Niederländische Regierung verhindert Auftritte von türkischen Ministern

Die niederländische Regierung provozierte am Wochenende einen gravierenden diplomatischen Eklat mit der Türkei. In einem provokativen Schritt verhinderte sie die Auftritte von zwei türkischen Ministern in den Niederlanden. Kommunen in Deutschland hatten dies bereits in der letzten Woche getan.

Dieser Angriff auf demokratische Rechte ist Teil einer reaktionären, muslimfeindlichen Kampagne, die von der Regierung des Ministerpräsidenten Mark Rutte im Vorfeld der Wahlen am 15. März angeheizt wurde. Die Regierung versucht durch ihre Appelle an ausländerfeindliche und ultrarechte Stimmungen, dem Aufstieg des rechtsextremen Kandidaten Geert Wilders das Wasser abzugraben. Die Kampagne nahm Fahrt auf, nachdem Wilders Rutte vorgeworfen hatte, dass dessen Vorgehen gegen türkische Kundgebungen in den Niederlanden „zu weich“ sei.

Dem türkischen Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu und der Familienministerin Fatma Betul Sayan Kaya wurde der Zugang zu den Niederlanden verweigert und niederländische Politiker entfachten einen verbalen Schlagabtausch mit der Türkei. Die beiden Minister sollten auf Kundgebungen sprechen, um die in den Niederlanden lebenden türkischen Staatsbürger dazu aufzufordern, beim Verfassungsreferendum in der Türkei am 16. April mit „Ja“ zu stimmen. Die Abstimmung wurde vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan ausgerufen. Das Ziel des Referendums ist die Übertragung uneingeschränkter Befugnisse auf das Amt des türkischen Präsidenten. Türkische Staatsbürger, die in Europa leben, dürfen an der Abstimmung teilnehmen. Dies betrifft 1,4 Millionen Menschen in Deutschland und mehrere Hunderttausend in den Niederlanden.

Çavuşoğlu sollte am Samstag auf einer Kundgebung in Rotterdam sprechen. Der Eigentümer des Veranstaltungsortes sagte die Kundgebung unter Berufung auf Sicherheitsbedenken kurzfristig ab. Als Çavuşoğlu ankündigte, er werde trotzdem kommen und den Niederlanden für den Fall, dass man ihm den Zugang verwehren würde, mit Wirtschaftssanktion drohte, entzog das holländische Kabinett der Maschine des türkischen Außenministers die Landeerlaubnis. Das Kabinett gab als Begründung an, man befürchte gewaltsame Ausschreitungen zwischen Anhängern und Gegnern Erdoğans innerhalb der türkischen Gemeinden. „Wir sind der Ansicht, dass öffentliche Plätze in den Niederlanden kein Ort für Wahlkampfveranstaltungen anderer Länder sind“, erklärte Rutte.

Erdoğan griff die Entscheidung der holländischen Regierung in einer Rede vor versammelten Anhängern in Istanbul scharf an und erklärte: „Sie sind sehr nervös und feige. Das sind Überbleibsel der Nazis, das sind Faschisten.“ Er fügte hinzu, dass die türkische Regierung ab jetzt die Maschinen niederländischer Diplomaten an der Landung in der Türkei hindern werde.

Nur wenige Stunden danach passierte Kaya die deutsch-niederländische Grenze mit dem Auto. Sie sollte auf dem Gelände des türkischen Konsulats in Rotterdam sprechen, das nach internationalem Recht zum Hoheitsgebiet der Türkei gehört. In einer beispiellosen Aktion wurden dann bewaffnete niederländische Polizeieinheiten dazu abgestellt, Kaya festzunehmen und sie aus den Niederlanden zurück nach Deutschland auszuweisen.

Kaya veröffentlichte eine Erklärung, in der sie schrieb: „Die ganze Welt muss gegen solch ein faschistisches Handeln aktiv werden! Diese Behandlung einer Ministerin darf nicht akzeptiert werden.“ Sie fügte hinzu, dass die Niederlande „alle internationalen Gesetze, Konventionen und Menschenrechte [verletzen], indem sie mich nicht ins türkische Konsulat in Rotterdam lassen“.

Wilders verkündete, dass die Demütigung der türkischen Minister für seine neo-faschistische Partei für die Freiheit (PVV) ein Sieg sei. „Großartig! Dank des Drucks der PVV ein paar Tage vor den niederländischen Wahlen hat unsere Regierung dem türkischen Außenminister NICHT erlaubt zu landen!!“, schrieb er auf Twitter und fügte hinzu: „An alle Türken in den Niederlanden, die mit Erdogan übereinstimmen: Geht in die Türkei und kommt nie wieder zurück.“

Wilders postete außerdem ein Video, in dem er gegen die Türkei und Muslime hetzte und darauf pochte, dass man der Türkei niemals den Beitritt zur Europäischen Union (EU) erlauben dürfe. „Ihr seid keine Europäer und ihr werdet es nie sein. Ein islamischer Staat wie die Türkei gehört nicht zu Europa“, sagte Wilders. „Wir wollen nicht mehr, sondern weniger Islam. Also bleib weg von uns, Türkei. Ihr seid hier nicht willkommen.“

Erdoğans Sprecher Ibrahim Kalin antwortete auf Twitter: „Schande über die niederländische Regierung für ihr Nachgeben gegenüber islamfeindlichen Rassisten und Faschisten und für den Schaden, den sie den lange währenden türkisch-niederländischen Beziehungen zugefügt hat.“

Als türkische Einwohner Rotterdams gegen die Ausweisung der zwei Minister protestierten, kam es zu Zusammenstößen. Demonstranten, die sich vor dem niederländischen Konsulat in Istanbul versammelt hatten, bewarfen das Gebäude mit Steinen und Eiern.

Auf einem Treffen im französischen Metz forderte Çavuşoğlu eine Entschuldigung und warnte die Niederlande, dass die Türkei sich rächen werde. Erdoğan drohte am Sonntag in ähnlicher Weise: „Wenn Sie die türkisch-niederländischen Beziehungen den Parlamentswahlen, die am Mittwoch abgehalten werden, opfern wollen, dann werden Sie den Preis dafür zahlen.“ Er fügte hinzu: „Ich dachte, der Faschismus sei vorbei, aber ich habe mich geirrt. Der Nazismus ist im Westen lebendig. Der Westen hat sein wahres Gesicht gezeigt.“

Die Krise in den Beziehungen zwischen der Türkei und der EU wird weiter eskalieren. Türkische Politiker brachten die Möglichkeit von Wirtschaftssanktionen gegen die Niederlande ins Spiel und erklärten, der niederländische Botschafter in der Türkei, der sich derzeit im Urlaub befindet, solle „für eine Weile“ nicht nach Ankara zurückkehren. Verschiedenen Medienberichten zufolge haben Veranstalter in der Schweiz, in Dänemark, Schweden und Österreich die Veranstaltungen türkischer Regierungspolitiker bereits abgesagt.

Der dänische Premierminister Lars Rasmussen stellte sich gegen den geplanten Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yıldırım in Dänemark. Rasmussen begründete dies mit „den jüngsten türkischen Angriffen gegen Holland.“

Sonntagmorgen räumte Rutte implizit den provokativen Charakter der Maßnahmen seiner Regierung ein und erklärte, er wolle die Spannungen mit der Türkei „deeskalieren“. Gleichwohl bezeichnete er die Annahme, er werde sich bei Erdoğan entschuldigen, als „bizarr“. Rutte erklärte: „Das ist ein Mann, der uns gestern als Faschisten und ein Land von Nazis beschimpft hat. Ich werde mich um Deeskalation bemühen, aber nicht, indem ich eine Entschuldigung anbiete. Sind sie verrückt?“

Dass europäische Regierungen die Reisen von türkischen Regierungspolitikern behindern und deren Auftritte verhindert, ist ein unerhörter Angriff auf die freie Meinungsäußerung. Es ist ein offener Appell an fremden- und islamfeindliche Stimmungen. Erdoğans Referendum, das dem Zweck dient, ein sogenanntes „exekutives Präsidialsystem“ zu errichten, ist ohne jeden Zweifel ein reaktionärer Versuch, in der Türkei eine präsidiale Diktatur aufzubauen. Über diese Frage hat jedoch allein die türkische Bevölkerung zu entscheiden – und nicht niederländische, dänische oder sonstige EU-Politiker.

Die politische Bedeutung von Ruttes Eingreifen ist unmissverständlich. Zunehmend machte Rutte die islamfeindliche Rhetorik zum zentralen Thema seines Wahlkampfs. Er beschwor die gleiche reaktionären Vorurteile wie Wilders, um die Arbeiterklasse vor der Wahl zu spalten und die gesamte politische Atmosphäre weit nach rechts zu verschieben, während in der Bevölkerung eine tiefe Abneigung gegen seine Spar- und Kriegspolitik vorherrscht.

Als Ruttes Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) in den Umfragen im Januar hinter Wilders PVV lag, veröffentliche Rutte einen ungeheuerlichen offenen Brief, in dem er Einwanderer aufforderte, sich entweder vollständig in die niederländische Gesellschaft zu integrieren oder das Land zu verlassen. Jene, die „sich der Integration verweigern und unsere Werte kritisieren“, sollten sich „normal verhalten oder das Land verlassen“, hetzte Rutte. „Wenn ihr dieses Land aus so tiefer Überzeugung ablehnt, fände ich es besser, wenn ihr gehen würdet.“

Solche Kommentare spiegeln den umfassenden Rechtsruck in der gesamten bürgerlichen Politik Europas wider. Dieser Rechtsruck spielt sich vor dem Hintergrund entscheidender Wahlen in den Niederlanden und in Frankreich ab, die vom wachsenden Gewicht von Neofaschisten wie Wilders in den Niederlanden und Marine Le Pen in Frankreich dominiert werden.

In Deutschland veröffentlichte die Vorsitzende der Linkspartei Sahra Wagenknecht am 10. März eine Pressemitteilung, in der sie sich hinter Ruttes reaktionären Angriff auf die türkische Regierung stellte. Sie erklärt darin: „Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Sigmar Gabriel haben es in der Hand, Erdogans Propagandatour für Diktatur und Todesstrafe zumindest auf deutschem Territorium zu stoppen, so wie es die Regierungen Österreichs und der Niederlande für ihre Länder entschieden haben.“

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