Wall Street feiert Trumps Wahlsieg mit Kursfeuerwerk

In den zwei Tagen nach dem Sieg von Donald Trump in der US-Präsidentschaftswahl erreichte der Dow-Jones-Index einen neuen Rekordstand. Am Donnerstag war der Aktienindex für Standardwerte bis zum Handelsschluss um weitere 218 Punkte, bzw. 1,2 Prozent auf 18.807 Punkte gestiegen und übertraf damit bisherigen Höchststand von 18.636 Punkten, den er im August 2016 erreicht hatte. Insgesamt legte der Dow Jones diese Woche um 5 Prozent zu.

Die Aussicht auf deutliche Senkungen der Körperschafts- und Einkommensteuer, erhöhte Militärausgaben und die Deregulierung des Banken- und Finanzsektors lässt der Finanzaristokratie das Wasser im Munde zusammenlaufen.

Trump hat versprochen, die Körperschaftssteuer von 35 Prozent auf 15 Prozent zu senken und die Einkommenssteuer für die Superreichen um Hunderttausende, teilweise sogar Millionen Dollar zu verringern.

Der zweite wichtige Faktor für den Anstieg der Börsenkurse ist die politische Unterstützung der Demokratischen Partei für den künftigen Präsidenten Trump.

Demokratische Politiker von Präsident Obama abwärts versprachen, mit dem angehenden Präsidenten zusammenzuarbeiten, darunter Hillary Clinton, die „linksliberale“ Senatorin Elizabeth Warren und der selbsternannte „Sozialist“ Senator Bernie Sanders. Obama selbst versprach eine reibungslose Regierungsübergabe.

Neben dem Dow Jones stieg auch der breiter gefasste Aktienindex Standard & Poor's 500 im Lauf der Woche um vier Prozent. Einige der größten Zugewinne entfielen dabei auf die Banken, die sich höhere Zinssätze und damit höhere Gewinne aus der Kreditvergabe sowie die Abschaffung aufsichtsrechtlicher Vorschriften für die Finanzmärkte erhoffen.

Trump hat versprochen, den Dodd-Frank Act abzuschaffen, der 2010 als Reaktion auf die Krise von 2008 erlassen worden war. Zwar konnte dieses Gesetz räuberische und offen kriminelle Aktivitäten kaum einschränken, brachte aber einige Auflagen mit sich, die von der Finanzwelt als Hindernis für ihre Profite betrachtet werden.

Die Aktienkurse der im S&P 500 erfassten Finanzunternehmen stiegen am Donnerstag um 3,7 Prozent und damit in der Woche insgesamt um 11 Prozent. Zu den stärksten Gewinnern gehörten die New Yorker Finanzhäuser Goldman Sachs und JPMorgan Chase.

Auch Rüstungsunternehmen lecken sich schon die Lippen, weil Trump sich gegen die automatischen Kürzungen der Militärausgaben ausgesprochen hat, die im Rahmen der Haushaltsbegrenzung 2011 beschlossen wurden. Stattdessen sprach sich Trump für eine umfassende Erhöhung der Militärausgaben aus.

Pharmaunternehmen und Krankenversicherungen rechnen ebenfalls mit zusätzlichen Gewinnen. Die Aussicht, dass sie unter einer Trump-Regierung weniger Vorschriften für ihre Preispolitik zu erwarten haben, trieb auch ihre Aktienkurse in die Höhe.

Nur die Hightech-Branche verzeichnete Kursverluste. Denn hier wird befürchtet, dass Trumps nationalistische Wirtschaftspolitik Auswirkungen auf die Kostenstruktur haben wird. Die Branche ist auf den Zugang zu billigen Arbeitskräften auf der ganzen Welt angewiesen, doch Trump hat u. a. angekündigt, Handelsabkommen neu zu verhandeln und Maßnahmen gegen China zu verhängen. Eine weitere Befürchtung ist, dass Zuwanderungsbeschränkungen ein Hindernis für den Zuzug hochqualifizierter Mitarbeiter werden könnten.

Die Erwartung der Märkte, dass die Auflagen für die Banken gelockert oder sogar ganz abgeschafft werden könnten, wurde durch Berichte bestärkt, wonach Trumps Übergangsteam unter Führung von Vizepräsident Mike Pence möglicherweise Jeb Hensarling aus dem Repräsentantenhaus von Texas zum Finanzminister ernennen wird. Hensarling ist ein entschiedener Gegner des Dodd-Frank Act und kritisiert die Präsidentin der amerikanischen Notenbank Janet Yellen. Er ist Vorsitzender des Finanzdienstleistungsausschusses des Repräsentantenhauses.

Trumps Übergangsteam erklärte in einer kurzen Mitteilung auf seiner Website, es werde daran arbeiten, „den Dodd-Frank Act abzuschaffen und durch eine neue Politik zu ersetzen, die das Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen fördert“. Hensarling bezeichnete die Erklärung als „Musik in meinen Ohren.“

Laut einem Bericht des Wirtschaftsnachrichtensenders CNBC ist auch der Vorstandschef von JPMorgan, Jamie Dimon, als Finanzminister im Gespräch. Der aussichtsreichste Anwärter auf den Posten ist der Finanzchef von Trumps Wahlkampfteam Steven Mnuchin. Auch diese Meldung verdeutlicht, dass Finanzmogule in der neuen Regierung eine wichtige Rolle spielen werden.

Mnuchins Karriere begann bei Goldman Sachs, wo er ein Privatvermögen von 40 Millionen Dollar anhäufen konnte. Danach machte er sich selbständig.

Ein weiterer wichtiger Posten ist der von Trumps Stabschef im Weißen Haus. Als besonders aussichtsreicher Kandidat gilt Steve Bannon, der im August zum Vorsitzenden von Trumps Wahlkampfteam ernannt worden war. Bannon ist ebenfalls ein ehemaliger Wall-Street-Funktionär für Goldman Sachs. Seit 2012 leitet er die rechtsradikale Nachrichtenwebsite Breitbart News und baute sie zum Sprachrohr für die Förderung von „weißem Nationalismus“ und faschistischer Hetze gegen Migranten und Minderheiten aus. Er wirft der Führung der Republikanischen Kongressfraktion eine zu zögerliche Haltung gegenüber den Themen Einwanderung und Außenhandel vor.

Nur zwei Tage nach der Wahl lässt sich an den Reaktionen der Wall Street und am Charakter der Anwärter auf die wichtigsten Staatsämter ablesen, wie die neue Regierung beschaffen sein wird. Trump hat angekündigt, er werde seine Präsidentschaft so führen wie seine Unternehmen – mit anderen Worten, mit einer Mischung aus Spekulation, Hochstapelei und vor allem einem gnadenlosen Profitstreben.

Sein Wahlkampf reihte sich ein in die lange Tradition amerikanischer Trickbetrüger, Schwindler und Scharlatane. Nachdem er im Wahlkampf von der berechtigten Unzufriedenheit von Millionen Arbeitern und von ihrer Feindschaft gegenüber den Banken und Konzernen, der Demokratischen Partei und den Gewerkschaftsapparaten profitiert hat, bildet er jetzt eine Regierung, die sich aus Vertretern eben dieser Banken und Konzerne zusammensetzt.

Außerhalb der USA gibt es noch bezeichnendere historische Parallelen. In den 1930ern konnte das Hitlerregime die deutsche Wirtschaft durch ein nationalistisches Wirtschaftsprogramm und massive Ausgaben für Infrastruktur und Aufrüstung beleben. Doch die tieferen Widersprüche des deutschen Kapitalismus wurden dadurch nicht überwunden. Hitlers Programm mündete in eine Wirtschaftskrise und am Ende in Krieg.

Die Trump-Regierung ist keine Wiederholung des Naziregimes, weist aber wirtschaftliche und politische Ähnlichkeiten dazu auf. Abgesehen von der Förderung einer nationalistischen Wirtschaftsstrategie, ausgedrückt in der Parole „America First“, besteht eine der auffälligsten Parallelen darin, dass das politische Establishment in den USA seine Haltung genauso prompt geändert hat wie einst in Deutschland.

In beiden Fällen hat es den Anwärter auf die Macht zunächst als „regierungsunfähig“ bezeichnet, nur um sich sofort nach der Wahl um den neuen Führer zu scharen und ihm seine Unterstützung zuzusichern – weil er die Interessen der Wirtschaftseliten verteidigt, die sie alle teilen.

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