UN-Sicherheitsrat stimmt Kriegseinsatz an libyscher Küste zu

Am Dienstag, den 14. Juni, beschloss der UN-Sicherheitsrat in New York einstimmig eine Resolution, die den europäischen Mitgliedstaaten das Recht erteilt, sämtliche Schiffe vor Libyens Küste nach Waffen und Munition abzusuchen. Mit dieser Resolution rückt ein neuer Libyen-Krieg näher.

Wie die UNO mitteilte, soll damit ein Waffenembargo gegen terroristische Organisationen wie den Islamischen Staat und Al-Kaida in Libyen durchgesetzt werden. Auch Russland und China haben der Resolution zugestimmt.

Damit kann die europäische Marinemission im Mittelmeer (EUNAVFOR MED), genannt „Sophia“, in ihre dritte Phase eintreten. Während die erste und zweite Phase dem Namen nach der Aufklärung und Bekämpfung von Schleuserbanden auf hoher See dienten, bekommt die Mission jetzt die Aufgabe, Waffen- und Munitionstransporte von und nach Libyen gewaltsam zu unterbinden.

Die Mission soll das alte Waffenembargo erneut durchsetzen, das 2011 gegen die Gaddafi-Regierung verhängt worden war. Dieses Embargo war damals der Auftakt des Nato-Kriegs gegen Libyen. Auch heute stellt die Resolution die Weichen für eine Militärintervention der Westmächte.

Die Operation „Sophia“ besteht aus einer großen Zahl von Kriegsschiffen, U-Booten, Aufklärungsflugzeugen, Drohnen und rund 1300 Soldaten aus 24 Nato-Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, Italien, Großbritannien, Spanien, Frankreich, Griechenland, den Niederlanden und Schweden. Die deutsche Marine ist mit bis zu 950 Soldaten und wechselnden Kriegsschiffen an der Mission beteiligt, während die Leitung bei Italien, der ehemaligen Kolonialmacht Libyens, liegt.

„Operation Sophia“ geht auf den Beschluss eines EU-Sondergipfels im April 2015 zurück. Die Ausweitung auf Phase drei kündigte der deutsche Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier während eines Nato-Außenministertreffens am 19. Mai in Brüssel an. Wie er bekanntgab, sollen die europäischen Streitkräfte nicht nur das Waffenembargo durchsetzen, sondern auch eine libysche Küstenwache aufbauen. Dem hatten die EU-Außenminister bereits am 23. Mai 2015 zugestimmt, als sie die Mission um ein Jahr verlängerten. Das so genannte „robuste“ Mandat benötigte noch die Zustimmung des UN-Sicherheitsrats, die jetzt erteilt wurde.

Operation „Sophia“ ist Teil umfassender militärischer Aktivitäten. Die imperialistischen Länder bereiten sich schon seit Monaten darauf vor, in Libyen einzumarschieren und eigene militärische Stützpunkte zu errichten. Ihr Ziel ist es, die direkte Kontrolle über die riesigen Öl- und Erdgasvorräte des Landes zu errichten und den eigenen Zugang nach Afrika zu erleichtern.

Vor drei Wochen erklärte US-Generalstabschef Joseph Dunford, der oberste Chef des Pentagon, eine neue Militärmission mit möglicherweise tausenden US-Soldaten könne „jederzeit“ beginnen. Auf den Militärflughäfen von Sizilien, Zypern und andern Mittelmeerinseln steht schweres Gerät für den Einsatz in Libyen bereit. Griechenland, Italien und Malta haben bereits ihren jeweiligen Luftraum für Maschinen der libyschen Luftwaffe gesperrt.

Amerikanische Special Forces bewegen sich schon heute offen auf den Straßen von Misrata, wo sie den Kampf gegen den IS in der benachbarten Stadt Sirte koordinieren. Inoffiziell sind amerikanische, britische und italienische Soldaten und Geheimdienstagenten seit Monaten in Libyen aktiv. Die deutsche Regierung will jetzt libysche Sicherheitskräfte in Tunesien ausbilden, wobei dieser Einsatz auch in Libyen selbst stattfinden könnte.

Um einer Militärintervention den Anschein von Legalität zu geben, hat die UNO die Marionetten-Regierung von Fajis Sarradsch „als einzige legitime Regierung Libyens“ anerkannt. Nun kann diese „Regierung der nationalen Einheit“ ein offizielles Hilfegesuch an die Westmächte senden und den Einmarsch auf diese Weise rechtfertigen. Die „Regierung“ ist von dem Waffenembargo ausgenommen.

Tatsächlich verfügt Sarradsch über keinerlei Rückhalt in Libyen. Der „Regierungschef“ hat auch zwei Monate nach seiner Ankunft in Tripolis kaum je libyschen Boden außerhalb seines provisorischen Hauptquartiers in Abu Sita, dem Hafen von Tripolis, betreten. Dafür hat er aber die Türkei, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi Arabien besucht. Das Land, das er angeblich regiert, wird von konkurrierenden Milizen und Verbänden kontrolliert, die sich teils heftige Gefechte um Gebiete und Ölfelder liefern.

In der Bevölkerung ist Sarradsch zutiefst verhasst, weil sich an der katastrophalen sozialen Lage nichts geändert hat. In dem zerrissenen Land gibt es mittlerweile zwei konkurrierende Zentralbanken und zwei verschiedene Geldsysteme, denn die Gegenregierung im ostlibyschen Tobruk hat in Russland eigene Geldscheine drucken lassen und am 1. Juni in Umlauf gebracht.

In der Hauptstadt Tripolis kommt es seit Mai immer wieder zu tagelangen Stromausfällen. Sie sind auf die Streiks der Elektrizitätsangestellten zurückzuführen, die seit Wochen keine Gehälter mehr bekommen haben.

Offiziell erklären die Vereinten Nationen, dass sie die Sarradsch-Regierung unterstützen, weil diese angeblich den Kampf gegen den islamistischen Terror führt. Dem steht jedoch die Tatsache entgegen, dass sich Fajis Sarradsch selbst auf islamistische Kräfte stützt: Sarradsch hat eine „Präsidialgarde“ gegründet, die offenbar aus Kräften der Muslimbrüder und der Libyan Islamic Fighting Group (LIFG) besteht, die Al-Kaida nahesteht. Die Zeitung Die Welt konstatierte: „Die Beteiligung der Muslimbrüder ist der Preis, den die internationale Gemeinschaft – allen voran die EU – für die Stabilisierung Libyens zahlt.“

Vor einer Woche wurden in Tripolis die Leichen von 32 brutal ermordeten Gefangenen gefunden. Es waren die Leichen ehemaliger Soldaten von Gaddafi, die seit fünf Jahren im al-Hadba-Gefängnis inhaftiert waren. Sie sollten laut einer Gerichtsentscheidung Anfang Juni freigelassen werden, wurden aber durch Kopfschuss ermordet. Libysche Zeitungen beschuldigen nun die neu ernannte Präsidialgarde von Sarradsch, für die Morde verantwortlich zu sein.

Dies zeigt, dass sich das Regime, das die Unterstützung der UNO genießt, in Wirklichkeit kaum von den terroristischen Kräften unterscheidet, die es im Namen der Nato und der EU zu bekämpfen vorgibt. Tatsächlich gibt es Medienberichte, denen zufolge ein Teil der islamistischen Milizen, die zur Präsidialgarde gehören, Beziehungen zum IS in Sirte unterhält.

Die deutsche Regierung steht vollständig hinter den Kriegsplänen und beteiligt sich daran. So erklärte Außenminister Frank-Walter Steinmeier zur jüngsten Entscheidung des UN-Sicherheitsrats, er begrüße es sehr, dass der Rat „Handlungsfähigkeit bewiesen“ habe, und fügte hinzu: „Der Bedrohung durch ISIS wirksam entgegenzutreten, im Irak, in Syrien und eben auch in Libyen, ist in unser aller Interesse.“

Hatte sich Deutschland 2011 vom Nato-Krieg gegen Libyen noch ferngehalten, ist die deutsche Regierung jetzt an der Kriegspolitik führend beteiligt. In Osteuropa nehmen deutsche Panzer am Aufmarsch gegen Russland teil, in Syrien versorgt die deutsche Luftwaffe die Nato-Einsätze mit Aufklärungsinformationen und vor Libyens Küste engagiert sich die deutsche Marine nun am robusten Mandat zur Durchsetzung des Waffenembargos.

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