatte sich Beatrix von Storch an verschiedenen rechten Formationen beteiligt, wie dem „Bürgerkonvent“ oder dem Bündnis „ESM stoppen – Währung und Demokratie retten!“ An der Seite von Wirtschaftsgrößen und CDU/CSU- bzw. FDP-Politikern wie Hans-Olaf Henkel, Roland Berger, Otto Graf Lambsdorff und Rupert Scholz zog sie gegen den Euro und gegen die Griechenland-Rettung zu Felde.

Sie engagierte sich auch für die Rückgabe von Ländereien und Schlössern zwischen Sachsen und Neubrandenburg an die früheren, meist adligen Besitzer, die nach 1945 enteignet worden waren. Mit ihrem Mann, dem aus dem ostelbischen Junkertum stammenden Sven von Storch, zog sie den Verein Zivile Koalition e.V. und dessen Unterorganisation Familienschutz.de auf, mit denen sie konservative Familienwerte propagierte.

In der Flüchtlingspolitik steht sie der AfD-Vorsitzenden Frauke Petry in nichts nach und unterstützt die Forderung nach Waffeneinsatz gegen Flüchtende. Wie die taz aus einem Facebook-Eintrag von Storchs zitiert, sind für sie auch flüchtende Frauen und Kinder an den EU-Grenzen „Angreifer“, die man mit Waffen stoppen muss.

Seit dem Landesparteitag im Januar und zwei weiteren Programmparteitagen, zuletzt Anfang April im Hotel Maritim, bemüht sich die Berliner AfD um Anerkennung als respektable Partei, die vor allem die Korruption und Ineffizienz der Berliner Verwaltung, die Verschwendung von Geldern beim Bau des BER-Flughafens, die Altersarmut usw. bekämpfen wolle. Selbst Beatrix von Storch rief laut einem Bericht des Tagesspiegel zur Mäßigung im Ton gegen den Islam und muslimische Straftäter auf.

Allerdings wurde nach dem Karneval der Kulturen am vergangenen Pfingstwochenende der wirkliche Charakter der AfD deutlich, der sich hinter dieser Schaumschlägerei verbirgt. AfD-Chef Pazderski meldete sich zu Wort und beschwor angeblich massive sexuelle Übergriffe und Straftaten, die ausländische Täter bei dem bei Berlinern und Touristen gleichermaßen beliebten Großevent verübt hätten.

Die Ereignisse glichen der Kölner Silvesternacht und seien „das Ergebnis des Versagens von Politik, Medien und Justiz“, behauptete der Bundeswehr-Offizier. Die Täter seien keine „Antänzer“, sondern Verbrecher. Jetzt sei der „Berliner Innensenator Frank Henkel gefragt“. Er müsse alle Täter „aus sicheren Maghrebstaaten sofort abschieben lassen“, die ihr „Gastrecht verwirkt“ hätten.

Der Innensenator ließ sich nicht lange auffordern. Laut Tagesspiegel wurden der Polizei bis zum 18. Mai zwölf Straftaten während des Karnevals angezeigt: Diebstähle und vermeintliche sexuelle Übergriffe. Elf Personen seien festgenommen worden, darunter vier wegen sexueller Belästigungen. Dabei handelte es sich um zwei 14-jährige Jungen und einen 17-Jährigen mit türkischem bzw. libanesischem Migrationshintergrund, sowie einen 40-jährigen Mann, der einer jungen Frau „heftig an den Po“ gefasst haben soll. Darüber hinaus wurden sieben Männer aus Tunesien, Marokko, Libyen und Algerien in U-Haft gesperrt – wegen Diebstahls.

Für ein Großereignis mit 1,5 Millionen Besucher ist dies eine eher bescheidene Bilanz. Trotzdem übernahm Henkel den hysterischen Tonfall von Pazderski. Er verurteilte das „erniedrigende und frauenverachtende Vorgehen“ der Täter als „abstoßend und kriminell“ und forderte mögliche weitere Opfer auf, sich zu melden.

Der Berliner Innensenator hatte bereits Anfang April eine sechsköpfige Sonderkommission der Polizei gegen „Antänzer“ gegründet und mit zahlreichen Medienberichten beworben. Er wolle damit „Mehrfachtäter“ überführen. In Wahrheit sollen kleine Delikte dafür herhalten, die längst geplanten Massenabschiebungen von Flüchtlingen voranzutreiben.

Dabei ist die AfD bereits eingebunden. Die Berliner Justizverwaltung hat vor kurzem das Brandenburger AfD-Vorstandsmitglied Roman Reusch zum Leitenden Oberstaatsanwalt in Berlin befördert und ihm ausgerechnet die Abteilung „Auslieferung ausländischer Straftäter, Internationale Rechtshilfe“ übertragen.

Hier wird sichtbar, wie sich Senat und AfD gegenseitig die Bälle zuspielen, um in Berlin ein Klima von Law-and-Order, von Justiz- und Polizeirepression zu schaffen.

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