Diese Woche in der Russischen Revolution

27. Februar – 5. März: Der amerikanische Imperialismus bereitet sich auf den Kriegseintritt vor

Als das russische Zarenreich unter der Last des Ersten Weltkriegs zu wanken begann, bereiteten sich die Vereinigten Staaten darauf vor, in die Schlacht einzugreifen. Seit dem Ausbruch des Kriegs 1914 zwischen Großbritannien, Frankreich und Russland auf der einen und Deutschland und Österreich-Ungarn auf der anderen Seite, nahmen die Vereinigten Staaten eine Position der formellen Neutralität ein, die zum Teil durch die unter amerikanischen Arbeitern und Bauern tief verankerte Anti-Kriegsstimmung bedingt war. Aber je länger sich der Krieg hinzog, desto fiktiver wurde die Neutralität. Wilsons Diplomatie war, in Trotzkis Worten, „eine Mischung aus demokratischer Bigotterie und Gaunerei“. Immer offener unterstützte Washington Großbritannien und Frankreich. Die amerikanische Industrie rüstete die Soldaten der Alliierten aus, und amerikanische Banken finanzierten ihren Krieg. Mit Beginn des Jahres 1917 war der Eintritt der USA in den Krieg nur noch eine Frage der Zeit.

Petrograd, 27. Februar (14. Februar): Streiks in der russischen Hauptstadt dauern an

Alexander Schljapnikow, ein Führer der Russischen Revolution

Der Streik, den die Bolschewiki ausgerufen haben, wird fortgesetzt, und die Menschewiki rufen zu einem Streik zur Unterstützung der Duma auf, die gerade eine neue Sitzung im Taurischen Palast eröffnet. Etwa 84 000 Arbeiter aus über fünfzig Fabriken befinden sich im Streik. Die Polizei versucht, Demonstranten zu verhaften, aber die Arbeiter wehren sich.

Nach Kriegsbeginn 1914 ging die Streikaktivität zunächst stark zurück. Die schweren Entbehrungen als Folge der Kriegswirtschaft führten aber zu einem erneuten starken Anwachsen der Streikwelle. Von 1915 bis 1916 nahm die Zahl der Streikenden von 539 528 auf 960 000 zu.

Anfang 1917 erreichten die Arbeiterkämpfe neue Dimensionen, und die Streiks wurden immer politischer. Trotzki schätzte, dass in den ersten beiden Wochen des Februar etwa 575 000 Arbeiter an politischen Streiks teilnahmen. Seit Beginn des Kriegs war Petrograd das Zentrum der Streikaktivitäten. Hier fanden 72 Prozent aller politischen Streiks seit 1914 statt. Später erinnerte sich Schljapnikow, Mitglied des Zentralkomitees der Bolschewiki und selbst ehemals Metallarbeiter, an die gespannte Atmosphäre Ende 1916 in der Arbeiterklasse. „Irgendein Pfiff oder ein Lärm genügte, die Arbeiter glauben zu machen, es sei das Signal zur Arbeitseinstellung.“

Washington und London, 28. Februar: Deutschland und die USA an der Schwelle zum Krieg

Rekrutierungsplakat der US-Navy Ende 1916

Nach der Versenkung der britischen Laconia durch ein deutsches U-Boot wenige Tage zuvor sind die amerikanische und die britische Presse voller Spekulationen über einen bevorstehenden Krieg zwischen den USA und Deutschland. In der Times of London heißt es: „Die Tatsache, dass mindestens zwei amerikanische Frauen zu Tode kamen, sollte wohl genügen, damit die Laconia unter die von Präsident Wilson festgelegte Definition eines ‚unverzeihlichen Verbrechens’ gegen die amerikanische Souveränität fällt.“ Der Daily Chronicle schreibt: „Wenn der Untergang derLaconianicht als Auslöser reicht, was dann.“

Petrograd, 1. März (16. Februar): Einführung der Brotmarken

Leo Trotzki

Vor dem Hintergrund einer Lebensmittelkrise im russischen Reich, die sich ständig verschärft, beginnen die Petrograder Behörden, das Brot für die bereits hungernde Bevölkerung zu rationieren. In seinem Artikel „An der Schwelle der Revolution“ in der Zeitung Novy Mir (Neue Welt) schreibt Trotzki über die Rolle des Hungers in der sozialen Krise, die schließlich in die Revolution mündet: „In allen kriegführenden Ländern ist die Lebensmittelknappheit die unmittelbarste, akuteste Ursache für Unzufriedenheit und Wut unter den Massen. Der ganze Kriegswahnsinn zeigt sich ihnen am klarsten von diesem Standpunkt: Es ist unmöglich, die Mittel zum Leben zu produzieren, weil man die Werkzeuge des Todes produzieren muss.“

Washington, D.C., 1. März: Wilson veröffentlicht die Zimmermann-Depesche

Schlagzeile der New York Times

Um die Kriegsstimmung im Land anzuheizen, veröffentlicht Präsident Woodrow Wilson den vollständigen Text der Zimmermann-Depesche. Dieses Telegramm war eine dekodierte Botschaft des deutschen Außenministers Arthur Zimmermann an die mexikanische Regierung. Das Telegramm sollte Mexiko in einen Krieg gegen die USA hineinziehen. Im Gegenzug sollte Mexiko den Südwesten der USA zurückerhalten, den es siebzig Jahre zuvor, im mexikanisch-amerikanischen Krieg, an die USA hatte abtreten müssen.

Petrograd, 2. März (17. Februar): Lebensmittelkrise führt zu Demonstrationen

Vor den Lebensmittelgeschäften in Petrograd sammeln sich lange Schlangen, darunter sehr viele Frauen, und fordern Brot. Am nächsten Tag werden in einigen Stadtteilen die Bäckereien geplündert. Trotzki wird diese Ereignisse später das „Wetterleuchten des Aufstandes“ nennen, „der wenige Tage später ausbrach“.

Zu diesem Zeitpunkt hat der Krieg schon 1,7 Millionen Tote gekostet. Über zwei Millionen Männer sind verwundet und vier Millionen in Gefangenschaft. Die Kriegswirtschaft und die Schrecken des Kriegs bringen immer entsetzlicheres Leid über die Zivilbevölkerung.

Die Entwicklung übt einen enormen Einfluss auf das Bewusstsein von Dutzenden Millionen Arbeitern und Bauern aus. Trotzki erklärt in An der Schwelle der Revolution“: „In sehr breiten Arbeiterschichten, die vielleicht nie zuvor auch nur ein Wort von revolutionärer Agitation vernommen hatten, sammelte sich unter dem Einfluss des Kriegsgeschehens eine tiefe Erbitterung über die Herrschenden. Inzwischen setzte in den fortgeschrittenen Schichten der Arbeiterklasse ein Prozess des kritischen Verarbeitens der neuen Ereignisse ein. Das sozialistische Proletariat von Russland hat nach dem Schlag, den ihm die einflussreichsten Führer mit ihrem Nationalismus versetzten, seine Reihen wieder ausgerichtet. Es hat verstanden, dass die neue Epoche von uns verlangt, den revolutionären Kampf nicht abzumildern, sondern zu schärfen.“

San Juan, 2. März: Puerto-Ricaner erhalten amerikanische Staatsbürgerschaft und müssen Wehrdienst leisten

Dampfschiffwerbung, an Puerto-Ricaner gerichtet

Am 2. März 1917 verabschiedet der US-Kongress das Jones-Shafroth-Gesetz, das die Einwohner von Puerto Rico zu amerikanischen Staatsbürgern erklärt. Puerto Rico ist eine arme Inselnation am Ostrand der Karibik, die die Vereinigten Staaten im räuberischen spanisch-amerikanischen Krieg von 1898 in Besitz genommen hatten.

Als Bewohner einer Territorialbesitzung haben die neuen puerto-ricanischen Staatsbürger kein Recht, bei Präsidentschaftswahlen zu wählen, und sie entsenden auch keine Kongressabgeordneten und keine Senatoren. Dafür können sie jedoch zum US-Militär gezogen werden.

Sie dürfen auch das amerikanische Festland frei betreten. Der Krieg in Europa hatte die USA gerade in dem Moment von ihrem traditionellen Nachschub an Arbeitskräften abgeschnitten, als auf dem amerikanischen Arbeitsmarkt Vollbeschäftigung eintrat, weil die Alliierten mit Kriegsmaterial versorgt werden mussten. Außerdem bereiten sich die USA darauf vor, in den Krieg gegen Deutschland einzutreten.

Warschau, 3. März: 35 Prozent der osteuropäischen Juden leben in „absoluter Armut“

Ein Bericht des Joint Distribution Committee, das mehrere jüdische Hilfsorganisationen in den USA repräsentiert, gibt bekannt, dass über ein Drittel der ca. sieben Millionen Juden in Europas kriegführenden Ländern völlig verarmt sind und „täglich der Lebensmittelhilfe bedürfen“. Der Bericht schätzt, dass die Hälfte der Juden in Warschau und die Hälfte der Juden in Lodz in absoluter Armut leben. Ähnlich sind auch die Bedingungen in Litauen.

In dem Bericht, mit dem private Spenden gesammelt werden, heißt es: „Das Joint Distribution Committee erkennt, dass es nicht gelingen wird, das Leben von allen zu retten, die vom Hungertod bedroht sind. Es geht nur darum, wie viele Leben gerettet werden können.“ Im Ersten Weltkrieg verließen hunderttausende Juden Osteuropa auf der Flucht vor Hunger und Kriegsmassakern und versuchten, sich in Deutschland und westeuropäischen Ländern niederzulassen.

Hollywood, Kalifornien, 3. März: John Ford gibt Regiedebut

The Tornado ist wohl verschollen. Hier ein anderer Film, den John Ford 1917 drehte: Straight Shooting, mit Harry Carey

Bison Motion Pictures, eine Tochterfirma von Universal Studios, produziert den Film Der Tornado. Es ist der erste Stummfilm John Fords, der auch die Hauptrolle des eingewanderten Helden Jack Dayton spielt. Dieser wird „No Gun Man“ genannt, weil er die Bösen ohne Waffe jagt. Dayton rettet ein Dorf vor Banditen und nutzt die Belohnung, um seine Mutter (Jean Hathaway) aus Irland herzuholen. Ford ist selbst Sohn irischer Einwanderer. 1917 steht er am Anfang einer langen, fruchtbaren Karriere. Er produzierte 1917 noch weitere neun Stummfilme und in den folgenden Jahren 62 weitere Filme.

Washington, D.C., 4. März: Präsident Wilson wird für zweite Amtszeit vereidigt

Wilson spricht 1913 und 1916

Woodrow Wilson wird für seine zweite Amtszeit vereidigt. Er ist seit dem Bürgerkrieg erst der zweite Demokratische Präsident im Weißen Haus. Seine erste Amtszeit verdankte Wilson der Spaltung in der Republikanischen Partei zwischen Theodore Roosevelt, der als Progressiver antrat, und dem Amtsinhaber William Taft. Die zweite Amtszeit gewann er aufgrund der Parole: „Er hielt uns vom Krieg fern.“

Wilson hat jedoch keineswegs die Absicht, die USA aus dem Krieg herauszuhalten. Seine Rede zur Amtseinführung ist genau wie die Veröffentlichung des Texts der Zimmermann-Depesche darauf gerichtet, die USA auf den Krieg einzustimmen. Das versucht Wilson in das Gewand eines liberalen Internationalismus zu hüllen, den deutsche Plünderei verletzt habe:

„Andere Dinge ziehen unsere Aufmerksamkeit immer stärker auf sich: Dinge, die außerhalb unseres eignen Lebens liegen, und über die wir keine Kontrolle haben“, sagte Wilson. „Da einige uns zugefügte Verletzungen unerträglich werden … kann es sogar sein, dass wir durch die Umstände … in eine aktivere Behauptung unserer Rechte hineingezogen werden.

Wir wünschen weder Eroberung noch Vorteilnahme. Wir wünschen nichts, das wir nur auf Kosten anderer Menschen erreichen können … [Aber] wir sind keine Provinzler mehr. Die tragischen Ereignisse des entscheidenden Aufruhrs seit dreißig Monaten, die gerade hinter uns liegen, haben uns zu Weltbürgern gemacht. Es gibt kein Zurück. Unser eigenes Geschick als Nation ist betroffen, ob wir es wollen oder nicht.“

Verdun, 5. März: Deutsche Verdun-Offensive gescheitert

Eine erneute deutsche Offensive bei Verdun erzielt nur unbedeutende Gewinne gegen stark verteidigte französische Positionen. Nach einem heftigen Bombardement trägt das deutsche Militär die Offensive entlang einer Front von drei Kilometern Länge beim Wald von Caurieres vor. Die Schlacht fordert schwere Opfer und wird um ein Gelände geführt, das praktisch ein riesiger Friedhof ist. Die erste Schlacht von Verdun, die neun Monate, von Februar bis Dezember 2016, dauerte, forderte 300 000 Tote auf beiden Seiten und hinterließ hunderttausende Verstümmelte.

Unter den Toten der jüngsten Offensive befindet sich auch der Musketier Ernst Schmidt (32) aus Karlsruhe. Am 10. Februar schreibt er nach Hause, dass er in einem Erdloch leben muss, „sieben Meter unter der Erde, zusammen mit Ratten, Mäusen und Läusen“. Es ist ihm nicht möglich, sich zu waschen oder seine Kleidung zu wechseln. Seinen letzten Brief schreibt er am 5. März 1917. Er stirbt noch in derselben Nacht.

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