Türkei bereitet militärische Eskalation im Nahen Osten vor

Während die Trump-Regierung eine Verschärfung ihres militärischen Engagements im Nahen Osten signalisiert, bereitet Ankara eine Ausweitung seiner Militärintervention in Syrien und im Irak vor und bedroht den Iran.

Am 27. Februar traf sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan zu getrennten Sitzungen mit Verteidigungsminister Fikri Isik und Generalstabschef Hulusi Akar. Drei Tage zuvor hatte das türkische Militär offiziell erklärt, es habe in Zusammenarbeit mit der Freien Syrischen Armee (FSA) die syrische Stadt al-Bab vollständig unter seine Kontrolle gebracht.

Erdogan äußerte sich zwar noch nicht über sein Treffen mit Isik und Akar, allerdings haben sie vermutlich über Militäroperationen gegen den Islamischen Staat (IS) in Syrien, die syrische kurdisch Partei der Demokratischen Union (PYD) und ihre militärische Organisation, die Volksverteidigungseinheiten (YPG), diskutiert. Die Türkei plant außerdem die Ausweitung ihres Kampfs gegen den IS und die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) im Irak.

Letzte Woche besuchte Akar Militäreinheiten in den südosttürkischen Provinzen Kilis und Gaziantep. Ankara hat bereits tausende von Soldaten und schwere Artillerie an die Grenze zu Syrien und dem Irak verlegt.

Der Präsident der irakischen Autonomen Region Kurdistan (KRG) Massud Barzani, traf sich in der Zwischenzeit mit Erdogan und dem türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim.

Bei dem Treffen mit Erdogan am 26. Februar waren außerdem der Chef des türkischen Nationalen Nachrichtendienstes (MIT), Diplomaten und Vertreter der Energiebranche anwesend.

Die türkische Regierung hat dazu noch keine offizielle Stellungnahme abgegeben. Allerdings unterhielten sich Erdogan und Barzani laut der KRG über die „anhaltende Militäroperation gegen die Terrororganisation Islamischer Staat in Mossul“. Und „Präsident Barzani bekräftigte seine Haltung, wie wichtig Planungen für die Zeit nach der Befreiung der Stadt seien.“ Irakische Regierungstruppen und von den USA unterstützte kurdische Milizen liefern sich seit Monaten blutige Kämpfe mit dem IS um Mossul.

Barzani erwähnte in seiner Erklärung auch, dass Ankara die Führung der KRG unterstützt: „Präsident Erdogan hat erklärt, die Türkei werde die Autonome Region Kurdistan in diesen schwierigen Zeiten unterstützen, während der gemeinsame Kampf gegen die Terroristen des Islamischen Staats weitergeht.“

Einen Tag später traf sich Barzani mit Yildirim. Sie diskutierten über ähnliche Themen: den Kampf gegen den IS, Ankaras wirtschaftliche Unterstützung für die KRG, Öllieferungen an die Türkei und den Kampf gegen die PKK in der irakischen Region Sindschar.

Alle diese Entwicklungen deuten darauf hin, dass die türkische Regierung und die anderen Großmächte den Konflikt in der Region weiter verschärfen wollen.

Der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu hatte am 19. Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz behauptet, der Iran, Russlands größter Verbündeter in der Region, versuche „in Syrien und im Irak schiitische Staaten zu schaffen... Der Iran will Syrien und den Irak zu schiitischen Ländern machen... Das ist sehr gefährlich. Es muss verhindert werden.“ Weniger als eine Woche zuvor hatte Erdogan dem Iran vorgeworfen, er wolle den Irak und Syrien aufteilen.

Teheran reagierte darauf erbost. Der Sprecher des iranischen Außenministeriums Bahram Ghasemi erklärte am 20. Februar: „Wir sind geduldig, aber das hat seine Grenzen... Wir hoffen, dass es keine weiteren derartigen Äußerungen gibt. Wenn unsere türkischen Freunde auf dieser Einstellung beharren, werden wir nicht ruhig bleiben.“

Später wurde das türkisch-iranische Wirtschaftsforum verschoben, das am 25. Februar in Teheran stattfinden sollte. An dem Treffen sollten eigentlich Vorstandsmitglieder von mindestens 100 türkischen Unternehmen teilnehmen.

Teherans Intervention in Syrien und sein zunehmender Einfluss im Irak sind Ankara schon seit langem ein Dorn im Auge. Die Konflikte zwischen der Türkei und dem Iran wegen dem Irak und Syrien hinderten Ankara jedoch nicht daran, sich während der angeblichen Friedensverhandlungen zu Syrien in Astana an die Seite Russlands und des Iran zu stellen.

Der Streit zwischen Ankara und Teheran hat sich verschärft, seit die neue US-Regierung den Iran auf ihre Abschussliste gesetzt hat.

Erdogans Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) versucht zwar, die Beziehungen zu Russland zu pflegen, hat aber dennoch immer wieder ihre Absicht betont, ihr Verhältnis zu den USA zu verbessern. Sie hat keinen Hehl aus ihrer Hoffnung gemacht, unter Trump gemeinsam mit den USA gegen den IS vorzugehen. Am 16. Februar erklärte der türkische Verteidigungsminister Fikri Isik vor der Presse, die Trump-Regierung verfolge in Syrien einen anderen Kurs als Obama: „Sie besteht nicht mehr darauf, dass die YPG unbedingt an der Operation teilnehmen muss. Sie hat sich noch nicht entschieden.“

Drei Tage später erklärte Erdogan, türkische Truppen würden die USA bei der Einnahme der syrischen Stadt Rakka unterstützen, falls sich Ankara und Washington darauf einigen könnten. Nur zwei Tage zuvor hatte sich der Chef des türkischen Generalstabs auf dem Luftwaffenstützpunkt Incirlik mit seinem amerikanischen Amtskollegen getroffen und einen Plan zur Rückeroberung Rakkas vom IS ausgearbeitet. Laut den türkischen Medien sieht der Plan einen 54 Kilometer langen und zwanzig Kilometer breiten Korridor vor, der mit Unterstützung der Türkei von der FSA besetzt werden soll. Die PYD und die YPG wären dann außen vor.

Die türkische Regierung bezeichnet die PYD/YPG als terroristische Vereinigungen, die mit der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) verbündet sind. Diese wiederum führt einen bewaffneten Kampf gegen Ankara. Washington hingegen hat die PYD/YPG bisher als zuverlässige Partner im Kampf gegen den IS und das Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad behandelt. Die USA haben ihre Unterstützung für die FSA zurückgefahren und die kurdisch dominierten Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) als wichtigste Stellvertretergruppierung finanziert. Diese Entscheidung hat die Spannungen mit Ankara erhöht.

Ankara begann daraufhin seine eigene Operation mit dem Decknamen „Schutzschild Euphrat“. Ziel dieser Operation war es, die syrisch-kurdischen Streitkräfte auf die Ostseite des Euphrat zurückzudrängen. Als Reaktion darauf begannen die SDF mit Washingtons Unterstützung im November 2016 die Operation „Zorn des Euphrat“ zur Rückeroberung Rakkas vom IS.

Ankara hofft auf einen Politikwechsel unter Präsident Trump und behauptet, mehrere tausend FSA-Kämpfer seien bereit, mit Unterstützung durch türkische Berater und Luftstreitkräfte an einer gemeinsamen Operation mit den USA teilzunehmen. Als Gegenleistung müsste sich Washington von den Kurden distanzieren.

Noch ist unklar, ob Trump Ankaras Vorschlag annehmen wird, die kurdisch dominierte SDF druch von der Türkei unterstützte FSA-Kräfte zu ersetzen. Die Alternativen sind jedoch eindeutig: ein „Nein“ würde Ankara noch mehr verärgern, ein „Ja“ würde die amerikanisch-türkischen Beziehungen zu Lasten der russisch-türkischen Beziehungen verbessern.

In den letzten Tagen kam es nahe al-Bab zu Zusammenstößen zwischen von Russland unterstützten syrischen Truppen und von der Türkei unterstützten FSA-Truppen. Die FSA hatte diese Stadt letzte Woche vom Islamischen Staat zurückerobert. Russland vermittelte in dem Konflikt. Am 1. März haben türkische Truppen und FSA-Kämpfer angeblich westlich von Manbidsch auf der Westseite des Euphrat Dörfer angegriffen. Ankara hatte zuvor angekündigt, es werde die kurdischen Truppen von der Westseite des Euphrat vertreiben.

Ankara versucht trotz seiner Verhandlungen mit Trump und seiner Streitigkeiten mit dem Iran weiterhin, seine Handels- und vor allem seine militärischen Beziehungen zu Russland zu verbessern. Am 9. und 10. März wird sich Erdogan in Russland mit Präsident Wladimir Putin treffen und an einem Treffen des Hochrangigen Russisch-Türkischen Kooperationsrats teilnehmen. Die beiden Staatsoberhäupter werden dabei vermutlich über den Wunsch der Türkei sprechen, russische Luftabwehrraketen vom Typ S-400 zu kaufen.

Unabhängig davon, ob Trump die SDF weiterhin unterstützt, oder Ankaras Vorschläge annimmt und die PYD/YPG fallen lässt, wird die geplante Ausweitung der türkischen Intervention in Syrien und dem Irak die ohnehin schon angespannte Lage weiter verschärfen.

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