Indien: Dreizehn Maruti-Suzuki-Arbeiter zu lebenslanger Haft verurteilt

Am Samstag sind dreizehn Autoarbeiter von Maruti Suzuki zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Vier weitere Arbeiter wurden zu fünfjährigen Haftstrafen verurteilt, vierzehn andere erhielten Haftstrafen von drei Jahren.

Die Arbeiter sind Opfer eines monströsen Komplotts des Autobauers, der Polizei und der Justizbehörden. Die wichtigsten indischen Parteien, die Kongresspartei und die hindu-chauvinistische Bharatiya Janata Party (BJP), sind vollständig in dieses Komplott mit eingebunden.

Unter den dreizehn zu lebenslänglich verurteilten Arbeitern befindet sich die gesamte Führungsriege der Maruti Suzuki Workers Union (MSWU). Diese unabhängige Gewerkschaft war von Arbeitern des Maruti-Suzuki-Werks in Manesar im Bundesstaat Haryana als Gegengewicht zu einer Scheingewerkschaft gegründet worden, die das Unternehmen bei der brutalen Ausbeutung der Belegschaft unterstützt hatte.

Die Arbeiter wurden wegen einer Auseinandersetzung im Jahr 2012 angeklagt, die vom Unternehmen provoziert wurde. Die Folge waren ein Brand und der Tod eines Personalleiters.

„Das Opfer Awanish Kumar Dev wurde von den Angeklagten brutal verprügelt und konnte sich aufgrund der erlittenen Verletzungen nicht vor dem Brand retten“, erklärte Staatsanwalt Lal Singh bei der Anhörung am Freitag. Die Staatsanwaltschaft forderte daraufhin die Todesstrafe für die dreizehn Angeklagten.

Richter R.P. Goyal verhängte keine Todesstrafe – ein Urteil, von dem die Staatsanwaltschaft selbst erklärte, es sollte nur in den „allerseltensten Fällen“ verhängt werden. Doch auch die lebenslange Haft kommt in einem indischen Gefängnis, wo die Häftlinge erbärmlichen Lebensbedingungen sowie Schlägen und anderem Missbrauch ausgesetzt sind, einem langsamen Tod gleich.

Zahlreiche Arbeiter waren bereits zuvor Opfer von Folter geworden, u.a. durch das Langziehen der Beine, Elektroschocks und Eintauchen in Wasser. Mit diesen Methoden sollten falsche Geständnisse erzwungen werden.

Alle 31 Arbeiter sind das Opfer von „Klassenjustiz“, wie es in einer Presseerklärung der MSWU treffend hieß.

Der indische Staat und das politische Establishment waren entschlossen, an den Maruti-Suzuki-Arbeitern ein brutales Exempel zu statuieren. Damit wollten sie die Arbeiter in der Industrieregion Gurgaon-Manesar und in ganz Indien einschüchtern und Investoren auf diese Weise zeigen, dass die indische Elite die vorherrschenden Ausbeutungsbedingungen aufrecht erhalten wird.

Im Jahr 2011 hatte sich das Fertigungswerk zu einem Zentrum des militanten Widerstands gegen niedrige Löhne, ein brutales Arbeitsregime und den häufigen Einsatz von Leih- und Teilzeitarbeitern entwickelt. Derartige Bedingungen herrschen überall in Indiens neuem, global vernetzten Industriesektor.

Die Arbeiter des Werks in Manesar widersetzten sich der staatlich anerkannten Scheingewerkschaft und den Empfehlungen der traditionellen Gewerkschaftsverbände und begannen im Sommer 2011 eine Reihe von Arbeitsniederlegungen und Sitzstreiks. Ihr entschlossener Kampf brachte ihnen die Unterstützung von Arbeitern aus dem ganzen Industriegürtel Gurgaon-Manesar ein, einem Zentrum der Auto- und Fertigungsindustrie im Bundesstaat Haryana außerhalb von Delhi, der Hauptstadt und größten Stadt des Landes.

Kaum ein Jahr nach dem ersten Streik der Vorgängergewerkschaft der MSWU, der MSEU, verbündete sich der Staat mit Maruti Suzuki. Sie benutzten den Streit und den Brand des Werks am 18. Juli 2012 als Rechtfertigung für einen Vergeltungsschlag gegen die militantesten Arbeiter. Die Polizei erhielt von Marut Suzuki eine Liste von „Verdächtigen“, auf der die Führung der MSWU und andere militante Arbeiter aufgeführt waren. Während diese verhaftet wurden, säuberte das Management seine Belegschaft; die Regierung des Bundesstaates Haryana stellte sich dabei offen hinter das Unternehmen. Vor der Wiedereröffnung des teilweise durch den Brand zerstörten Werks wurden mehr als 2.300 fest angestellte und Leiharbeiter entlassen.

Am 10. März dieses Jahres, mehr als viereinhalb Jahre nach den Verhaftungen, wurden die 31 Arbeiter vor einem Bezirksgericht in Gurgaon angeklagt. Alle zwölf Führungsmitglieder der MSWU und der Arbeiter, dessen Misshandlung durch einen Vertragspartner von Maruti Suzuki den Streit auf dem Werksgelände ausgelöst hatte, wurden wegen Totschlags, versuchten Mordes und anderer Straftaten für schuldig befunden. Die anderen achtzehn wurden wegen mehrerer Anklagepunkte verurteilt, u.a. wegen vorsätzlicher Körperverletzung, Randale und Sachbeschädigung.

Um zu diesen Urteilen zu kommen, musste das Gericht bewusst seine eigenen Erkenntnisse ignorieren, dass die Polizei und das Management von Maruti Suzuki zusammengearbeitet hatten und Beweise gefälscht wurden.

Der gesamte Prozess war ein derart offensichtliches Komplott, dass das Gericht am 10. März 117 Arbeiter freisprechen und die Vorwürfe gegen sie für unbegründet erklären musste.

In mehreren Fällen konnten Belastungszeugen die Personen, gegen die sie ausgesagt hatten, nicht einmal identifizieren.

Die Verteidiger konnten außerdem nachweisen, dass 89 Arbeiter nur aufgrund der alphabetisch aufgelisteten Einteilungen von vier Maruti-Suzuki-Vertragspartnern und angeblichen Augenzeugen der Ereignisse am 18. Juli 2012 verhaftet wurden. So begannen die Namen aller „randalierenden Arbeiter“, die ein Zeuge angeblich erkannt hatte, mit den Buchstaben A bis G. Ein anderer hatte nur „Randalierer“ gesehen, deren Namen mit den Buchstaben G bis P begannen, usw.

Elf der verhafteten Arbeiter wurden von keinem einzigen Zeugen identifiziert.

Die 117 freigesprochenen Arbeiter haben mehrere Jahre im Gefängnis verbracht, weil sich die Staatsanwaltschaft im offenen Widerspruch zur üblichen Praxis verhement geweigert hat, sie gegen Kaution freizulassen. Bis zu ihrem Freispruch Anfang des Monats beharrte die Staatsanwaltschaft darauf, dass sie schwere Verbrechen begangen haben.

Bei den verbliebenen 31 Arbeitern, zu denen auch die dreizehn zu lebenslanger Haft verurteilten gehören, ist die Beweislage nicht besser. Sie ist außerdem geprägt von Widersprüchen, Ungereimtheiten und offensichtlichen Fälschungen.

Doch die Vendetta des Unternehmens und des Staates gegenüber den Maruti-Suzuki-Arbeitern war von Anfang an von grundlegenden Klasseninteressen motiviert. Nachdem die Staatsanwaltschaft mit ihrer Klage gescheitert war, wurden einige der Arbeiter freigesprochen. Das Gericht hoffte, es würde auf diese Weise die Glaubwürdigkeit der Anklage gegen die MSWU-Führung erhöhen und sie vorantreiben, auch in dem schwersten Anklagepunkt Mord.

Das zentrale Element in dem Fall ist der Werksbrand. Allerdings konnte die Staatsanwaltschaft keine direkten Beweise dafür liefern, dass irgendein Arbeiter oder einer der dreizehn wegen Mordes Angeklagten das Feuer gelegt hat. Sie haben nie schlüssig erklärt, wo der Brand begann, oder wie er gelegt wurde. Mehrere Stunden nach der ersten Inspektion der Brandstelle behaupteten Ermittler, sie hätten eine Streichholzschachtel gefunden, die seltsamerweise von den Flammen verschont geblieben war, obwohl alles um sie herum niedergebrannt war. Diese Streichholzschachtel wurde jedenfalls nie mit einem der Arbeiter in Verbindung gebracht.

Als das Komplott gegen die Maruti-Suzuki-Arbeiter aus Manesar begann, wurden das Land und der Bundesstaat Haryana von der Kongresspartei regiert. Als die BJP an die Macht kam, setzte sie das Vorgehen gegen die Arbeiter fort. Diese Kontinuität verdeutlicht, dass das politische Establishment unvermindert hinter dem größten Autobauer des Landes steht.

Im Industriegürtel Gurgaon-Manesar herrschen großer Rückhalt und Anteilnahme gegenüber den schikanierten und verfolgten Maruti-Suzuki-Arbeitern. Am Samstag, nur Stunden nach der Urteilsverkündung, traten Arbeiter in vier großen Fabriken in Manesar spontan in einen einstündigen Streik, u.a. im Maruti-Suzuki-Antriebswerk und in der Motorradfabrik von Suzuki.

Aus Angst vor Massenprotesten gegen das Komplott haben die Behörden des Distrikts Gurgaon unter Berufung auf Abschnitt 144 des indischen Strafgesetzbuchs alle Versammlungen von mehr als fünf Personen bis zum 25. März verboten. Zuvor hatten sie diese Regel bereits vom 10. März, dem Tag der Urteilsverkündung gegen die Maruti-Suzuki-Arbeiter, bis zum 15. März angewandt.

Als das Versammlungsverbot am Donnerstag kurzzeitig nicht mehr in Kraft war, boykottierten bis zu 100.000 Arbeiter im Industriegürtel in über 50 Werken aus Solidarität das Mittag- und Abendessen.

Während der indische Staat und das politische Establishment fest hinter Maruti Suzuki und dem Komplott gegen die militanten Arbeiter aus Manesar standen, haben die Gewerkschaftsverbände die Arbeiter systematisch isoliert.

Die stalinistischen Gewerkschaftsverbände All India Trade Union Congress (AITUC) und Centre of Indian Trade Unions (CITU) haben in den letzten viereinhalb Jahren auf kriminelle Weise über den Rachefeldzug des Unternehmens und des Staates fast vollständig geschwiegen. Sie haben die MSWU und die angeklagten Arbeiter dazu gedrängt, ihre Zeit mit Appellen an die Politiker des Großkapitals und die Gerichte mit der Bitte um „Gerechtigkeit“ zu verschwenden. Eine Strategie zu ihrer Verteidigung, die sich auf die Mobilisierung der industriellen und politischen Macht der Arbeiterklasse stützt, haben sie hingegen vehement abgelehnt.

Das Komplott gegen die Maruti-Suzuki-Arbeiter ist beispielhaft für den weltweiten Angriff auf die Autoarbeiter und die gesamte Arbeiterklasse. Mit der Unterstützung durch Politiker und den Staat setzen die transnationalen Konzerne nicht nur in neu eröffneten Werken in Indien und Mexiko Arbeitsbedingungen wie in Sweatshops durch, sondern auch in den traditionellen Zentren der Autoindustrie in Nordamerika und Europa.

Arbeiter in Indien und auf der ganzen Welt sollten die verurteilten Maruti-Suzuki-Arbeiter verteidigen, um ihre sofortige Freilassung, die Rücknahme aller Schuldsprüche und die Wiedereinstellung aller seit 2012 entlassenen Arbeiter zu erzwingen.

Der Aufbau einer internationalen Kampagne zur Verteidigung der Arbeiter kann ein großer Schritt für den Auftakt eines gemeinsamen weltweiten Kampfs der Autoarbeiter gegen die transnationalen Konzerne zur Verteidigung der Arbeitsplätze und der Grundrechte aller Arbeiter sein.

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