Wahlen in den Niederlanden: Sozialistische Partei vertritt nationalistisches, bürgerliches Programm

Unter den 28 Parteien, die sich am Mittwoch in den Niederlanden um die 150 Sitze im Parlament bewerben, befindet sich auch die Sozialistische Partei (SP). In den Umfragen liegt sie mit 10 Prozent nur sechs Punkte hinter der führenden rechtsliberalen VVD von Regierungschef Mark Rutte, aber deutlich vor der mitregierenden sozialdemokratischen PvdA, der mit 7,4 Prozent eine historische Wahlniederlage vorausgesagt wird.

Dass die SP mit Sozialismus trotz ihres Namens nichts zu tun hat, zeigt ihr ausgeprägter Nationalismus. So hat sie sich uneingeschränkt hinter die antitürkische Kampagne gestellt, mit der Rutte die vehement ausländerfeindliche PVV von Geert Wilders unmittelbar vor der Wahl rechts überholen will. Rutte hat dem türkischen Außenminister ein Landeverbot erteilt und die türkische Familienministerin ausweisen lassen, um zu verhindern, dass sie im türkischen Konsulat vor Landsleuten für das Verfassungsreferendum in der Türkei werben.

Der Spitzenkandidat der SP, Emile Roemer, ließ in einer Pressemitteilung verlautbaren, dass „in den Niederlanden kein Platz für den Propagandazirkus des Sultans Erdogan“ sei. Er forderte die Regierung von Mark Rutte auf, die Beitrittsverhandlungen der Türkei mit der Europäischen Union auszusetzen.

Weiter erklärte Roemer: „Die letzten Tage haben gezeigt, dass man mit der türkischen Regierung keine verlässlichen Vereinbarungen treffen kann. Die türkische Regierung darf sich nicht in unsere inneren Angelegenheiten einmischen. Die jetzige Situation bringt zum Ausdruck, was die SP seit Jahren sagt: Das wir uns voll und ganz gegen die Beeinflussung niederländischer Bürger durch Ankara stellen müssen.“

Die SP stimmt damit in den Chor jener ein, die mit Hetze gegen Muslime Angriffe auf demokratische Rechte legitimieren. Roemers Äußerungen unterscheiden sich kaum von den Tiraden von Wilders, der den türkischen Ministern ein „Geht weg, das ist unser Land!“ entgegen schleuderte und erklärte: „Ich sage allen Türken in den Niederlanden, die Erdogan zustimmen: Geht in die Türkei und kommt nie wieder!“

Die Nähe zu Wilders zeigt, wie rechts das Programm der SP in Wirklichkeit ist. Während sie versucht, mit linker Rhetorik und lokalem Aktivismus Arbeiter und Jugendliche zu verwirren und Illusionen in die Reformierbarkeit des Kapitalismus zu schüren, befürwortet sie gleichzeitig einen starken Staat und die Abschottung der Grenzen gehen Immigranten und Flüchtlinge. Mit ihrer rechten, ausländerfeindlichen Demagogie trägt die SP ein Mitverantwortung für den Aufstieg von Wilders.

Die SP hatte sich 1972 als maoistische Gruppierung gegründet, gab ihren „Flirt mit dem Maoismus“, wie sie die Gründungsphase selbst bezeichnet, aber schnell auf und beschränkte sich auf den „praktischen Kampf“ im Umfeld der Gewerkschaften und in lokalen Bündnissen. Als 1986 Jan Marijnissen die Führung der SP übernahm, tilgte sie jeden Verweis auf Lenin und Marx aus dem Parteiprogramm und begann mit dem „Durchbruch ins Parlament“.

In den 1990er Jahren konnte die SP erstmals zwei Abgeordneten in die zweite Kammer entsenden. Sie profitierte von den katastrophalen sozialen Auswirkungen des „Polder-Modells“, in dessen Rahmen Gewerkschaften und Unternehmerverbände seit Anfang der 1980er Jahre eng mit der Regierung zusammenarbeiteten, um Lohnkosten und Sozialausgaben drastisch zu senken.

Unter der Regierung des Sozialdemokraten Wim Kok (PvdA) nahm das „Polder-Modell“ Mitte der 1990er Jahre dann richtig Fahrt auf. Als Folge wuchs die soziale Ungleichheit enorm an, die Armut nahm zu, Minderheiten wurden ausgegrenzt und die Mieten in den Städten explodierten.

Die permanente Umverteilung von unten nach oben erschütterte schließlich das politische System. Sozialdemokraten und Gewerkschaften waren diskreditiert. Rechtspopulistische Strömungen profitierten von den scharfen sozialen Spannungen in den ehemals sehr egalitären Niederlanden. Auf der anderen Seite wuchs die SP zur nach Mitgliedern drittstärksten Partei. Vor den Parlamentswahlen 2012 lag sie in den Umfragen lange in Führung, landete aber schließlich nur auf Platz vier.

Das offizielle Programm der SP unterscheidet sich kaum von dem rechter, sozialdemokratischer Parteien. Seit 2006 ließ sie alle angeblich „zu radikalen“ Forderungen fallen. Seither verlangt sie weder den Austritt aus der Nato, noch die Abschaffung der Monarchie. Sie schürt Ressentiments gegen Einwanderer und verteidigt die niederländische Mitgliedschaft in der EU. Ihre Sozialkritik beschränkt sich auf einige kosmetische Eingriffe bei den Sozialleistungen.

Der „Sozialismus“ der SP reduziert sich auf ein Lippenbekenntnis zum „Respekt der Menschwürde, Gleichheit und Solidarität“. Diese Werte hätten sich, heißt es in der Charta der SP, „in jahrhundertelanger Tradition als wesentliche Elemente menschlicher Zivilisation und Fortschritts erwiesen“.

In ihrem aktuellen Wahlprogramm vertritt die SP überaus nationalistische Standpunkte. So fordert sie, die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der Europäischen Union zu beenden. Spitzenkandidat Roemer verlangte zum Wahlkampfauftakt einen Stopp der „unregulierten Masseneinwanderung“ und forderte: „Es muss wieder ein System von Arbeitserlaubnissen geben, mit dem Menschen die Erlaubnis erhalten, hierher zu kommen, um nach Arbeit zu suchen. Das würde die Niederlande in die Lage versetzen, die Kontrolle darüber zurückzugewinnen, wer hierher kommt, um zu arbeiten, und die Wirtschaftssektoren zu bestimmen, für die wir Leute brauchen.“

Bereits 1983 hatte die Partei ein ausländerfeindliches Pamphlet mit dem Titel „Gastarbeit und Kapital“ herausgegeben, das forderte, Gastarbeiter müssten sich an Sprache und Sitten des Landes anpassen oder wieder auswandern.

Die SP fordert, dass niederländische Arbeiter gegenüber Migranten Vorrang haben, und verteidigt die Abschottung der Europäischen Union gegen Flüchtlinge. Sie tritt für deren Unterbringung in grenznahen Unterkünften und in Registrierungszentren außerhalb der EU ein.

Die SP befürwortet auch eine massive Staatsaufrüstung im Innern und militärische Interventionen. Eine sichtbare Polizeipräsenz sei notwendig, „um unsere Nachbarschaftsviertel sicher zu machen, soziale Bindung zu stärken und frühe Anzeichen einer Radikalisierung wahrzunehmen. Darum wollen wir mehr Polizisten.“

An Militärinterventionen unter UNO-Mandat würde sich die SP ohne Vorbehalte beteiligen, wenn sie „wirksam und angemessen sind und nicht mit dem Völkerrecht in Konflikt geraten“. Die militärische Zusammenarbeit mit den Verbündeten ist für die SP immer möglich, solange die niederländische Regierung die Kontrolle über ihre Soldaten behält.

2005 war die SP noch gegen die europäische Verfassung aufgetreten, die dann in einer Volksabstimmung mit breiter Mehrheit abgelehnt wurde. Inzwischen stellt sie die niederländische Mitgliedschaft in der EU nicht mehr in Frage und kritisiert die EU von rechts, indem sie auf eine stärkere Rolle der Nationalstaaten pocht.

Selbst eine Regierungszusammenarbeit mit der rechtsliberalen VVD scheint möglich, obwohl dies Emile Roemer im Vorfeld der Wahlen ausgeschlossen hat. In sechs der zwölf Provinzregierungen arbeitet die SP seit Jahren mit allen anderen Parteien mit Ausnahme von Wilders‘ PVV zusammen. In Amsterdam und Brabant sitzt sie mit der VVD und der linksliberalen D66 in einer Regierung.

Die SP bietet sich der herrschenden Klasse in Zeiten allgemeiner sozialer und politischer Instabilität als scheinbar unverbrauchte Kraft an, um den niederländischen Kapitalismus zu retten. Doch in den Umfragen stagniert die Partei. Ihr werden derzeit nur 12 bis 14 Sitze im neuen Parlament zugetraut. Bei der letzten Wahl hatte sie noch 15 Sitze gewonnen.

Auch die Unterstützung pseudolinker Organisationen, die jede Rechtswendung der SP zu rechtfertigen suchen, hilft dieser nicht. So schreibt Socialistisch Alternatief, der niederländische Ableger des Comitte for a Workers International (CWI): „Da es im Wahlkampf keine Massenpartei der Arbeiter gibt, die die unabhängigen politischen Interessen der Arbeiterklasse vertritt, kann die sozialistische Partei als beste Wahl für viele Arbeiter angesehen werden. Die Sozialistische Partei vertritt einige positive Standpunkte.“

Die SP und ihre pseudolinken Satelliten stützen sich vor allem auf Mitglieder der gehobenen Mittelklasse, Akademiker und Gewerkschaftsfunktionäre. Um die Privilegien dieser wohlhabenden Mittelschichten zu verteidigen, rücken sie immer weiter nach rechts, je mehr sich die sozialen Spannungen verschärfen.

Loading