Hessische Busfahrer: Was bringt die Schlichtung?

Zwei Wochen lang haben die hessischen Busfahrer gestreikt. Seit Montag läuft nun die Schlichtung.

Die Busfahrer führten den Streik mit großer Entschlossenheit, weil sie ihn als prinzipiellen Kampf gegen unerträgliche Lebensbedingungen auffassten. Sie öffneten der Öffentlichkeit die Augen über die miesen Bedingungen, unter denen Busfahrer in Hessen arbeiten: Stundenlöhne von zwölf Euro brutto bei harter, verantwortungsvoller Tätigkeit, effektive Dienstzeiten von bis zu vierzehn Stunden ohne Bezahlung der langen Wartezeiten bei gesplittetem Dienst, keine Zusatzleistungen, kaum Aufstiegsmöglichkeiten, usw. – das sind alles Bedingungen, die es den Fahrern unmöglich machen, ein normales Leben zu führen.

Schon am dritten Tag musste Verdi auch Straßen- und Busfahrer in Darmstadt, Gießen und Hanau zu Solidaritätsstreiks aufrufen, die sich ebenfalls in einer Tarifauseinandersetzung befinden. Auch die Verhandlungen über den Tarifvertrag Nahverkehr (TV-N) mit dem Arbeitgeberverband Nahverkehr sind ungelöst, auch hier befinden sich Arbeiter in einer vergleichbaren Situation wie die Busfahrer, und auch hier sind die Fahrer kampfbereit.

Ähnlich sieht es in den Kitas, Pflegeheimen, Krankenhäusern, bei der Müllabfuhr und am Flughafen aus: Überall herrschen unerträgliche Arbeitsbedingungen.

„Aus aktuellem Anlass“ schrieb eine Krankenschwester einen offenen Brief an Kanzlerin Merkel. Darin heißt es: „Patienten sind zu Wirtschaftsfaktoren geworden, sind Fallzahlen und Kostenfaktoren. Menschen sind sie keine mehr… Eine menschenwürdige Arbeit zu verrichten, [ist] nicht mehr möglich… Arbeitszeitgesetze werden aufgrund von fehlender Finanzierung der Personalstellen nicht eingehalten.“ Der Brief verbreitete sich in den sozialen Medien in rasendem Tempo, weil tausende Beschäftigte im öffentlichen Dienst unter ähnlichen Bedingungen arbeiten und der Meinung sind, die Zeit für eine grundsätzliche Veränderung sei reif.

Ganz anders die Gewerkschaftsführung.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hatte im Busfahrerstreik von Anfang an sehr bescheidene Forderungen erhoben: die Anhebung des Stundenlohns auf 13,50 Euro, Verkürzung – aber nicht Abschaffung – der unbezahlten Wartezeiten beim gesplitteten Dienst, sowie einen Urlaubstag mehr. Sie achtete sorgfältig darauf, ihren Verhandlungspartner, den Landesverband Hessischer Omnibusunternehmer (LHO), nicht vor den Kopf zu stoßen und die Wettbewerbsfähigkeit nicht zu gefährden.

Wie es im hessischen Nahverkehrs-Tarifvertrag von 2014 im ersten Satz der Präambel heißt: „Dieser Tarifvertrag dient der Schaffung und Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der öffentlichen Nahverkehrsunternehmen.“

Der LHO wies jedoch selbst die bescheidenen Verdi-Forderungen zurück. Arrogant erklärte LHO-Geschäftsführer Volker Tuchan der Gießener Allgemeinen, sie seien „nicht zu erfüllen“ und „nicht umsetzbar“.

Rechtsanwalt Tuchan selbst wäre nie im Leben in der Lage, einen vollbesetzten Gelenkbus konfliktfrei durch die Innenstadt zu fahren, geschweige denn würde er es für einen Stundenlohn von dreizehn Euro brutto tun. Aber er verkündet – und die Medien wiederholen es andächtig –, dass eine Verbesserung der Lage der Busfahrer objektiv rein unmöglich sei.

Sieben Monate lang, seit April 2016, verhandelte Verdi und duldete den tariflosen Zustand. Anfang Januar nun rief die Gewerkschaft zu einem zweitägigen Streik auf – nicht um einen ernsthaften Arbeitskampf zu führen, sondern um ein Ventil für die aufgestaute Wut der Busfahrer zu schaffen und „Dampf abzulassen“.

Die World Socialist Web Site warnte, das Hauptproblem, mit dem die Busfahrer konfrontiert seien, „sind die Gewerkschaft Verdi und die Parteien, mit denen sie eng verbunden ist – die SPD, die Linke und die Grünen. Die Verwandlung des öffentlichen Diensts in einen Niedriglohnsektor wäre ohne ihre tatkräftige Unterstützung nicht möglich gewesen. Und jetzt sehen sie ihre Aufgabe darin, jeden Widerstand dagegen aufzufangen, zu isolieren und abzuwürgen. … Der Streik ist zur Niederlage verurteilt, wenn er unter der Kontrolle von Verdi bleibt.“

Dies hat sich am Montag bewahrheitet. Nach zwei Wochen Streik, als der Arbeitskampf breite Unterstützung fand, griff Verdi hastig zur Schlichtung und würgte ihn ab. Wie Verdi-Verhandlungsführer Jochen Koppel (gleichzeitig im Aufsichtsrat der Frankfurter Verkehrsgesellschaft VGF) schreibt: „So wurde uns klar, dass nur noch der Weg der Schlichtung bleibt.“

Die Schlichtung hat vor allem eine Funktion: den Arbeitskampf abzubrechen und seine Ausdehnung zu verhindern. Mit der Schlichtung ist die Friedenspflicht verbunden. Drohend heißt es in der Verdi-Mitteilung: „Streiks sind während der Dauer der Schlichtung ausgeschlossen.“

Keiner der beiden Schlichter hat im Alltag auch nur entfernt mit der anstrengenden Tätigkeit des Busfahrens zu tun. Dagegen gehören beide einer Schicht von Berufspolitikern, Gewerkschafts- und Verbandsfunktionären an, die seit Jahren den Umbau des öffentlichen Dienstes betreiben und seine Deregulierung und Privatisierung aktiv mitgestaltet haben. Sie sind mit dafür verantwortlich, dass er in einen riesigen Niedriglohnsektor verwandelt und der Finanzwelt als Kapitalanlage und Profitquelle angedient wurde.

Schlichter der Gewerkschaft ist der 62-jährige Rudolf Hausmann (SPD) aus Baden-Württemberg. Seinen Beruf als Diplom-Pädagoge übte er nur zehn Jahre lang aus. Seit dreißig Jahren war er ÖTV-Funktionär, SPD-Parteiführer, Kommunal- und Landtags-Abgeordneter und zuletzt Verkehrsexperte bei Verdi in Baden-Württemberg.

Der zweite Schlichter, vom Landesverband Hessischer Omnibusfahrer (LHO) ernannt, ist Volker Sparmann, der Gründer und langjährige Geschäftsführer des Rhein-Main-Verkehrsverbunds GmbH (RMV). Sparmann ist heute als Mobilitätsbeauftragter der hessischen Landesregierung ein enger Mitarbeiter des grünen Verkehrsministers Tarek Al-Wazir. Er sitzt auch im Aufsichtsrat der Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG).

Frühestens in zwei Wochen, am 5. Februar, wird ein Schlichterspruch vorliegen. Die Busfahrer haben von ihm aber nichts Gutes zu erwarten. Am wahrscheinlichsten ist ein ganz fauler Kompromiss auf der Grundlage des letzten LHO-Angebots, das einen Stundenlohn von dreizehn Euro ab 2019 vorsah. Die Schlichter werden sich hüten, darüber wesentlich hinauszugehen, denn dadurch könnten ja andere Arbeiter zum Arbeitskampf ermutigt werden.

In einer Werbebroschüre der Frankfurter Nahverkehrsgesellschaft traffiQ wird beschrieben, wie die Busbetriebe seit Ende der 1990er Jahre umgekrempelt wurden. Wie es dort heißt, entschloss man sich im Jahr 2001, „eine lokale Aufgabenträgerorganisation aus der VGF auszugliedern und den Busverkehr in fünf ‚mittelstandsfreundlichen‘ Bündeln auszuschreiben. Die Umstellung gelang reibungslos. Seit 2004 ging Jahr für Jahr … ein Bündel in den Wettbewerb. Trotz anspruchsvoller Qualitätsanforderungen gab es eine etwa 25-prozentige Kostensenkung gegenüber dem ohnehin schon reduzierten Marktvergleichspreis bei den auferlegten Verkehren. Ein Erfolg auf der ganzen Linie sozusagen.“

Ein „Erfolg“, den die Busfahrer bis heute mit ihrer Gesundheit und der Lebensqualität ihrer Familien bezahlen.

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