Deutsche Reaktionen auf Trump: Gegendrohungen und Aufrüstung

Der Amtsantritt von Donald Trump hat in Berlin zu heftigen Reaktionen geführt. Deutschen Politikern, Wirtschaftsvertretern und Medien wird zunehmend bewusst, dass der neue US-Präsident Europa und vor allem Deutschland als wirtschaftliche und politische Rivalen betrachtet. Sie reagieren, indem sie aggressive eigene wirtschaftliche und weltpolitische Ansprüche formulieren, die von einer eigenständigeren europäischen Außenpolitik bis hin zu alternativen Wirtschafts- und Militärbündnissen mit Russland oder China reichen.

Bereits Trumps Interview mit der Bild-Zeitung Anfang letzter Woche hatte in den herrschenden Kreisen Berlins einen Schock ausgelöst. Trump hatte darin u.a. das Auseinanderbrechen der von Deutschland dominierten Europäischen Union begrüßt, die Nato für „obsolet“ erklärt und der deutschen Autoindustrie mit Importzöllen von 35 Prozent gedroht, falls sie neue Produktionswerke in Mexiko baue. Nun hat Trumps Antrittsrede die letzte Hoffnung zerstört, er würde nach seiner Amtsübernahme „präsidialer“ oder „kompromissbereiter“ werden.

Diese Rede wurde weitgehend als „Drohung“ verstanden. „Waren bisherige Amtseinführungen stets geprägt von versöhnlichen Tönen, dann war diese das genaue Gegenteil: eine Kampfansage an alle Gegner, eine radikale Abkehr von sämtlichen bisherigen Gewissheiten, eine Zurschaustellung der eigenen, unaufhaltbaren Stärke, ohne Rücksicht auf den Rest der Welt, ohne Blick in die Geschichte, nur stets voran. Dieser Präsident wird keine Kompromisse machen“, kommentierte Spiegel Online.

„Wir werden uns warm anziehen müssen“, erklärte der deutsche Wirtschaftsminister und SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel. Es gebe aber keinen Grund für Deutsche oder Europäer, „Angst zu haben oder unterwürfig“ zu sein. Vielmehr müsse man nach Trumps „hochnationalistischen Tönen“ „beinhart“ die eigenen Interessen definieren und vertreten. Deutschland sei „ein starkes Land“ und Europa „ein starker Kontinent, der zusammenhalten muss“. Wenn die Vereinigten Staaten „mit China und übrigens ganz Asien einen Handelskrieg beginnen, dann sind wir ein fairer Partner“, fügte er hinzu. Deutschland und Europa bräuchten eine neue Strategie in Richtung China und Asien. Es gebe neue Chancen, auch wenn China kein leichter Partner sei.

Vertreter der Linkspartei, die nach der Bundestagswahl im September eine rot-rot-grüne Regierung unter Gabriel anstrebt, argumentierten ähnlich. Im Deutschlandfunk kritisierte Linken-Außenpolitiker Stefan Liebich, dass Trump „ohne Not einen Streit mit der Volksrepublik China vom Zaun gebrochen“ habe. Die Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht forderte die Bundesregierung im Neuen Deutschland auf, „sich aus der Unterordnung unter die US-Politik zu lösen“ und die Nato „durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Einschluss Russlands“ zu ersetzen.

Auch Vertreter der deutschen Eliten, die bislang vehement pro-amerikanisch waren und die Kriege der USA unterstützt haben, plädieren nun für eine eigenständigere deutsche und europäische Verteidigungspolitik. Das ist ein Gradmesser für die Schärfe der transatlantischen Spannungen.

Klaus-Dieter Frankenberger von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bezeichnete Trumps Rede als „eine Kampfansage ohne Vorbild“. Europa und Deutschland sollten „das als Weckruf verstehen“. Es werde „jetzt mehr denn je auch auf sie ankommen, auf ihre Leistungsfähigkeit und ihre Verantwortungsbereitschaft, damit der Westen den Stürmen der Gegenwart standhält“.

Josef Joffe, der enge Verbindungen zu den amerikanischen Neokonservativen unterhält und den Irakkrieg unterstützte, warnte in der Zeit, Trump könne „in vier Jahren fürchterlichen Schaden anrichten“. Aber die „verachtete EU“ sei „freilich nicht hilflos.“ Der „Wirtschaftsgigant“ müsse Trump nun „die Konsequenzen vorhalten: Wie du mir, so ich dir.“ Das erfordere „kaltes Blut und starke Nerven“. Denn „wer hätte gedacht, dass Europa den Part der USA übernehmen muss, um die liberale Weltordnung zu retten?“

Untere „liberaler Weltordnung“ versteht Joffe die globale Vorherrschaft der westlichen imperialistischen Mächte und deren Verteidigung mit militärischen Mitteln, wie im Irak, in Afghanistan, in Libyen und in Syrien. Nun, wo sich der US-Imperialismus anschickt, Deutschland und Europa im Kampf um Märkte, Rohstoffe, billige Arbeitskräfte und strategische Schlüsselpositionen ins Visier zu nehmen, stellt sich Joffe auf die Seite des deutschen Imperialismus. Nach zwei verlorenen Weltkriegen wittert dieser wieder Morgenluft.

In einem Kommentar in der Bild am Sonntag erklärte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier, mit der Wahl Trumps sei „die alte Welt des 20. Jahrhunderts endgültig vorüber“ und „die Nachkriegsordnung und auch das Vierteljahrhundert nach dem Fall der Mauer […] Geschichte“. Und weiter: „Welche Ordnungsvorstellungen sich im 21. Jahrhundert durchsetzen werden, wie die Welt von morgen aussehen wird, ist nicht ausgemacht, ist völlig offen.“

Bereits im Juni hatte Steinmeier in Foreign Affairs einen Artikel unter dem Titel „Deutschlands neue globale Rolle“ veröffentlicht, der Berlin nicht nur als „bedeutende europäische Macht“ bezeichnet, sondern auch den Führungsanspruch der USA in Frage stellt. Nun nutzt die Bundesregierung die Wahl von Trump, um den USA zunehmend selbstbewusst entgegenzutreten. Es gehe darum, der neuen US-Administration „unsere Haltung, unsere Werte und Interessen“ zu erläutern und „unsere Erwartungen an eine neu zu festigende Partnerschaft auf Augenhöhe zwischen Europa und den USA ganz deutlich zu machen“, betont Steinmeier.

Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) fordert von der Bundesregierung, auf Trumps „krude Vorstellungen klar, konstruktiv und gegebenenfalls hart“ zu antworten. „Dies mag nun der Moment sein, um auch in unserem Land aus der rührend gepflegten ,Kultur der Zurückhaltung‘ endlich eine ,Kultur der Verantwortung‘ erwachsen zu lassen“, so der frühere Verteidigungsminister in einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

„Wir sollten uns darauf einrichten, hierfür mehr zu leisten,“ schreibt Guttenberg weiter. „Es wäre fatal, wenn die deutsche Politik in einem Wahljahr lediglich die Militärskepsis unserer Bevölkerung bediente.“ Angesichts der geopolitischen Bedrohungen Europas, der Schwäche vieler Mitgliedstaaten und des gebremsten amerikanischen Engagements wachse Berlin, „ob es das will oder nicht, zwangsläufig eine Führungsrolle zu“.

Während Guttenberg die deutschen Aufrüstungspläne und Führungspläne als von außen „aufgezwungene“ Reaktion darstellt, entsprechen sie in Wirklichkeit der Politik, die Berlin seit längerem verfolgt. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 hatte Steinmeier im Namen der gesamten herrschende Klasse verkündet: „Deutschland muss bereit sein, sich außen- und sicherheitspolitisch früher, entschiedener und substanzieller einzubringen.“ Es sei schlicht „zu groß, um Weltpolitik nur von der Außenlinie zu kommentieren“.

Die Partei für Soziale Gleichheit hatte bereits damals in einer Resolution zur „Rückkehr des deutschen Imperialismus“ gewarnt, die Nachkriegsordnung habe „keines der Probleme [gelöst], die zum Krieg geführt hatten. Die Wirtschaftsmacht der USA ermöglichte eine vorübergehende Beruhigung der Lage und den Nachkriegsaufschwung. Der Kalte Krieg hielt nicht nur die Sowjetunion auf Distanz, sondern auch Deutschland unter Kontrolle. Doch mit der deutschen Wiedervereinigung und der Auflösung der Sowjetunion war die Zeit unwiderruflich vorbei, in der die deutsche Wirtschaft ihren internationalen Geschäften im Windschatten der USA nachgehen konnte und das deutsche Militär sich auf die Verteidigung des eigenen Territoriums beschränkte.“

Und weiter: „Die Wiederbelebung des Militarismus ist die Antwort der herrschenden Klasse auf die explosiven gesellschaftlichen Spannungen, auf die sich verschärfende ökonomische Krise und auf die wachsenden Konflikte zwischen den europäischen Mächten. Der Militarismus dient der Eroberung neuer Einflusssphären, Absatzmärkte und Rohstoffe, auf die die exportabhängige deutsche Wirtschaft dringend angewiesen ist. Er soll einer sozialen Explosion vorbeugen, indem er die sozialen Spannungen auf einen äußeren Feind ablenkt. Und er zielt auf die Militarisierung der ganzen Gesellschaft: den Ausbau des staatlichen Überwachungs- und Repressionsapparats, die Unterdrückung von sozialer und politischer Opposition und die Gleichschaltung der Medien.“

Nun findet diese Analyse ihre Bestätigung. Doch es gibt eine gesellschaftliche Kraft, die in der Lage ist die Rückkehr des deutschen Militarismus und die Gefahr eines erneuten Kriegs zwischen den Großmächten zu stoppen: die internationale Arbeiterklasse. Die weltweiten Massenproteste gegen Trump am Samstag waren die größten internationalen Demonstrationen seit den Antikriegsprotesten der Invasion des Irak im Jahr 2003. In dieser Situation ist der Kampf des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) für den Aufbau einer internationalen Antikriegsbewegung gegen Imperialismus und Kapitalismus von entscheidender Bedeutung.

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