Perspektive

Die Bedeutung des Wahlerfolgs der IYSSE an der Humboldt-Universität

Die politische Bedeutung des Wahlerfolgs der Hochschulgruppe der IYSSE an der Humboldt-Universität Berlin reicht weit über die Mauern der Universität hinaus. Die International Youth and Students for Social Equality erhielten bei der Wahl zum Studierendenparlament in der letzten Woche 7,05 Prozent der Stimmen und erreichten damit ihr bisher bestes Ergebnis. Sie sind die Jugendorganisation des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI), dessen deutsche Sektion die Partei für Soziale Gleichheit (PSG) ist.

Während die IYSSE ihre Stimmen um fast ein Drittel steigern konnten, verloren sämtliche anderen parteinahen Studierendengruppen. Die IYSSE erhielten mehr Stimmen als die Hochschulgruppe der konservativen Regierungspartei CDU (RCDS, 5,61 Prozent) und auch mehr als die Hochschulgruppen der Grünen (Grünboldt, 4,7 Prozent) und der Linkspartei (Linke.SDS, 4,5 Prozent), die beide Mitglieder der Berliner Landesregierung sind. Von den Studierendengruppen der Bundestagsparteien erreichte nur die Liste der Jusos (SPD, 8,0 Prozent) etwas mehr Stimmen als die der IYSSE.

Dieses Ergebnis ist auch deshalb bemerkenswert, weil die Bundestagsparteien über erhebliche finanzielle Mittel und entsprechende Bekanntheit verfügen. An der Humboldt-Universität bezahlen die parteinahen Stiftungen jedes Jahr hunderten Studierenden und Doktoranden hohe Stipendien und binden sie direkt in ihre politische Arbeit ein.

Der Wahlerfolg hat daher objektive Bedeutung und beinhaltet wichtige Lehren. Er zeigt, dass sich große Teile der Jugend und der Arbeiterklasse von den etablierten Parteien abwenden und nach links tendieren. Das gilt nicht nur für die HU und andere Universitäten, sondern für die Gesellschaft als ganze. Sie geraten in Konflikt mit dem politischen Establishment, das auf die wachsende soziale Ungleichheit und die zunehmenden internationalen Spannungen mit Militarismus, Staatsaufrüstung und Sozialabbau reagiert.

Unter diesen Umständen gewinnt der subjektive Faktor entscheidende Bedeutung. Das Ergebnis an der Humboldt-Universität zeigt, wie das aktive Eingreifen einer marxistischen Partei, bzw. ihrer Jugendorganisation ins politische Geschehen das Kräfteverhältnis ändern kann. Denn die IYSSE erhielten die Stimmen nicht zufällig, sondern weil sie offen für ein revolutionäres Programm eintraten und systematisch historische und politische Fragen klärten.

In den Wochen vor den Wahlen verteilten sie tausende Wahlaufrufe, die zum Aufbau einer internationalen Bewegung gegen Krieg aufriefen, die sich auf die Arbeiterklasse stützt und ein antikapitalistisches, sozialistisches Programm vertritt. Sie organisierten zahlreiche Veranstaltungen, auf denen die Wahl Trumps, die Rückkehr des deutschen Militarismus und die Rolle der Humboldt-Universität diskutiert wurden und zu denen hunderte Studierende und junge Arbeiter kamen.

Die Hochschulgruppe stellte dabei von Anfang die Perspektive des internationalen Sozialismus in den Mittelpunkt und lud in den letzten Monaten mehrere Vertreter des Internationalen Komitees als Referenten an die Humboldt-Universität ein. Am 16. Dezember begannen sie ihren Wahlkampf mit einem Vortrag des Chefredakteurs der World Socialist Web Site und Vorsitzenden der amerikanischen Socialist Equality Party (SEP), David North, zum Thema „Wohin geht Amerika? Ursachen und Folgen der Wahl Trumps“, zu dem mehr als 250 Zuhörer kamen.

North legte dar, dass Trump nicht wie ein Monster in den Garten Eden der amerikanischen Politik gekommen sei, sondern dass sein Sieg Ausdruck des Niedergangs des amerikanischen und internationalen Kapitalismus sei. Deshalb müsse sich eine Bewegung gegen Krieg und die Rechtsentwicklung des Establishments auf ein sozialistisches Programm stützen und brauche eine internationalistische Strategie. „Die Zeit ist gekommen“, schloss North seinen Vortrag, „sich wieder dem klassischen Marxismus zuzuwenden. Marx, Luxemburg, Trotzki und Lenin sind heute aktueller denn je.“

Die große Resonanz der Veranstaltungen war ein Ergebnis der politischen Perspektive, die die IYSSE vertreten, und der systematischen Arbeit, die sie an der Humboldt-Universität während der letzten drei Jahre entwickelt haben.

Die Humboldt-Universität spielt bei der ideologischen Vorbereitung von Krieg und Diktatur eine wichtige Rolle. Sie soll als eine Art Pilotprojekt in eine rechte Denkfabrik umgewandelt werden. Schon 2013 war sie an der Ausarbeitung des SWP-Papiers „Neue Macht, neue Verantwortung“ beteiligt, das als Blaupause für die Rückkehr des deutschen Militarismus diente. Die IYSSE zeigten diese Entwicklungen auf und traten der rechten Ideologie entgegen.

Insbesondere wandten sich die IYSSE gegen Versuche, die Geschichte zu fälschen, um Kriege zu rechtfertigen und den Widerstand dagegen zu diskreditieren. Der Professor für osteuropäische Geschichte an der HU, Jörg Baberowski, hat sich darauf spezialisiert, die Oktoberrevolution und den Kampf der linken Opposition gegen den Stalinismus zu fälschen und in Verruf zu bringen. Er verbindet seine Angriffe auf die Revolution mit der Relativierung und Verharmlosung der Nazi-Verbrechen. „Hitler war nicht grausam“, hatte er im Februar 2014 dem Spiegel gesagt.

Der Politikwissenschaftler Professor Herfried Münkler hat die Aufgabe übernommen, die deutsche Schuld am Ersten Weltkrieg zu relativieren und bringt dies unmittelbar mit einer aggressiven Außenpolitik zusammen: „Es lässt sich kaum eine verantwortliche Politik in Europa betreiben, wenn man die Vorstellung hat: Wir sind an allem schuld gewesen“, erklärte er im Januar 2014. Wiederholt forderte er, dass Deutschland „Hegemon“ und „Zuchtmeister“ Europas werden und massiv aufrüsten müsse. Insbesondere sprach er sich für die Anschaffung von Kampfdrohnen aus.

Indem die IYSSE den ideologischen Rechtfertigungen von Krieg und sozialer Ungleichheit entgegentraten, die an der HU entwickelt werden, und die historische Wahrheit gegen Fälschungen verteidigten, legten sie Grundlage für eine unabhängige Bewegung gegen Krieg und Kapitalismus.

Deshalb geriet die Hochschulgruppe mit dieser Arbeit ins Zentrum der politischen Auseinandersetzung. Alle großen Zeitungen, von der FAZ über die Süddeutsche bis zum Spiegel schrieben über die Arbeit der IYSSE an der Humboldt-Universität und denunzierten sie. Die Universitätsleitung, die Leitung des Geschichtsinstituts und einzelne Professoren griffen die IYSSE an und forderten Zensur.

Auf der anderen Seite erhielten die IYSSE wachsende Unterstützung unter Arbeitern und Studierenden. Vor zwei Jahren gewannen sie erstmals einen Sitz im Studierendenparlament der HU. Im letzten Jahr konnten sie ihr Ergebnis auf 149 Stimmen erhöhen und in diesem Jahr auf 192 Stimmen oder sieben Prozent steigern. Da Ergebnis ist eine klare Bestätigung der Arbeit der IYSSE und zeigt die breite Unterstützung in der Studierendenschaft.

„Die Geschichte ist zum Schlachtfeld geworden“, schreibt David North in Vorwort zu seinem Buch „Die Russische Revolution und das unvollendete 20. Jahrhundert“. „Die ständig zunehmenden Konflikte und Krisen des 21. Jahrhunderts sind ausnahmslos mit Auseinandersetzungen über die Geschichte des 20. Jahrhunderts verwoben. Je stärker aktuelle politische Kämpfe an historische Fragen rühren, desto offener wird der Umgang mit ihnen durch politische Erwägungen bestimmt.“

Dies gilt in besonderem Maße für das 100. Jubiläum der Oktoberrevolution. Die Auseinandersetzung an der Humboldt-Universität gehört zweifelsfrei zu den angesprochenen Schlachten. Es kommt jetzt darauf an, diese Fragen in die Arbeiterklasse zu tragen und diese mit den Lehren aus der Geschichte zu bewaffnen.

Loading