Premierministerin May kündigt harten Brexit an und droht mit Handelskrieg

In einer Rede vor herrschaftlicher Kulisse im Lancaster House drohte Theresa May der Europäischen Union am Dienstag geradezu einen Wirtschaftskrieg an, sollte sie Großbritannien nach seinem Austritt nicht weiterhin unbeschränkten Zugang zu den europäischen Märkten gewähren.

Mays aggressives Auftreten hängt mit ihrem Bemühungen um ein wirtschaftliches und politisches Bündnis mit der künftigen Trump-Regierung zusammen. Für ihr herausforderndes Gebaren, noch bevor überhaupt nach Artikel 50 des EU-Vertrags das Austrittsverfahren in die Wege geleitet wurde, kann es keinen anderen Grund geben als ihr Bestreben, sich Washington als willfähriges Werkzeug gegen die EU anzudienen.

Mays Rede macht deutlich, wie sehr sich die Beziehungen zwischen den imperialistischen Mächten sowohl innerhalb Europas als auch zwischen Europa und Amerika verschlechtert haben. Nur einen Tag zuvor hatte Trump in einem gemeinsamen Interview mit Rupert Murdochs Sunday Times und der Bild-Zeitung erklärt, der Brexit werde sich als großartige Sache erweisen und die EU sei im Grunde genommen ein Mittel zum Zweck für Deutschland.“

Ebenfalls am Dienstag erklärte der britische Finanzminister Philip Hammond auf dem Wirtschaftsgipfel der Tageszeitung Die Welt, wenn Großbritanniens Forderungen nicht erfüllt würden, „könnten wir gezwungen sein, unser Wirtschaftsmodell zu ändern, und wir werden unser Modell ändern müssen, um Wettbewerbsfähigkeit zurückzugewinnen. Und Sie können sicher sein, dass wir tun werden, was immer wir tun müssen.“

Im Daily Telegraph hieß es in einem Leitartikel vom selben Tag, Großbritannien könne „auf sich selbst gestellt Erfolg haben“, wenn es mit Hammonds Ankündigungen ernst mache, die Körperschaftssteuer nach dem Vorbild Trumps drastisch zu senken und Auflagen der EU abzuschaffen, um Großbritannien für internationale Investoren attraktiver zu machen.

Laut der Zeitung Spectator hat Außenminister Boris Johnson mit dem „Trump-Team“ die Grundlagen für ein amerikanisch-britisches Handelsabkommen ausgearbeitet, das noch vor dem EU-Austritt Großbritanniens aufgesetzt werden soll.

Im Bewusstsein dieses Rückenwinds erging sich May zu Beginn ihrer Rede in Allgemeinplätzen. Sie betonte Großbritanniens Wunsch nach freundschaftlichen und beiderseits ersprießlichen Handelsbeziehungen mit seinem „besten Freund und Nachbarn“. Zwar werde vielfach befürchtet, der Brexit werde „den weiteren Zerfall der EU einläuten“, doch „das wäre nicht im Interesse Großbritanniens“.

Dennoch verlasse Großbritannien die EU, den Binnenmarkt und die Zollunion, um Freihandelsabkommen mit anderen Staaten abzuschließen, beispielsweise mit wichtigen Märkten wie China. Man könne nicht länger im Binnenmarkt bleiben, wie es einflussreiche Teile der britischen Wirtschaft fordern, weil dann auch die Freizügigkeit für Arbeitnehmer innerhalb der EU akzeptiert werden müsse.

Als Nächstes legte May forsch dar, welche Forderungen Großbritannien im Einzelnen zu stellen beabsichtigt. Sie sprach in diesem Zusammenhang von einem Freihandelsabkommen mit der EU, das Handelsabkommen mit anderen Ländern nicht im Wege stehen dürfe. Bezug nehmend auf eine Äußerung von US-Präsident Obama, der im Vorfeld des Brexit vor einer Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Beziehungen Großbritanniens gewarnt hatte, erklärte sie stolz: „Der designierte Präsident Trump hat erklärt, Großbritannien stehe nicht ,am Ende der Schlange‘ für ein Handelsabkommen mit den USA, der größten Volkswirtschaft der Welt, sondern ganz vorn.“

Großbritannien werde zwar kein Mitglied der europäischen Zollunion mehr sein, wolle aber weiterhin zollfreien Handel mit Europa treiben.

Um ihre Forderungen zu unterstreichen, hob May die militärische und sicherheitspolitische Rolle Großbritanniens in Europa hervor: „Großbritannien und Frankreich sind die beiden einzigen Atommächte Europas. Wir sind die beiden einzigen Länder mit ständigen Sitzen im UN-Sicherheitsrat und haben Soldaten in europäischen Ländern stationiert, u. a. in Estland, Polen und Rumänien.“

Darauf folgten Drohungen mit wirtschaftlicher Vergeltung. „Einige fordern Maßnahmen, die Großbritannien bestrafen und andere Länder davon abhalten sollen, seinem Beispiel zu folgen“, stellte May fest und warnte, damit würden sich die europäischen Staaten „selbst schwer schaden“.

Wenn ihr Land vom europäischen Binnenmarkt ausgeschlossen werde, stehe es der britischen Regierung frei, „die Grundlagen des britischen Wirtschaftsmodells zu ändern“. Sie könne „wettbewerbsfähige Steuersätze“ festlegen und „eine Politik betreiben, mit der die besten Unternehmen und die größten Investoren der Welt nach Großbritannien gelockt würden“.

Für die EU würden dann „neue Barrieren beim Handel mit einer der größten Volkswirtschaften“ entstehen. Europäische Investitionen in Höhe von einer halben Billion Pfund wären bedroht. Hinzu käme die Gefährdung von Exporten aus der EU nach Großbritannien im Wert von 290 Milliarden Pfund sowie der mögliche „Verlust des Zugangs europäischer Firmen zu den Finanzdienstleistungen der City of London“.

In Wirklichkeit hängt das Wirtschaftsmodell, das May und Hammond für die Zeit nach dem Brexit vorschwebt, gar nicht davon ab, ob die EU Zugeständnisse macht oder nicht. Der eigentliche Plan der Regierung besteht darin, „Thatchers Revolution zu vollenden“, indem beispielsweise die Körperschaftssteuer bis 2020 auf 17 Prozent gesenkt wird. Dazu will sie in großem Stil deregulieren, Steuern senken, Privatisierungen durchführen und die Reste des Sozialstaats abschaffen. Diese Perspektive läuft auf einen eskalierenden Handelskrieg und eine noch deutlichere Hinwendung zum Militarismus hinaus.

Zwar könnte sich eine solche wirtschaftliche Offensive anfangs schwerpunktmäßig gegen Europa richten, so May, doch Großbritannien werde sich auf dieser Grundlage „für die Welt öffnen“. Das ist illusorisch. Denn China, das May als wichtigste Trophäe ihres „Ausbruchs aus Europa und Hinwendung zur Welt“ anführt, wird von Trump unnachgiebig bekämpft. Noch während Mays Rede beantwortete der chinesische Präsident Xi Jinping auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos Trumps Drohungen mit den Worten: „Aus einem weltweiten Handelskrieg wird niemand als Sieger hervorgehen.“

Auch Großbritannien selbst ist nicht vor nationalen Spannungen gefeit. Eines von Mays zwölf Versprechen lautet, sie wolle den Zusammenhalt des Landes stärken. In der Tat hat die Erste Ministerin Schottlands, Nicola Sturgeon von der Scottish National Party, bereits mehrfach mit einem zweiten Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands gedroht und sich dabei auf die Gefährdung der schottischen Wirtschaftsinteressen durch den Brexit berufen.

Direkt nach Mays Rede verabschiedete das schottische Parlament einen Antrag der SNP, in dem es hieß: „Falls sich die britische Regierung für einen Austritt aus dem Binnenmarkt entscheidet, sollte Schottland nach Alternativen suchen, die es ihm ermöglichen, seinen Platz auf dem Binnenmarkt zu behalten, und das schottische Parlament mit den dazu notwendigen Vollmachten ausstatten.“

Auch in Bezug auf die bevorstehende Parlamentswahl in Nordirland sah sich May gezwungen, an den „Geist der Einheit“zu appellieren. In Nordirland wird die proeuropäische Sinn Fein gegen die Democratic Unionist Party antreten, die den Brexit befürwortet. Um Ängste vor einer „harten Grenze“ zwischen Nord- und Südirland zu beschwichtigen, fühlte sich May zu dem Versprechen veranlasst, das „einheitliche Reisegebiet“ mit der Republik Irland zu wahren.

Mays Rede war vor allem eine Kriegserklärung an die Arbeiterklasse. Denn für Hammonds Versprechen, „dass wir tun werden, was immer wir tun müssen“, um das Land wieder wettbewerbsfähig zu machen, wird die Arbeiterklasse bezahlen müssen.

Die Premierministerin würzte ihre Rede mit Sprüchen über ein „gerechteres Großbritanniens für alle, die in diesem Land leben und arbeiten“. Allerdings verband sie dies mit dem Versprechen, die „Zuwanderung zu kontrollieren“. Den Zuwanderern gab sie die Schuld an allen sozialen Problemen der Arbeiterklasse, die ihre Regierung und deren Vorgänger geschaffen haben.

Die wirkliche Haltung der Tories zur arbeitenden Bevölkerung zeigt sich darin, dass diese Woche 50 Parlamentsabgeordnete gefordert haben, Streiks zu verbieten, wenn sie wesentliche Dienstleistungen beeinträchtigen und nicht „vernünftig und verhältnismäßig“ sind. Die Regierung hat nur deshalb noch nicht zu solchen Maßnahmen gegriffen, weil sie sich darauf verlassen kann, dass die Gewerkschaftsbürokratie die Arbeiter bevormundet und verrät. Beispielhaft hierfür war die Entscheidung der Lokführergewerkschaft Aslef vom gleichen Tag, einen geplanten dreitägigen Streik gegen Southern Rail auszusetzen.

May versprach einen „reibungslosen, geordneten Brexit“, warnte aber gleichzeitig die Medien und die Oppositionsparteien, sie würden „nicht im nationalen Interesse handeln“,wenn sie nach den „Details unserer Verhandlungsstrategie“ fragten.

Der Oberste Gerichtshof wird diesen Monat vermutlich entscheiden, dass die Anwendung von Artikel 50 des EU-Vertrags im Parlament debattiert werden muss. Vor diesem Hintergrund versprach May eine Abstimmung im Parlament über den Austrittsantrag und über das Austrittsabkommen selbst, das bis 2019 abschließend verhandelt werden soll. Gleichzeitig ermahnte sie ihre Gegner, die Umsetzung des Ergebnisses des Referendums nicht zu blockieren. Daraufhin erklärte der Labour-Vorsitzende Jeremy Corbyn auf Sky News: „Wir haben die ganze Zeit über gesagt, wir werden uns einem Antrag nach Artikel 50 nicht widersetzen.“

Ansonsten äußerte Corbyn hauptsächlich Bedenken über den Zugang zu europäischen Märkten und betonte, es bestehe Bedarf an einer „Regulierung des Arbeitsmarktes“. Diese Forderung erheben Corbyns Hintermänner aus den Gewerkschaften ausschließlich unter dem Aspekt, die Auswirkungen der Zuwanderung auf das Lohnniveau abzuwehren.

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