Labour Party in Großbritannien:

Angela Eagle soll den Putsch gegen Corbyn anführen

Es gibt wohl wenige Beispiele von politischem Zynismus, die so offen zur Schau gestellt wurden wie die Aufstellung von Angela Eagle als Konkurrentin im Kampf um die Führung der britischen Labour Party am Montag.

Eagle wurde vom rechten Labour-Flügel als Kandidatin ausgewählt, um den Kampf zur Absetzung von Jeremy Corbyn anzuführen. Corbyn war im letzten September von 60 Prozent der Mitglieder und Anhänger der Partei zum Parteiführer gewählt worden.

Für die Kampagne zu seiner Absetzung graben die 172 Abgeordneten im Unterhaus, die Parlamentarische Labour Party (PLP), nicht gewählte Labour-Größen aus – darunter den ehemaligen Parteiführer Neil Kinnock und vor allem den ehemaligen Premierminister Tony Blair mitsamt seinem engen Klüngel von Kriegsverbrechern. Damit stehen sie im Konflikt mit der großen Mehrheit der Partei und ihrer Wähler.

Angeblich wollen sie die Partei wieder wählbar machen. In Wirklichkeit sind sie fest entschlossen, die Partei durch einen Putsch von jeglichem öffentlichen Druck zu befreien, ihr Vermögen zu übernehmen oder die Partei zu zerstören, um ein neues rechtes Sammelbecken zu schaffen. Sogar als Eagle ihre Kandidatur bekanntgab, gab es in den Medien jede Menge Berichte über Diskussionen auf höchster Ebene mit führenden Tories über eine mögliche neue Partei der „Mitte“. Ebenfalls diskutiert wurde das wahrscheinlichere Zusammengehen mit den Liberaldemokraten (LibDems), um den 170 Labour-Parlamentariern zusammen mit den acht LibDems einen Parteiapparat zu verschaffen.

Eagle ist eine typische Vertreterin der Kräfte, die solche politischen Manöver inszenieren. Die Veranstaltung, auf der sie ihre Kandidatur verkündete, machte viel Aufhebens davon, dass sie eine Frau und lesbisch ist. Im Hintergrund war ein Vorhang zu sehen mit dem kitschigen rosa Schriftzug „Angela“, der über die ebenfalls in Rosatönen gehaltene britische Flagge gelegt war. Das Ganze war ein Appell an Identitätspolitik und Patriotismus zugleich.

Sie sagt über sich selbst: „Ich bin keine Blair-Anhängerin. Ich bin keine Anhängerin von [dem ehemaligen Labour-Vorsitzenden Gordon] Brown. Ich gehöre nicht zu den Anhängern von Corbyn. Ich stehe als Frau für mich selbst. Ich bin eine starke Labour-Frau.“ Und abschließend: „Ich kann unsere Partei wieder zusammenbringen.“

Eagle hat in allen wichtigen Fragen die rechte wirtschaftsfreundliche und militaristische Politik der Partei unterstützt. Bekanntermaßen hat sie 2003 für den Irak-Krieg gestimmt. Darüber hinaus hat sie laut der Webseite They Work For You „konsequent gegen eine Untersuchung über den Irak-Krieg“, sowie im September 2014 für Luftangriffe im Irak und im Dezember 2015 für Luftangriffe in Syrien gestimmt. Sie unterstützt die Beibehaltung des Trident-Atom-Programms und hat sich „generell für ein verschärftes Asylsystem“ und für höhere Studiengebühren eingesetzt. 2006 hat sie die Pläne der Blair-Regierung unterstützt, Terrorverdächtige bis zu 90 Tage ohne Anklageerhebung zu inhaftieren. Bei der Abstimmung 2013 über das Workfare-Programm der konservativ-liberaldemokratischen Koalition und bei der Abstimmung 2015 über das Sozialausgaben-Gesetz hat sie sich der Stimme enthalten.

Eagles Kandidatur war von den Blair- und Brown-Anhängern insgeheim schon Wochen vor der Ankündigung geplant worden. Sie hatte bereits die Website „Angela for Leader“ in Auftrag gegeben, als sie unter Krokodilstränen ihren Rücktritt aus Corbyns Schattenkabinett verkündete.

Nur einen Tag bevor Labours Nationales Exekutivkomitee darüber entscheidet, ob Corbyn überhaupt kandidieren darf, sprach sie davon, die Partei zu vereinen. Corbyn besteht darauf, dass er automatisch kandidieren darf. Seine Gegner sind jedoch dabei, einen Rechtsfall zu konstruieren, dem zufolge er die Unterstützung von 20 Prozent der PLP, d.h. von 51 Abgeordneten benötigen würde. Corbyns Gegner sind sich völlig im Klaren darüber, dass er nur von 40 Abgeordneten unterstützt wird.

Eagle behauptet, Corbyn abzuservieren und sie zu wählen, würde Labour in die Lage versetzen, die Parlamentswahlen zu gewinnen. Doch nur sechs Minuten bevor sie als Herausforderin um die Führung akzeptiert wurde, hatte Jon Trickett, Labours Wahlkampfkoordinator und Mitglied im Schattenkabinett von Corbyn, die Nachricht begrüßt, dass die Tory-Abgeordnete Andrea Leadsom ihre Kandidatur um die Tory-Führung zugunsten von Theresa May aufgegeben hat. Trickett erklärte dazu: „Es sieht jetzt so aus, als ob wir die Einsetzung der neuen konservativen Premierministerin abwarten können. Angesichts der Instabilität, die durch die Brexit-Abstimmung verursacht wurde, ist es sehr wichtig, dass das Land über einen demokratisch gewählten Premier verfügt. Ich stimme hiermit die gesamte Partei auf die Parlamentswahlen ein.“

Die Blair-Anhänger haben nicht die geringste Absicht, die Tories in dieser Zeit des nationalen Notstands herauszufordern. Im Daily Telegraph erklärte einer der Labour-Abgeordneten zu Corbyns Forderung nach vorgezogenen Neuwahlen, dies sei gleichbedeutend damit, „mit Anlauf von der Klippe zu springen“. Erneut verstecken sie ihre geheime Absprache mit den Tories hinter der Behauptung, Corbyn mache die Labour Party unwählbar. Für sie stellt seine Forderung nach Neuwahlen einen Versuch dar, „die Instabilität in Westminister auszunutzen, um an der Macht festzuhalten“. Sie behaupten, er würde bis zu einhundert Labour-Abgeordnete opfern, die ihre Sitze verlieren würden.

Corbyn ist weiterhin gegen jeglichen Kampf, um diese Kräfte aus der Partei zu jagen. Das müsste er aber tun, wenn er nur ein einziges seiner Versprechen, gegen Austerität und Militarismus zu kämpfen, einlösen wollte. Die Abgeordnete Diane Abbott erklärte in seinem Auftrag in der BBC-Sendung „Today“, dass die „beste Chance“, ein gutes Ergebnis bei den Parlamentswahlen zu erzielen, in der Vereinigung der Menschen bestehe und darin „den Kampf mit den Tories aufzunehmen“. Sie versicherte den Labour-Abgeordneten, dass „es keine Spaltung geben wird“.

Len McCluskey, Führer der Gewerkschaft Unite, drang erneut darauf, Labour solle von dem „erbärmlichen Putsch“ Abstand nehmen, denn der habe „sich lawinenartig zu einer ruinösen Aktion gegen die Labour Party selbst entwickelt, die sie zumindest vorübergehend als parlamentarische Kraft zerstört“. Er drang dann darauf, es müsse „eine Versöhnung mit der parlamentarischen Labour Party geben. Wir müssen die gegenseitige Achtung und die Einheit wiederherstellen und die wirklichen Probleme der Wahlkampagne, der Politik, des Images usw. ansprechen. Dafür habe ich mich in der letzten Woche eingesetzt. Ich will versuchen, unsere Partei zusammenzuhalten, so wie es die Gewerkschaften in der Vergangenheit schon oft getan haben, wenn die Politiker uns im Stich gelassen haben.“

Es gibt Befürchtungen, dass sämtliche Bemühungen der Corbyn-Anhänger und der Gewerkschaften nicht ausreichen, um Labour als wichtiges Instrument zur Kontrolle der Arbeiterklasse und zur Verteidigung der Interessen des britischen Imperialismus zu erhalten. Obendrein ist Eagle selbst mit einem Misstrauensvotum in ihrem eigenen Labour-Wahlkreis Wallasey konfrontiert, wo die Labour Party von 900 Mitgliedern vor dem 24. Juni auf jetzt 1.200 angewachsen ist.

Kevin Maguire vom Daily Mirror warnte, dass seine Erlebnisse auf dem Bergarbeiter-Fest in Durham in der letzten Woche ihn davon überzeugt hätten, dass „die Mehrheit der Labour-Wähler, die ich in Durham getroffen habe, alles ordentliche Leute, von Jezzas [Corbyns] alternativem Anti-Austeritäts-Programm begeistert sind und sich durch ein verfahrensrechtliches Vorgehen betrogen fühlen würden. Das würde den Kult um Corbyn eher stärken als schwächen. Außerdem würde die Partei dadurch unregierbar. Dann käme es sicher zur Spaltung.“

Louis Staples befürwortete im Independent die Absetzung von Corbyn und schrieb, es sei „bedauernswert, dass Eagle dieser Aufgabe nicht gewachsen ist. [...] Sich nach der Untersuchung von Chilcot um Eagle als potentielle Führerin zu scharen, zeigt, wie wenig Bezug die Labour-Abgeordneten zu ihrer Mitgliedschaft und der öffentlichen Stimmung haben.“ Staples schlägt vor, jemand solle kandidieren, der nicht allgemein dem „Abschaum um Blair“ zugerechnet wird.

Tony Blairs ehemaliger Berater John McTernan erklärte ebenfalls im Telegraph, dass Eagle zumindest von einigen Blair-Anhängern als kaum mehr als ein Strohmann angesehen wird. Er erklärte: „Wir erwarten, dass das Nationale Exekutivkomitee bestätigt, dass Corbyn Nominierungen benötigt. Die Herausforderung durch Angela Eagle wird eine Klärung der Regeln erzwingen. Dafür sollte man ihr Lob zollen. Aber wenn Corbyn nicht mehr aufgestellt wird, dann wird sie nicht mehr lange alleine kandidieren [...] Owen Smith wird zu einer großen Herausforderung für sie werden.“

Am Montagabend verkündete Politics Home, dass Smith, der ehemalige Schattenminister für Arbeit und Rente, kandidieren und schon bald seine Kandidatur ankündigen werde.

Loading