„Krieg kann niemals eine Lösung sein“

Bericht vom Wahlkampf der Partei für Soziale Gleichheit in Berlin

Die Partei für Soziale Gleichheit (PSG) stellt den Kampf gegen Krieg in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfs zum Berliner Abgeordnetenhaus, das am 18. September gewählt wird. Sie hat eine Landesliste sowie mehrere Direktkandidaten aufgestellt und ein Wahlprogramm vorgelegt, das eine Antwort auf die wachsende Kriegsgefahr gibt. Die Resonanz auf den Wahlkampf der PSG ist sehr gut. Wie Wahlhelfer berichten, kommt es überall zu lebhaften Diskussionen. Viele Menschen sorgen sich über Aufrüstung, Krise und Kriegsgefahr, Fragen, die auch die lokalen Probleme überschatten.

Die Berlinwahl findet inmitten einer tiefen Krise statt. Die Koalition unter Führung des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) und des Innensenators Frank Henkel (CDU) hat in den letzten Monaten einen Law-und-Order-Kurs eingeschlagen und massive soziale Angriffe durchgeführt. Die Auswirkungen immer neuer Privatisierungsorgien sind besonders am Wohnungsmarkt und im Gesundheitswesen spürbar. An der Flüchtlingsfrage ist abzulesen, welche Angriffe die Regierung gegen die ganze arbeitende Bevölkerung plant.

Auch am Jobcenter Tempelhof ist die Kriegsfrage ein Thema. Wer sich hier umschaut, bekommt rasch einen Eindruck von der schwierigen Situation geflüchteter Menschen. Viele hier sind dem Syrien-Krieg entkommen und versuchen jetzt, in Berlin zurechtzukommen. Zwei junge Männer aus Syrien sprechen sich für den Kampf der PSG gegen Krieg aus. „Das wäre sehr gut, wenn sich die Menschen zusammenschließen, um den Krieg zu stoppen“, erklärte Sahin, ein junger Mechaniker aus Aleppo. Sein Freund, ein Medizinstudent aus Damaskus, betont: „Jeden Tag wünsche ich mich zurück an meine Universität in Damaskus.“

Simaw

Simaw war in Aleppo Grundschullehrerin und lebt seit drei Jahren in Deutschland. Ihr Mann hatte vor über vier Jahren, kurz nach Ausbruch des Bürgerkriegs, seine Flucht nach Deutschland angetreten, während sie sich mit drei Kindern ein Jahr lang in der Türkei aufhielt. „Wir haben großes Glück gehabt“, sagte Simaw. „Die Reise mit den drei Kindern übers Meer, das hätte ich nicht gewagt; dafür hätte ich viel zu viel Angst gehabt. Und doch war es schwierig für uns in der Türkei: Alles war für uns teuer, und ich durfte ja nicht arbeiten. Allein für Miete mussten wir monatlich umgerechnet über 200 Euro bezahlen, dann kamen alle möglichen Ausgaben hinzu. Ich habe alles verkauft, was wir an Wertsachen hatten. Als mein Mann schließlich Asyl bekam, konnten wir legal nach Deutschland einreisen.“

„Krieg ist eine schreckliche Sache“, erklärt Simaw. „Mein Bruder lebt noch in Aleppo unter schwierigen Bedingungen, und meine Mutter wohnt im Libanon. Der Bruder kann nicht zu uns kommen, denn jetzt sind die Grenzen komplett geschlossen. Wir sind alle auseinandergerissen. Jetzt hoffe ich, hier eine Umschulung zu machen, damit ich überhaupt arbeiten kann. Das Schlimmste ist, keine Arbeit zu haben.“

Mohamed

Ein älterer Arbeiter namens Mohamed stimmt zu, dass die Ursache für Krieg im kapitalistischen Profitsystem zu suchen sei. Er sagt: „Es sind die Kapitalisten und ihre Politiker, die Krieg um Macht und Rohstoffe führen, und nicht die einfachen Leute. Ich bin ganz allgemein gegen Krieg und Aufrüstung. Es wäre viel vernünftiger, wenn man all das Geld und die Energie dafür verwenden würde, neue Häuser und Wohnungen für die Menschen aufzubauen.“

„Krieg gehört überhaupt nicht mehr in diese Welt!“ ergänzt Erol. „Am Ende ist es egal, ob eine Million oder ein einziger abgeschossen wird. Jeder einzelne, der durch Krieg sterben muss, ist zuviel.“ Auf die Wahlen angesprochen, sagt er: „Für mich wäre ein Politiker überhaupt nur dann akzeptabel, wenn er sich ernsthaft für den Frieden einsetzen würde.“

An den Arbeitsämtern ist deutlich spürbar, welche soziale Misere der jahrzehntelange soziale Kahlschlag in Berlin hervorgerufen hat. Hier trifft man Hunderte, die nur mit größter Mühe über die Runden kommen. Eine von ihnen ist Christina (Mitte 20), ein Germanistik- und Soziologie-Studentin, die als alleinerziehende Mutter gezwungen ist, ihr Studium durch einen Minijob im Supermarkt zu finanzieren. Sie ist sehr angetan, als sie vom Aufbau einer revolutionären Partei und besonders der IYSSE hört. „Das ist eine gute Sache“, sagt sie. „Es ist notwendig, eine Jugend- und Studentenorganisation aufzubauen, die international organisiert ist und anti-kapitalistische Politik vertritt.“ Christina sieht die Gefahr, dass sich der Krieg im Nahen Osten ausweiten kann, als realistisch und äußerst gefährlich an.

Salvatore

Auch Salvatore ärgert sich über die Kriegspolitik und das Geld, das die Politiker für die Aufrüstung ausgeben. „Dann heißt es immer, es sei kein Geld da! Mein Problem ist, dass man mir zwar eine Zeitlang über HartzIV meine Wohnungsmiete bezahlt hat, und jetzt ist HartzIV zu Ende, aber die Wohnung ist immer noch da“, berichtet Salvatore. Er arbeitet zurzeit in einem Minijob als Küchenkraft, obwohl er selbst am liebsten seine eigene Gaststätte führen würde. „Richtig gutes, italienisches Essen, das wäre so meine Welt. Stattdessen lebe ich schon seit über sechs Monaten für dreizehn Euro am Tag, und ich sage Ihnen, das ist in Berlin nicht leicht.“

Salvatore berichtet, er habe schon seine Benachrichtigung für die Berliner Wahl bekommen, kenne aber die Politik bisher besser aus Italien. Auf die Linkspartei angesprochen, berichtet er, in Italien hätten alle Pseudolinken die Renzi-Regierung unterstützt, aber diese sei gerade wieder dabei, gegen Libyen Krieg zu führen. „Krieg kann niemals die Lösung sein!“ sagt Salvatore mit Überzeugung. „Jede politische und diplomatische Lösung, die den Krieg vermeidet, ist besser als Bomben auf die Bevölkerung zu werfen und die Menschen massenhaft zu töten. Schauen Sie nach Syrien, dort leben die Menschen tagtäglich in Todesangst.“ Er freut sich, dass die PSG den Kampf gegen Krieg aufnimmt, und verspricht, ihr dafür seine Stimme zu geben.

Johannes

Johannes, ein Sozialpädagoge, sagt spontan: „Es wird massiv Geld für die Bundeswehr ausgegeben, und Deutschland ist auch Waffenexporteur, darauf kann man wirklich nicht stolz sein.“ Johannes erwartet nichts von den Wahlen, wenn er sich auch wünscht, dass der Kurs geändert würde. „Man müsste das Geld in die sozialen Bereiche stecken, und nicht in die Rüstung.“

Immer wieder wendet sich die Diskussion der Linkspartei zu, die in Berlin schon von 2001 bis 2011 zehn Jahre lang im Senat mitregiert hat. Ihre Politik war teilweise noch reaktionärer als die der andern Parteien, und jedenfalls gelang es ihr, soziale Kürzungen durchzusetzen, die bei andern Parteien offenen Widerstand provoziert hätten. Aus Enttäuschung reagieren viele mit einer Abwendung von Politik.

„Die Linkspartei ist auch nicht anders als alle andern Parteien“, sagt Alexander, ein junger Mann, der als Pfleger arbeiten möchte. Er gehe nicht wählen, fährt er fort. „Da halte ich mich komplett raus. Und ich kenne viele, auch gebildete Leute, die es genauso machen.“ Alexander hat in Berlin miterlebt, wie die Krankenhäuser privatisiert und vom Klinikkonzern Vivantes übernommen wurden. „Auch die Linkspartei hat es nicht verhindert“, sagt er. „Es wird so viel versprochen, aber im Endeffekt ändert sich nichts, und wenn sich was ändert, dann nur im Interesse der Wirtschaft. Deutschland ist eins der kapitalistischsten Länder, die es gibt.“

Auch Gerke sagt, sie sei von allen im Senat vertretenen Parteien enttäuscht. „Ich gehe wohl zur Wahl, aber ich mache den Stimmzettel ungültig, um meine Opposition auszudrücken.“ Auf das Argument, dadurch allein ändere sich ja nichts, und es komme darauf an, die arbeitende Bevölkerungsmehrheit zusammenzuschließen und ihr eine Stimme zu verschaffen, sagt Gerke: „Es stimmt schon, dass mein Stimmzettel-Protest ungehört verpufft. Dabei möchte ich gar nicht zur so genannten ‘schweigenden Mehrheit‘ gehören.“

Immer wieder dreht sich die Diskussion auch über politische Tendenzen, die sich angeblich „links“ und fortschrittlich darstellen, aber im Endeffekt die Linkspartei unterstützen. Zu diesem Thema berichtet eine junge Frau aus Spanien über ihre Erfahrungen mit der Partei Podemos, einer mit der Linkspartei und der griechischen Syriza vergleichbaren spanischen Tendenz.

Sandra, Mitte 30, kommt aus Valencia und lebt seit einigen Jahren in Berlin. Sie hat die spanischen „Indignados“ (Empört euch)-Proteste im April und Mai 2011 aktiv und engagiert mitgemacht, war aber zuletzt von Podemos völlig enttäuscht. Sie berichtet: „Mit Podemos bin ich fertig. Sie haben immer viel versprochen, aber nichts gehalten.“ Pablo Iglesias, der politische Führer von Podemos, habe sich früher aktiv für Hugo Chavez und Fidel Castro, zwei bürgerliche Nationalisten, eingesetzt.

Als sich die Diskussion darum dreht, dass sehr viele pseudolinke Politiker ursprünglich aus dem stalinistischen Lager kommen, erklärt Sandra: „Im Grunde bin ich vollkommen gegen den Stalinismus. In diese Organisationen [wie Linkspartei, Podemos oder auch Syriza] darf man keinerlei Vertrauen setzen.“ Sie möchte zur Versammlung am 18. August in Schöneberg kommen und die Vierte Internationale kennen lernen.

Vor der Amerika-Gedenkbibliothek sitzt Victor, ein Student, und liest aufmerksam den Wahlaufruf der PSG. Schließlich tritt er an den Büchertisch und sagt, er sei positiv überrascht, die PSG hier zu entdecken. An der Uni habe er schon von der IYSSE-Kampagne „Wissenschaft oder Kriegspropaganda“ gehört. Münkler-Watch habe im Netz über eine Vorlesung berichtet, die auch einer seiner Freunde gehört habe. „Anfangs kam es uns etwas übertrieben vor, aber mittlerweile erscheinen mir Münklers Thesen tatsächlich echt problematisch“, sagt Victor.

Diana

Diana hat mehrere Jahre in den USA gelebt und dort zuletzt die Kandidatur von Bernie Sanders unterstützt. Sie schildert ihre Erfahrungen: „Wir leben heute in einem gnadenlosen Zweiklassen-System. Jetzt gibt es drüben nur noch die Alternative Trump oder Hillary. Trump ist nichts weiter als der Hitler Amerikas, und Hillary, die hat doch die Leute von vorne bis hinten belogen.“ Sie habe sich mit ihrer Tochter für Bernie Sanders eingesetzt, aber „die Clinton-Kampagne hat ihn letztlich nur benutzt, um oppositionelle Stimmen einzubinden“.

Diana unterstützt die Antikriegs-Kampagne der PSG und packt sich Flyers und Material auch für ihre Tochter ein. Sie betont, sie verstehe sich bewusst als „Weltbürgerin“, um ein Zeichen gegen Nationalismus zu setzen.

Diana und viele andere sagten, sie wollten den Wahlaufruf in Ruhe durchlesen, und versprachen, am Donnerstagabend zur Wahlversammlung nach Schöneberg zu kommen, um das Programm der PSG und der Vierten Internationale kennen zu lernen.

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