„Linker Populismus“: Pseudolinke in Argentinien greifen den Sozialismus an

Die pseudolinke Website La Izquierda Diario ruft dazu auf, rechten Kräften, die in jüngster Zeit durch populistische Demagogie an die Regierung gekommen sind, mit einem „linken Populismus“ entgegenzutreten. Dazu zählt sie unter anderem die neue US-Regierung von Donald Trump. La Izquierda Diario wird von der „Trotzkistischen Fraktion der Vierten Internationale“ (FT-CI) herausgegeben, deren führende Sektion die Sozialistische Arbeiterpartei (PTS) in Argentinien ist.

Diese populistische Strategie ist antisozialistisch und hat für die Arbeiterklasse in Lateinamerika und andernorts verheerende Konsequenzen. Die FT-CI fordert einen „radikaleren Populismus“ als den der pseudolinken Parteien Podemos und Syriza in Europa. Der Verrat von Syriza, die die EU-Spardiktate durchgesetzt und verhindert hat, dass die Arbeiterklasse ihre politische Unabhängigkeit gewinnt, hat entscheidend zur Desorientierung und Demoralisierung von Arbeitern und zum Erstarken der politischen Rechten beigetragen.

Am 2. Dezember 2016 erschien ein Artikel der spanischen Sektion der FT-CI, der auf deutsch am 23. Januar unter dem Titel „Die Arbeiter*innenklasse, die Linke und der Rechtspopulismus“ veröffentlicht wurde. Darin wird gleich zu Beginn ein Kommentator des Guardian, Owen Jones, wohlwollend erwähnt. Dieser vertritt die Auffassung, Universitätsstudenten und die „linken” Mittelschichten bräuchten ihre eigene Form des Populismus – letztlich, um ihre eigenen materiellen Interessen zu verteidigen, indem sie die Unterstützung von Teilen der Arbeiterklasse ausnützen. Die FT-CI schließt sich Jones‘ Ansatz an und fordert mit Blick auf Podemos einen Populismus, der „radikale Maßnahmen“ befürwortet.

Über die Wähler von Trump schreibt Owen: „Da gibt es sicher auch einige Rassisten und unverbesserliche Frauenhasser, doch andere könnte man abwerben, wenn man es ihnen nur schmackhaft genug macht“. In diesem Sinn empört sich die FT-CI über „die privilegierten Sektoren der Arbeiter*innenklasse“, die Trump ihre Stimme gegeben haben und, so die FT-CI, für die Angriffe auf Minderheiten verantwortlich sind.

Im Artikel der FT-CI heißt es: „Zu Beginn müssen wir feststellen, dass die Arbeiter*innenklasse nicht nur aus heterosexuellen weißen Männern, zwischen 45 und 60 Jahren, besteht – Von denen wählte die Mehrheit Donald Trump. Aber eben auch ein großer Teil der Mittelschicht. Die Arbeiter*innenklasse in den USA beinhaltet eben auch prekarisierte Jugendliche, Frauen, Latinos, Araber*innen, Afro-Amerikaner*innen, LGBTI* etc.“

Diese demoralisierte kleinbürgerliche Sichtweise weist die objektiv revolutionäre Rolle der Arbeiterklasse in der kapitalistischen Gesellschaft zurück und reduziert Arbeiter auf eine heterogene soziale Schicht, deren Anschauungen von ethnischen, geschlechtsspezifischen und sexuellen Identitäten bestimmt ist.

Der Populismus der argentinischen Pseudolinken gibt vor, den Status quo „verändern“ statt „verwalten“ zu wollen, wie sich die zwei wichtigsten argentinischen Theoretiker der FT-CI, Emilio Albamonte und Matías Maiello, ausdrücken. Zu diesem Zweck verbinden sie eine radikale Ausdrucksweise mit Identitätspolitik.

Die FT-CI ging in den frühen 1990er Jahren aus einer Abspaltung von der International Worker’s League (LIT-CI) hervor. Letztere war von dem Argentinier Nahuel Moreno gegründet worden, der 1963 dem Internationalen Komitee den Rücken kehrte und sich dem pablistischen Vereinigten Sekretariat anschloss. In späteren Dokumenten über ihre Spaltung von Moreno erklärt die FT-CI, dass sie mit seiner Politik vor den 1980ern, zu der seine nationalistische und opportunistische Anpassung an den Peronismus und Castroismus gehörten, nach wie vor einverstanden ist.

Die FT-CI versucht, in die Fußstapfen von Syriza und Podemos zu treten. Syriza bildet in Griechenland die Regierung, Podemos verfügt über 71 Sitze im spanischen Parlament und stellt sieben Bürgermeister im Land. Die FT-CI versucht zu vertuschen, welche Klasseninteressen Syriza und Podemos vertreten, und dass sie auch nur den Anschein eines sozialistischen Programms aufgegeben haben.

Der Artikel vom 23. Januar gratuliert den verschiedenen Gruppen um Podemos und Izquierda Unida (Vereinigte Linke), sie hätten „angefangen zu betonen, wie wichtig es ist die Kämpfe der Arbeiter*innen zu stärken und ihre Forderungen zu übernehmen.“ Ein weiterer Artikel vom 1. Dezember auf der Website der spanischen Sektion der FT-CI, Clase contra Clase (Klasse gegen Klasse), lobt den Podemos-Führer Pablo Iglesias als eine Hauptkraft hinter diesem vermeintlichen Linksschwenk. Iglesias selbst drückte es so aus, dass die wichtigsten Slogans dafür waren, „Zurück auf die Straße“ und „Podemos als das Volk erscheinen lassen“.

Albamonte erklärte in einem Interview, das am 28. Dezember erschien, dass die Reaktion der FT-CI auf die „Polarisierung zwischen rechts und links innerhalb der herrschenden Klasse“ nach der Krise von 2008 darin bestand, „eine Partei von Volkstribunen“ zu entwickeln. Er bezog sich damit auf eine Formulierung Lenins in Was tun?

Laut Albamonte meint Lenin mit Tribunen, dass „Arbeiter nicht nur korporatistische und gewerkschaftliche Vorstellungen haben, sondern sich auch anderen Teilen der Ausgebeuteten und Unterdrückten zuwenden und ‚Hegemonie‘ ausüben, wie Gramsci es nannte“. Albamonte definiert das als „Sprechen zu Frauen, zu Jugendlichen, zu Arbeitern, die nicht unter Tarifverträge fallen, zu den Schwächsten, den neu Eingestellten, und sie im Kampf zu führen.“

Wie die FT-CI Lenins Worte benutzt, um eine über den Klassen stehende, antisozialistische Bewegung zu rechtfertigen, ist absurd. Lenin führte einen jahrzehntelangen Kampf gegen den Populismus in Schriften wie Was sind die ‚Volksfreunde‘ und wie kämpfen sie gegen die Sozialdemokraten?, und er entlarvte schonungslos die Rolle des Populismus, die Entwicklung von sozialistischem Bewusstsein in der Arbeiterklasse zu verhindern.

Albamontes „Partei der Tribune” geht es wie der „Partei der 99 Prozent“ darum, die Interessen der Masse der Arbeiter in Lateinamerika einer Umverteilung des Reichtums des reichsten Prozents der Gesellschaft zugunsten der wohlhabenderen Teile der Mittelklasse unterzuordnen.

Die FT-CI und auch Podemos zitieren die Schriften des verstorbenen argentinischen Postmodernisten und „Postmarxisten“ Ernesto Laclau und seiner intellektuellen Gefährtin und Lebenspartnerin Chantal Mouffe. Íñigo Errejón, die Nummer zwei bei Podemos, erklärte 2014 in einem Nachruf auf Laclau, dass dessen „neo-gramscianische Denkschule“ der „absoluten Notwendigkeit gerecht werden will, Bilder zu erschaffen, die Menschen vereinen und mobilisieren können. Diese Kraft ist die Hegemonie […] das Zusammenbringen fragmentierter Gruppen und vernachlässigter Forderungen, die zu einem politischen ‚Wir‘ werden, das zur Macht drängt.“

Laclau, der die Existenz der Arbeiterklasse und der objektiven sozioökonomischen Basis für den Sozialismus leugnet, stellt einem klassenlosen „Wir“ ein „Sie“ entgegen, das für alle Probleme verantwortlich gemacht wird. In einem Interview mit dem Magazin Nation im Dezember sagte Mouffe: „Die Aufgabe der Linken ist es, ‚ein Volk‘ zu konstruieren“, für das die Forderungen von Arbeitern mit denen von „Feministen, Bürgerrechts- und anderen Bewegungen [...] gleichwertig“ sind.

Das „Wir“ und das „Sie“ kommen im Klassenstandpunkt und in der politischen Bilanz der FT-CI klar zum Ausdruck. Ihre Politik widerspiegelt, wie die von Podemos und Syriza, die Interessen von Schichten der oberen Mittelklasse, die ihr materielles Wohlergehen immer stärker an das der Finanz- und Wirtschaftselite gekoppelt haben.

Einer Studie der Interamerikanischen Entwicklungsbank von 2014 zufolge stieg der prozentuale Anteil der Haushalte mit einem höheren täglichen Einkommen als 50 US-Dollar in Argentinien stärker als in jedem anderen lateinamerikanischen Land: von 6,1 auf 28,3 Prozent zwischen 2000 und 2012. Heute verdienen die oberen 20 Prozent der Einkommensbezieher in Argentinien etwa die Hälfte des Gesamteinkommens.

Nach der Rezession in Argentinien von 1998 bis 2002 konnte die herrschende Klasse infolge eines raschen Wachstums des Bruttoinlandprodukts von jährlich 6,5 % – vor allem aufgrund steigender Rohstoffpreise – einen Teil ihres Einkommens umverteilen. Doch heute verdient die untere Hälfte der Einkommensbezieher immer noch weniger als das „minimale und unabdingbare Gehalt“ von etwa 500 Dollar im Monat. In Folge der Krise von 2008 wurden die oberen 20 Prozent noch reicher.

Die Aussicht auf eine Rezession in Argentinien und eine stagnierende Weltwirtschaft lässt diese Gruppen befürchten, dass wachsende soziale Unruhen als Reaktion auf die Politik des rechten Präsidenten Mauricio Macri die Anhäufung ihrer wirtschaftlichen Privilegien untergräbt.

Die demagogischen Parolen der Pseudolinken wie „Die Reichen sollen für die Krise bezahlen“, ihre Konzentration darauf, dass für die Koalition (Front der Linken und der ArbeiterInnen, FIT), die sie im argentinischen Nationalkongress anführen, mehr Abgeordnete gewählt werden, und ihre Appelle an die rechten Gewerkschaftsbürokratien und kleinbürgerlichen Bewegungen wie Ni Una Menos, einen Kampf gegen die Macri-Regierung zu führen, sind allesamt Ausdruck ihrer pro-kapitalistischen Politik und Klassenorientierung.

Errejón beschreibt das Podemos-Programm als die „Lateinamerikanisierung südeuropäischer Politik […] nicht um die lateinamerikanische Erfahrung zu kopieren, sondern zu adaptieren.“ Mit anderen Worten: Sie wollen Verrätereien ausführen im Stil von Juan Peron in Argentinien und Salvador Allende in Chile, deren Populismus die Arbeiter in Lateinamerika entwaffnete. Das gilt auch für andere linksnationalistische Bewegungen wie den Castroismus und Sandinismus, und die pablistischen Tendenzen, die sich an diese Kräfte anpassten. Das Ergebnis war die vollständige Unterordnung von Arbeitern, Bauern und Jugendlichen unter die Interessen der US-amerikanischen und europäischen Banken und Unternehmen. Die von den USA gestützten Militärdiktaturen der 1970er und 1980er Jahre herrschten durch Repression. Hunderttausende in der Region wurden ermordet, gefoltert und verschwanden.

Gegen die wachsenden sozialen Angriffe und die zunehmend gewaltsame Repression in einer Zeit, da in den USA und Europa extrem rechte Regierungen an die Macht kommen, müssen Arbeiter in Argentinien und ganz Lateinamerika auf der Basis eines revolutionären Programms des internationalen Sozialismus ankämpfen, durch den Aufbau von Sektionen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale. Sie müssen entschieden den pseudolinken Kräften wie der PTS und der FT-CI entgegentreten, die bürgerlichen Populismus benutzen, um die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse zu torpedieren.

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