Südkoreanisches Verfassungsgericht enthebt Präsidentin Park ihres Amtes

Am Freitagvormittag haben acht Richter des südkoreanischen Verfassungsgerichts einstimmig entschieden, Präsidentin Park Geun-hye ihres Amtes zu entheben. Am 9. Dezember hatte die Nationalversammlung wegen dreizehn Anklagepunkten ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet, u.a. wegen Bestechungsvorwürfen und Vernachlässigung ihrer Amtspflichten. Anfang Mai wird eine Neuwahl stattfinden, bis dahin agiert der Premierminister und amtierende Präsident Hwang Gyo-ahn als Staatsoberhaupt.

Unter dem Vorsitz von Richterin Lee Jeong-mi hatte das Gericht Park wegen des Skandals um ihre enge Vertraute Choi Soon-sil angeklagt. Diese hatte mehrere Nonprofit-Organisationen gegründet, um Schmiergeld von den mächtigsten südkoreanischen Konzernen zu erpressen. Das Gericht warf Park außerdem vor, sie habe gegen geltendes Recht verstoßen und Choi Staatsgeheimnisse verraten, sodass sie sich an Regierungsgeschäften beteiligen konnte, ohne formell ein Amt zu bekleiden. Andere Vorwürfe wies das Gericht jedoch zurück, darunter Vernachlässigung ihrer Amtspflichten im Zusammenhang mit dem Untergang der Fähre Sewol im Jahr 2014 und wegen Verstößen gegen die Pressefreiheit.

Lee erklärte in ihrer Urteilsbegründung: „Ihre Worte und Taten zeigen, dass sie nicht gewillt ist, die Verfassung zu verteidigen. Die Verstöße der Präsidentin gegen die Verfassung und gegen geltendes Recht stellen einen Verrat am Vertrauen der Bevölkerung dar. Wer die Verfassung verteidigen will, kann solche schweren Verstöße nicht tolerieren.“

Die südkoreanischen Parteien, darunter Parks Freiheitspartei Koreas (ehemals Saenuri), akzeptierten allesamt das Urteil. Parteichef In Myeong-jin erklärte: „Die Freiheitspartei Koreas hat Park Geun-hyes Regierung hervorgebracht. Sie war eine Regierungspartei und Partner bei staatlichen Angelegenheiten. Aber wir konnten unsere Pflicht als Regierungspartei nicht erfüllen, die Würde und den Stolz Südkoreas zu schützen, den sich die Bevölkerung aufgebaut hat.“

Die Trump-Regierung in Washington erklärte, sie freue sich auf eine „produktive Beziehung mit dem nächsten Präsidenten, wen auch immer die Bevölkerung Südkoreas wählen wird“. Seit Beginn des Skandals im September hatten weder Obama noch Trump Park öffentlich ihre Unterstützung ausgesprochen.

Park wird dieses Urteil Berichten zufolge jedoch nicht hinnehmen. Einer ihrer Berater erklärte der Nachrichtenagentur Yonhap, in ihrem Büro werde momentan „über das weitere Vorgehen diskutiert“. Parks Anwalt Seo Seok-ku stellte die Rechtmäßigkeit des Urteils infrage: „Unsere Bedenken hinsichtlich der geheimen Unterredungen zwischen dem Gericht und dem Parlament haben sich als korrekt erwiesen. Ich glaube nicht, dass es bei diesem Prozess nur um Recht und Gewissen ging.“

Für Millionen Menschen, die seit Oktober im ganzen Land für Parks Absetzung demonstriert hatten, war das Urteil ein Grund zum Feiern. Bei den Protesten kam die enorme Wut zahlloser Südkoreaner zum Ausdruck, die sich nicht nur gegen das persönliche Verhalten der Präsidentin und ihre Beziehungen zu den Konzernen richtet, sondern ganz allgemein gegen ein diskreditiertes wirtschaftliches und politisches System.

Auf der südkoreanischen Halbinsel besteht die akute Gefahr, dass Washington und Seoul einen Krieg gegen Nordkorea und China beginnen. Gleichzeitig verschlechtern sich die Lebensbedingungen der südkoreanischen Arbeiter immer weiter. In der Reederei- und Schiffbauindustrie finden Massenentlassungen statt, die Arbeitslosigkeit unter Studenten und Hochschulabsolventen ist hoch, während Regierung und Großkapital eine Offensive gegen Löhne und Kündigungsschutz führen.

Die allgemeine Erleichterung über Parks Absetzung ist verständlich, doch damit allein wird sich keine der Forderungen der Bevölkerung erfüllen, die zu so großem Widerstand gegen ihre Regierung geführt hat. Die Macht wird an andere politische Kräfte übergehen, vor allem an die Demokratische Partei Koreas (DPK) und ihren wahrscheinlichen Präsidentschaftskandidaten Moon Jae-in. Sie sind jedoch Werkzeuge derselben reaktionären herrschenden Klasse.

Moon hat bisweilen versucht, sich vor der Bevölkerung als Gegner von Krieg und den Konzernen zu inszenieren. Bekannt wurde sein Vorschlag, die Installation amerikanischer THAAD-Raketenbasen zu verschieben, die sich gegen China, Nordkorea und Russland richtet. Allerdings fordert er keine Aussetzung des THAAD-Programms, mit dem die Trump-Regierung die militärischen Spannungen in der Region rapide bis hin zu einem direkten militärischen Zusammenstoß treibt.

Moon und die DPK unterstützen das Bündnis mit den USA weiterhin grundsätzlich. Vor kurzem veröffentlichte Moon beispielsweise ein Buch, in dem er sich für die Stationierung einer THAAD-Batterie in Südkorea aussprach. Dazu erklärte er: „Wir haben uns bereits als Verbündete darauf geeinigt. Daher ist es sehr schwierig, dieses Thema wieder neu zu diskutieren.“

Die DPK schürt außerdem regelmäßig Chauvinismus gegen Japan, um die Arbeiter zu spalten und die Entwicklung eines gemeinsamen Kampfs der Arbeiter in der ganzen Region zu verhindern. Außerdem hat sie schon über lange Zeit die Raubzüge des US-Imperialismus im Nahen Osten unterstützt. Die Demokratischen Regierungen von Kim Dae-jung und Noh Moo-hyun haben Washingtons Kriege gegen Afghanistan und den Irak unterstützt. Moon war seinerzeit Stabschef in Nohs Regierung.

Moon hat momentan in Umfragen mit 34 Prozent den größten Stimmanteil aller Präsidentschaftsanwärter, sein stärkster Rivale An Hui-jeong, ebenfalls von der DPK, hat nur einen Stimmanteil von fünfzehn Prozent. Den amtierenden Präsidenten Hwang Gyo-an von der Freiheitspartei Koreas würden nur acht Prozent wählen, Ahn Cheol-soo von der Volkspartei neun Prozent, Yu Seung-min von der Gerechtigkeitspartei (Bareun) nur ein Prozent der Befragten.

Parks Sturz zeigt, wie heftig die internationalen politischen und geostrategischen Spannungen die bürgerliche Politik destabilisieren. Als Park im Jahr 2013 an die Macht kam, durchkreuzte sie mit ihren Angeboten an Peking den „Pivot to Asia“ der Obama-Regierung. Zwar unterstützten alle südkoreanischen Parteien das Bündnis mit den USA. Allerdings waren sie uneins darüber, wie sie ihre politischen und militärischen Beziehungen mit den USA und ihre wirtschaftlichen Beziehungen zu China in Einklang bringen sollten.

In ihrer Amtszeit hatte Park die demokratischen Rechte ihrer Gegner angegriffen, u.a. durch die Auflösung der Vereinigten Progressiven Partei im Jahr 2014, die mit den Demokraten verbündet war. Damit wollte sie die wachsende Unzufriedenheit der Bevölkerung unterdrücken, die ihr eigener Kurs verursacht hatte. Sie hat Spannungen mit Nordkorea geschürt und versucht, auf Geheiß des Großkapitals eine sogenannte Arbeitsreform durchzusetzen, durch die sich prekäre Arbeitsverhältnisse noch weiter ausgebreitet hätten.

Weil sie dieses Ziel nicht erreichen konnte, kam es in ihrer eigenen Partei zu einer Spaltung. Eine Fraktion unterstützte Parks Absetzung und gründete im Januar die rechte Gerechtigkeitspartei (Bareun). Die Führung dieser neuen Partei, darunter Yu Seung-min, hatte Parks Regierung in der Vergangenheit vorgeworfen, sie würde Seouls politische Ausrichtung auf Washington nicht weiter verstärken.

Keine dieser reaktionären Kräfte hat der arbeitenden Bevölkerung irgendetwas zu bieten. Parks Gegner und Kritiker bezeichnen ihre Regierung vor allem als inkompetent und korrupt, um die Tatsache zu verschleiern, dass sie selbst keine Lösung für den Rückgang des Lebensstandards und gegen die Gefahr eines Kriegs in der Region haben. Egal welche Partei die nächste Regierung stellen wird, sie wird genauso von Krisen geplagt sein und in grundsätzlichem Konflikt mit den Forderungen und Hoffnungen der Arbeiterklasse stehen wie die letzte.

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