Deutsche Bankenkrise verschärft sich

Nachdem der Aktienkurs der Deutschen Bank zum Wochenanfang um 7,5 Prozent einbrach und damit auf den tiefsten Stand seit 1983 fiel, kündigte am Donnerstag auch die zweitgrößte deutsche Bank ein drastisches Umstrukturierungsprogramm an. Die Commerzbank streicht jeden fünften Arbeitsplatz, insgesamt 9600 Stellen.

Commerzbank-Chef Martin Zielke bemühte sich den Arbeitsplatzabbau als Teil einer technischen Umstrukturierung darzustellen. Die Bank werde zu einem „digitalen Technologieunternehmen“ umgebaut, heißt es in einer Presseerklärung. Das Unternehmen werde sich künftig „konsequent auf ihre Kerngeschäfte konzentrieren, 80 Prozent ihrer relevanten Prozesse digitalisieren und dadurch signifikante Effizienzgewinne erziele“, teilte die Commerzbank mit.

Doch ähnlich wie bei der Deutschen Bank liegen die Problem tiefer. Anfang August stürzte die Commerzbank-Aktie auf ein Allzeittief. In den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres ging der operative Gewinn um 40 Prozent zurück. In einem Zwischenbericht des Bankvorstands wurde darauf aufmerksam gemacht, dass „das operative Ergebnis und das Konzernergebnis unter dem Vorjahr liegen werden.“

Der Spiegel kommentierte damals: „Was im Bilanzbericht so nüchtern klingt, ist in Wahrheit brisant, zeigt es doch, wie schlecht es um Deutschlands zweitgrößte Bank bestellt ist“.

Die Commerzbank war stark von der Finanzkrise 2008 betroffen. Unmittelbar davor hatte sie ihre Zusammenarbeit mit dem inzwischen weitgehend abgewickelten Immobilien- und Staatsfinanzierers Eurohypo intensiviert und anschließend die riskante Übernahme der Dresdner Bank organisiert. Die Auswirkungen der Finanzkrise waren auf die Commerzbank so dramatisch, dass sie mit 18,2 Milliarden Euro Steuergeldern vor dem Zusammenbruch gerettet werden musste. Seitdem ist der Bund mit gut 15 Prozent größter Aktionär der Commerzbank.

Wie weit im Finanzministerium an einer gemeinsamen Strategie für die Krise der Commerzbank und der Deutschen Bank gearbeitet wird, ist nicht bekannt. Fest steht, dass in Bezug auf die Deutsche Bank ein Notfallplan im Gespräch ist. Am Mittwoch hatte Die Zeit berichtet, dass „die Bundesregierung und die zuständigen Finanzaufsichtsbehörden“ ungeachtet aller Dementis von Regierungssprecher Seibert und Bank-Chef Cryan, an einem Rettungsplan für die Deutsche Bank arbeiten. Im äußersten Notfall würde sich der Staat direkt an der Bank beteiligen. Es sei eine Beteiligung von 25 Prozent im Gespräch, schreibt Die Zeit.

Dass überhaupt über einen Rettungsplan diskutiert wird, zeigt wie explosiv die Situation ist. Ein Zusammenbruch der Deutschen Bank hätte Auswirkungen, die über den Bankrott von Lehman Brothers und die Finanzkrise von 2008 hinaus gehen würden.

Unmittelbarer Auslöser der gegenwärtigen Krise war die Forderung des US-Justizministeriums nach einer Strafzahlung der Deutschen Bank in Höhe von 14 Milliarden Dollar (etwa 12,5 Milliarden Euro), wegen illegaler Geschäfte mit Immobilienkrediten, die in der Finanzkrise vor acht Jahren eine zentrale Rolle spielten. Insgesamt hat die Bank für Rechtsstreitigkeiten aber nur 5,5 Milliarden Euro zurückgestellt.

Dazu kommt, dass der Aktienwert der Deutschen Bank rapide sinkt. Im Vergleich zu 2006 hatte die Aktie bis September 2016 knapp 90 Prozent an Wert verloren. Heute ist die Bank nur noch 16 Milliarden Euro wert. Das ist weniger als der Baustoffhersteller HeidelbergCement, schreibt Focus-Online. Die Deutsche Bank hat unter den „systemrelevanten“ europäischen Banken eine der schwächsten Kapitalpositionen und die meisten Derivate.

Laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) ist die Deutsche Bank in Bezug auf „systemische Risiken in der Finanzwirtschaft“ das global gefährlichste Geldinstitut. DB stehe nicht nur für „Deutsche Bank“ sondern auch für „Derivate Bombe“, erklärt Focus-Online und beschreibt die Situation mit folgenden Worten: „Brandgefährlich ist der Derivatebestand der Deutschen Bank von fast 46 Billionen Euro – knapp 17-mal so viel wie die jährliche Wirtschaftsleistung Deutschlands – und das bei einem Eigenkapital von 61 Milliarden Euro! Diese Papiere laufen außerhalb der Bilanz und sind völlig intransparent. Sollten der Bank lediglich fünf Prozent aller Derivate um die Ohren fliegen, gehen in Frankfurt die Lichter ganz schnell aus.“

Derivate sind Finanzierungsinstrumente, die dem Transfer von Risiken dienen. Sie sind hoch spekulativ und bewegen sich am Rande der Legalität.

Seit 2012 musste die Deutsche Bank 12,7 Milliarden Euro für Rechtsstreitigkeiten aufbringen. Es geht unter anderem um Geldwäsche, Steuerkriminalität und Zinsmanipulation. Alleine 2,5 Milliarden Dollar und 725 Millionen Euro mussten wegen Manipulationen von Interbanken-Zinsen (LIBOR - London Inter Bank Offered Rate und EURIBOR - Euro Interbank Offered Rate) und 1,9 Milliarden Euro wegen Streitereien um Hypothekenpapiere gezahlt werden.

Die Krise der Deutschen Bank wirft ein Schlaglicht auf die wachsende Krise des europäischen Finanzsystems. Das zeigt sich sehr deutlich in der akuten Bankenkrise in Italien. Trotz der Spar- und Privatisierungsmaßnahmen dreier aufeinanderfolgender Regierungen (Mario Monti, Enrico Letta, Matteo Renzi) ist die italienische Staatsverschuldung seit 2011 von 1,8 auf 2,2 Billionen Euro oder 133 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gestiegen. Das BIP ist seit Anfang 2008 um acht Prozent geschrumpft. Die Summe der faulen Kredite in den Bankbüchern hat sich verdoppelt und beträgt heute etwa 360 Milliarden Euro oder ein Fünftel aller Kredite. Davon gelten 200 Milliarden als unwiederbringlich verloren.

Während bisher die deutsche Wirtschaft als Motor der Eurozone bezeichnet wurde, zeigt sich nun, wie anfällig und prekär die Situation in Wirklichkeit ist. Parallel zur Krise der Deutschen Bank veröffentlichte das Handelsblatt am Donnerstag einen Artikel über sinkende Wirtschaftswachstums-Prognosen. Unter der Überschrift „Jahr der Unsicherheiten“ berichtet die Finanzzeitung, dass führende Wirtschaftsforscher für das kommende Jahr „kein so robustes Wachstum“ erwarten. Als Grund geben sie politische Unsicherheiten an, „die eine Exportwirtschaft wie die deutsche treffen könnten – angefangen bei den US-Wahlen über den Brexit bis zur Entwicklung in China.“

Der Daily Telegraph spekuliert bereits über das Ende der Merkel-Regierung und des Euro und warnt: „Sollte die deutsche Regierung nicht hinter der Bank stehen, werden unausweichlich auch alle ihre Gegenparteien – andere Banken und Instituten, mit denen sie Geschäfte macht – unsicher werden, ob sie mit ihr handeln sollen. (...) Sollte die Deutsche Bank untergehen, sieht es immer wahrscheinlicher danach aus, dass sie Merkel mit sich reißen wird – und mit einiger Wahrscheinlichkeit auch den Euro.“

Angesichts dieser wachsenden Krise verschärfen sich die transatlantischen Spannungen. Es ist bezeichnend, dass die Strafe gegen die Deutsche Bank nicht wie üblich von der US-Börsenaufsicht, sondern vom amerikanischen Justizministerium verhängt wurde. Die vorherige Entscheidung der EU, gegen Apple eine Steuernachzahlung von 13 Milliarden Euro zu verhängen, führte bei US-Firmen und dem US-Finanzministerium zu einem regelrechten Sturm der Entrüstung.

Auch die Ankündigungen aus Berlin und Paris die Verhandlungen über das von den USA angestrebte Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) scheitern zu lassen, wurden in Washington mit Verärgerung registriert.

Bereits im Sommer vergangenen Jahres wurde der Vorwurf erhoben, die Deutsche Bank habe Rubel-Schwarzgeld im Wert von mindestens sechs Milliarden Dollar gewaschen. Mehrere Mitarbeiter in der Moskauer Niederlassung wurden deshalb entlassen. Nun geht das US-Justizministerium und die Finanzbehörde von New York (DFS) noch einen Schritt weiter und lässt prüfen, ob die Bank gegen Sanktionen verstoßen hat.

Im Unterschied zur Finanzkrise 2008, als noch ein gewisses Maß an internationaler Kooperation und gemeinsamen Krisenmanagement bestand, reagieren heute alle Großmächte auf ein erneutes Aufbrechen der Finanzkrise mit nationalen Anschuldigungen und heftigen wirtschaftlichen Attacken gegeneinander. Das globale Wirtschafts- und Finanzsystem wird immer mehr zum Kampfplatz nationaler Gegensätze. Das verschärft nicht nur die Wirtschaftskrise sondern treibt auch den Rüstungswettlauf und die weltweiten Kriegsvorbereitungen voran.

Loading