Diese Woche in der Russischen Revolution

27. März – 2. April: Trotzki bricht nach Petrograd auf

In New York verabschiedet sich Trotzki von einer ihm zujubelnden Menschenmenge und gelobt, die Provisorische Regierung zu stürzen und den Krieg zu beenden. Er sticht in See auf einem norwegischen Linienschiff, um über Oslo nach Russland zu gelangen. Lenin sitzt immer noch in der Schweiz fest, wo er fieberhaft daran arbeitet, aus der Ferne die Politik der Bolschwewiki in Petrograd herauszuarbeiten.

In Petrograd ist die bolschewistische Partei in Aufruhr. In Lenins Abwesenheit versucht eine rechte Minderheit von alten Parteikadern unter Führung von Muranow, Kamenew und Stalin, die Partei auf einen regierungs- und kriegsfreundlichen Kurs zu bringen. Als Kamenew in einem Artikel die Fortführung des Kriegs durch die Provisorische Regierung befürwortet, bricht an der Parteibasis eine Rebellion aus, und sein Ausschluss wird gefordert.

Die imperialistische Schlächterei in Europa geht weiter. Millionen sind ihr schon zum Opfer gefallen. Jetzt bereitet sich auch der amerikanische Imperialismus auf ein Eingreifen vor und mobilisiert noch einmal Hunderttausende Männer, um sie ins Gemetzel zu werfen. Aller Augen sind jetzt auf die alte zaristische Hauptstadt gerichtet, wo der einzige Hoffnungsschimmer für Frieden aufleuchtet.

New York, 27. März (14. März): Trotzki reist nach Europa ab

Eine Photographie von Trotzki nach seiner Ankunft in New York

Trotzki, seine Frau und Genossin Natalja und ihre beiden Söhne Sergej und Liowa verlassen New York an Bord des norwegischen Linienschiffs Christianiafjord in Richtung Oslo. Von dort wollen sie per Zug über Schweden und Finnland nach Petrograd weiterreisen.

Hunderte seiner Anhänger sind zum Hafen gekommen, um Trotzki zu verabschieden. „Es goss in Strömen“, erinnert sich der deutsch-amerikanische Sozialist Ludwig Lore. „Als Trotzki kam, hoben ihn seine Anhänger auf ihre Schultern und stellten ihn auf einer riesigen Reisekiste ab. Strahlend und mit glücklichem Lächeln rief er ein letztes Lebwohl.“

Aber Trotzki wird schon seit Wochen von Agenten des britischen Geheimdienstes beobachtet. Dieser befürchtet, dass seine Rückkehr nach Russland eine neue Revolution begünstigen werde, worauf Russland aus dem Krieg ausscheiden könnte. In Telegrammen nach London verbreiten die britischen Agenten die Lüge, dass Trotzki Geld aus Deutschland erhalte und einer jüdischen Verschwörung angehöre. Diese Mär stammt von dem britischen Agenten Casimir Pilenas, einem früheren Mitglied der zaristischen Ochrana, und seinem Kumpanen Boris Brasol. Letzterer hält sich in New York auf. Der Agent Brasol hatte 1913 in Kiew die berüchtigte Ritualmordverleumdung gegen den jüdischen Fabrikbesitzer Menachem Mendel betrieben. 1918 werden Pilenas und Brasow die antisemitische zaristische Verleumdungsschrift „Die Protokolle der Weisen von Zion“ ins Englische übersetzen.

Auf der Grundlage solcher an den Haaren herbeigezogener Vorwürfe hält das britische Militär die Christianiafjord im Hafen von Halifax in der kanadischen Provinz Nova Scotia fest, wo sie am 30. März einen fahrplanmäßigen Zwischenhalt hat. Trotzki und seine russischen Mitreisenden werden von den britischen Behörden unter einem Kapitän namens O. M. Makins verhört. „Meine Beziehungen zur russischen Innenpolitik unterstehen einstweilen noch nicht der Kontrolle der britischen Hafenpolizei“, hält Trotzki dagegen.

Deutschland, 27. März: Regierung gibt drastische Kürzung der Lebensmittelrationen bekannt

Brotkarte für Berlin und Umgebung für 9.-15. April 1917

Regierungsbehörden geben bekannt, dass am 15. April 1917 weitere drastische Senkungen der Lebensmittelrationen in Kraft treten werden. Die Brotration wird auf 170 g pro Tag, die Kartoffelration auf 2500 g pro Woche gekürzt. Für Erwachsene gibt es dazu pro Woche 80 g Butter, 250 g Fleisch, 180 g Zucker und ein halbes Ei. Zulagen für Jugendliche, Schwer- und Schwerstarbeiter werden gestrichen oder stark gekürzt. Die zugeteilten mageren Rationen sind jedoch überhaupt nicht in ausreichendem Maße vorhanden, sondern können – wenn überhaupt – erst nach wiederholtem, stundenlangem Schlangestehen ergattert werden.

Durch die britische Seeblockade fehlt in Deutschland etwa ein Drittel aller Agrarprodukte, die vor dem Krieg importiert worden waren. Seit Januar 1917 haben auch die Vereinigten Staaten den heimlichen Handel mit Deutschland über neutrale Staaten gestoppt. Die Ernten in Deutschland selbst fallen immer schlechter aus, da die Chemieindustrie statt Kunstdünger Stickstoff für die Munitionsherstellung produziert.

Zusammen mit den Nachrichten über die Revolution in Russland führen diese neuen Kürzungen der Lebensmittelrationen in wenigen Tagen zu den ersten größeren Massenstreiks seit Beginn des Krieges.

Spanien, 27. März: UGT und CNT rufen zum Generalstreik auf

Ein eintägiger Generalstreik in Madrid

Die zwei größten Gewerkschaften Spaniens, die mit der Sozialistischen Partei verbündete UGT (Unión General de Trabajadores) und die anarcho-syndikalistische CNT (Confederación Nacional del Trabajo), geben ein gemeinsames Manifest heraus, in dem sie zu einem „unbegrenzten Generalstreik“ aufrufen, allerdings zu einem noch unbestimmten Zeitpunkt. Auf einer Versammlung verabschieden Arbeiter an diesem Tag eine Erklärung, in der sie „gegen Hunger und tragische Zustände“ protestieren und „grundlegende Veränderungen am System“ verlangen, „die jedem Menschen ein Minimum an würdigen Lebensbedingungen und die Möglichkeit garantieren, seine emanzipierenden Aktivitäten zu entfalten“.

Der Lebensstandard der Arbeiter sinkt trotz zehnstündigen oder noch längeren Arbeitstagen, denn die Lebensmittel- und Mietpreise steigen ständig, hauptsächlich infolge des Kriegs in Europa. Die Preise haben sich von 1913 bis 1917 verdoppelt, während die Löhne nur um 25 Prozent gestiegen sind. Ministerpräsident Graf de Romanones, der mit Unterstützung von König Alfonso III. regiert, gerät in eine tiefe Krise. Seine Regierung versucht, Kürzungen beim Militär durchzusetzen, und muss gleichzeitig befürchten, dass die Truppen bei der Niederschlagung von Streiks nicht mehr verlässlich sind.

1916 gehen die Bauern dazu über, Güter zu besetzen und aus Protest die Ernte zu verbrennen. Bergarbeiter in Asturien, Bauarbeiter in Barcelona und die Eisenbahner treten in nationale Streiks. Der Druck der Arbeiter zwingt die UGT und die CNT, gemeinsame Aktionen durchzuführen. Am 18. Dezember 1916 hat ein eintägiger Generalstreik stattgefunden, und Tausende Arbeiter führen im ganzen Land weitere Protestaktionen durch.

Petrograd, 28. März (15. März): Rechte Bolschewiki-Minderheit propagiert Vaterlandsverteidigung

Die Mitglieder des Petersburger Komitees auf einem Bild von 1922, am 10. Allrussischen Sowjetkongress. Von links nach rechts A. G. Schljapnikow, N. K. Antipow, K. I. Schutko, P. I. Stutschka. Sitzend: N. F. Agadschanowa, M. I. Kalinin, W. W. Schmidt, K. N. Orlow, W. N. Saleschski.

Eine rechte Minderheit in der Petrograder Parteiorganisation der Bolschwewiki, zu der Lew Kamenew, Josef Stalin und M. Muranow gehören, nutzt Lenins Abwesenheit, um eine regierungs- und kriegsfreundliche Linie zu vertreten.

Am 28. März (15. März) kommt es zu einem doppelten Disziplinbruch. An diesem Tag erscheint ein von Kamenew unterzeichneter Leitartikel in der Prawda, der Zeitung der Bolschewiki. Erstens weicht der Artikel inhaltlich von der Parteilinie ab. Zweitens darf Kamenew seinen Namen gar nicht mehr in die Parteizeitung setzen, weil er sich 1915 im Prozess gegen die bolschewistischen Duma-Abgeordneten von der Parteilinie distanziert hat, um sich bei Gericht lieb Kind zu machen.

In der Ausgabe der Prawda vom 28. März (15. März) heißt es: „Wenn die deutsche und österreichische Demokratie auf unsere Stimme nicht hört, werden wir unsere Heimat bis zum letzten Blutstropfen verteidigen.“

„Wenn eine Armee der anderen gegenübersteht, wäre die unvernünftigste Politik die, der einen Armee vorzuschlagen, die Waffen niederzulegen und nach Haus zu gehen“, schreibt Kamenew. „Ein freies Volk würde auf dem Posten ausharren, würde auf jede Kugel mit einer Kugel, auf jedes Geschoss mit einem Geschoss antworten. Das ist außer Frage. Wir dürfen keinerlei Desorganisation der militärischen Kräfte der Revolution zulassen.“

Das Verhalten der Gruppe Muranow/Stalin/Kamenew provoziert einen Aufruhr in der Partei. Auf einem Treffen des russischen Büros des Zentralkomitees in Petrograd am 28. März (15. März) verlangt ein führender Bolschewik aus Moskau zu wissen, warum Kamenews Name überhaupt in der Zeitung auftauche. Auf diesem Treffen wird Kamenews Artikel per Abstimmung zurückgewiesen und die ganze Redaktion der Prawda abgelöst.

Am 31. März (18. März) gelingt es Kamenew, das Petersburger Komitee davon zu überzeugen, dass die Provisorische Regierung unterstützt werden müsse. Auch in den folgenden Tagen gehen die scharfen Auseinandersetzungen weiter. Bolschewiki von der Basis verlangen Kamenews Ausschluss aus der Partei und auch der aller anderen, die für den Artikel verantwortlich sind.

Petrograd, 29. März (16. März): Provisorische Regierung erkennt polnische Unabhängigkeit an

Besetzung Polens im Ersten Weltkrieg durch Deutschland, Österreich-Ungarn und das Zarenreich

Die Provisorische Regierung gibt eine Erklärung heraus, die das Recht Polens auf Unabhängigkeit vage anerkennt und sich für eine „freie“ Militärallianz eines „unabhängigen Polens“ mit einem „freien Russland“ ausspricht. Die Teilung Polens zwischen dem Deutschen Reich, dem österreichisch-ungarischen Kaiserreich und dem Zarenreich war eine Schlüsselkomponente der Ordnung, wie sie nach der französischen Revolution in Europa errichtet wurde.

Die marxistische Bewegung hatte die Forderung nach der Unabhängigkeit Polens schon 1847 auf ihre Fahnen geschrieben. 1905 hatte die Revolution im russischen Reich zwei besonders starke Hochburgen in Warschau und Lodz, wo Rosa Luxemburgs Sozialdemokratische Partei des Königreichs Polens einflussreich war. Wenn die Provisorische Regierung nun die Unabhängigkeit Polens anerkennt, kann sie sich auf die tiefverwurzelte Solidarität der russischen Massen stützen, die große Sympathie für die demokratischen Bestrebungen der lange unterdrückten polnischen Arbeiterbevölkerung hegen.

Allerdings sind die politischen Motive der Provisorischen Regierung nicht demokratischer Natur. Die Bestrebungen fast aller anderen unterdrückten Nationalitäten im Reich ignoriert sie. Die „polnische Frage“ hat sich jedoch im Ersten Weltkrieg zu einer Schlüsselfrage im Kampf um die Kontrolle der imperialistischen Mächte über Europa entwickelt.

Im Ersten Weltkrieg kämpfen die drei Besatzungsmächte Polens auf entgegengesetzten Seiten der Barrikaden. Das Land wird zu einem zentralen Schlachtfeld. In ganze Polen wird die sozioökonomische Infrastruktur zerstört, Millionen werden verwundet oder getötet, oder sie müssen ihre Heimat verlassen.

US-Präsident Woodrow Wilson beutet das Schicksal des polnischen Volkes aus und erlässt im Dezember 1915 sein Dekret über die Einführung eines „Hilfstags“ für die polnische Bevölkerung. 1916 wird die „Hilfskampagne für Polen“ für das US-Außenministerium zu einem wichtigen Thema. Um den Bemühungen der US-Regierung zuvorzukommen, beeilen sich Deutschland und Österreich-Ungarn, die „Unabhängigkeit Polens“ als erste anzuerkennen. In ihrem so genannten „Zwei-Kaiser-Manifest“ vom November 1916 erkennen sie „ein unabhängiges Königreich Polen“ an. Das Manifest gesteht auch die Schaffung einer polnischen Armee zu, die aber unter Aufsicht des deutschen Oberkommandos stehen muss.

Die Deklaration der Provisorischen Regierung zielt daher im Wesentlichen darauf ab, die Unterstützung der polnischen Eliten zu erlangen, die durch die Erklärungen der USA und Deutschlands gestärkt und ermutigt worden sind und die sich als Verbündete gegen die Zentralmächte verstehen. Sie erklären: „Der mit Russland in einer freien Union vereinte polnische Staat wird ein festes Bollwerk gegen den Druck sein, den die Zentralmächte gegen das Slawentum ausüben.“ Außerdem bleibt die offizielle „Unabhängigkeit“ Polens eine vage Aussicht. Die Entscheidung darüber wird einer Verfassungsgebenden Versammlung überlassen, die Russland erst noch einberufen muss.

Berlin, 29. März: Zentristische Gruppierung ersucht Regierung um Friedensinitiative

Rosa Luxemburg

Die zentristische Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft (SAG), eine von der rechten Führung ausgeschlossene SPD-Fraktion, bringt im Reichstag eine Resolution ein, die höchst respektvoll die Regierung Seiner Majestät, Kaiser Wilhelms II, um Friedensbemühungen „ersucht“. In ihrer Resolution „ersucht“ die SAG außerdem um die rasche Vorlage eines Gesetzentwurfs, nach dem in Zukunft Kriegserklärungen und Friedensverträge der Zustimmung des Reichstages bedürfen. Außerdem werden Gesetzentwürfe zur Realisierung verschiedener innenpolitischer Reformen erbeten.

Die pazifistischen Führer der SAG wie Karl Kautsky, Eduard Bernstein, Paul Dittmann, Hugo Haase und Georg Ledebour sind beunruhigt über die wachsende Radikalisierung der kriegsmüden Arbeitermassen zuhause und in den Schützengräben. Ihr „Aktionsprogramm“, wie sie die Reichstagsresolution nennen, soll dazu dienen, die Opposition gegen den Krieg in parlamentarische Bahnen zu lenken und eine revolutionäre Entwicklung zu verhindern.

Scharf polemisiert dagegen Rosa Luxemburg im „Spartakusbrief Nr. 5“ vom Mai 1917:

Die Arbeitsgemeinschaft reagierte auf die russische Revolution durch Aufstellung eines ganz neuen „Aktionsprogramms“, und darunter versteht sie – eine lange Liste furchtbar radikaler Anträge, die sie dem Reichstag präsentieren will. Was ist da nicht alles zu finden! Beinahe das ganze Parteiprogramm ist abgeschrieben und soll nun auf den Tisch des Hauses gelegt werden …

Das ist also in dieser Stunde das Wichtigste: Anträge an den Reichstag zu richten?! An diesen Reichstag der imperialistischen Mameluckengarde! (1) …

Und diese schwindsüchtige Theorie von … dem Ersatz der Revolution durch den parlamentarischen „Kampf“ wird den deutschen Arbeitern just in dem Moment gepredigt, wo die Friedensfrage wie die ganze Zukunft des internationalen Sozialismus davon abhängt, dass die deutsche Arbeiterklasse endlich die fatale Verblendung der offiziellen deutschen Sozialdemokratie, die ihr jahrzehntelang beigebracht wurde, los wird: das Dogma nämlich, dass in Deutschland alles, was anderswo auf revolutionärem Wege erreicht wird, „auf parlamentarischem Boden“, durch das Zungendreschen der Reichstagsabgeordneten, zu erlangen sei!

[Rosa Luxemburg, Zwei Osterbotschaften; in: Werke Bd. 4, Berlin 1983.
(1) Mamelucken waren im Mittelalter Kriegssklaven, die in den Armeen osmanischer Sultane dienten.]

Stockholm, 29. März: Schwedischer Ministerpräsident tritt zurück

1917, Unruhen in Stockholm

Der schwedische Ministerpräsident Hjalmar Hammerskjöld bietet seinen Rücktritt an. Das führt zum Kollaps seiner parteiunabhängigen konservativen Regierung, die dem König loyal diente und seit Februar 1914 im Amt war. Hammerskjöld verfolgte im Krieg eine Neutralitätspolitik und behielt auch die Handelsbeziehungen zu Deutschland bei. Dagegen wandten sich all jene, die seine Haltung als Deutschland-freundlich betrachteten, besonders nachdem er sich geweigert hatte, ein Handelsabkommen mit Großbritannien zu unterzeichnen, das Marcus Wallenberg, der Bruder von Außenminister Knut Wallenberg, ausgehandelt hatte.

Die Ablehnung des Handelsabkommens löst das Ende der Regierung aus. Die Lage ist von wachsenden sozialen Spannungen geprägt. Die Preise für Lebensmittel sind um zwanzig Prozent gestiegen, weil nicht genügend importiert wird. Die Arbeiter werden unruhig, und viele Arbeiter nennen die Hammarskjöld-Regierung eine „Hungerskjöld“-Regierung. Wenige Wochen nach Hammarskjölds Rücktritt brechen in mehreren Städten Hungeraufstände aus, und im Juni protestieren große Menschenmassen vor dem schwedischen Parlament gegen die Lebensmittelknappheit.

Kiel, 31. März: 26.000 streikende Werftarbeiter fordern Frieden

Deutsche U-Boote im Kieler Hafen am Vorabend des Ersten Weltkriegs (Februar 1914)

In Kiel legen an diesem Morgen 26.000 Werftarbeiter die Arbeit nieder und marschieren ins Stadtzentrum. Auf den Transparenten an der Spitze des Demonstrationszugs fordern sie den sofortigen Frieden. Das ist die erste große Streikdemonstration von Tausenden Arbeitern unter dieser politischen Forderung. Das Stellvertretende Generalkommando des dort stationierten IX. Armeekorps reagiert mit einer Mischung aus Sorge und Wut: „Der Wind hat den Unkrautsamen [aus Russland] herübergetragen, und er ist, dafür sprechen sichere Anzeichen, an vielen Stellen schon aufgegangen!“

Kopenhagen, 31. März: Dänemark übergibt Westindien an die USA

US-Propagandafilm über die Übergabe Westindiens an die USA

Die Vereinigten Staaten nehmen offiziell die dänischen Westindischen Inseln in Besitz und bezahlen dafür 25 Millionen Dollar in Goldmünzen (2017 entspräche das 1,4 Milliarden Dollar in Goldmünzen). Sie benennen sie in US Virgin Islands um. Der Vertrag über die Inseln St. Thomas, St. John und St. Croix wurde 1915–1916 zwischen den beiden Ländern geschlossen.

Die USA erwerben die Inseln, um den Panamakanal zu schützen und um außerdem zu verhindern, dass womöglich Deutschland sie kauft. Die für die Inseln gezahlte Summe ist relativ gering angesichts der riesigen Profite, die der US-Imperialismus als Waffenlieferant und Financier der Alliierten im Ersten Weltkrieg macht.

Außerdem diese Woche: Russische und deutsche Soldaten verbrüdern sich in den Schützengräben

Verbrüderung von deutschen und russischen Soldaten im Schützengraben, März 1917 [aus: Fritz Klein (Hrsg), „Deutschland im Ersten Weltkrieg“, Berlin 1968]

Was an der deutsch-russischen Front in diesen Märztagen passiert, als immer mehr Nachrichten von der Februarrevolution bis in die Schützengräben durchsickern, beschreibt der Rekrut Dominik Richert in seinen Erinnerungen:

Das ganze Bataillon stellte sich im Kreis um den Kommandeur: „Soldaten“, fing er an, „der Krieg auf dieser Front ist so viel als beendet. In Russland ist eine Revolution ausgebrochen. Der Zar ist abgesetzt. Die Garnison von Petersburg, 30.000 Mann, hat sich den Revolutionären angeschlossen.“ Wir horchten mit offenem Munde, dann konnten wir in unsere Quartiere gehen. Alle möglichen und unmöglichen Vermutungen wurden ausgetauscht … Fast alle freuten sich, dass das Schützengrabenleben nun bald ein Ende haben sollte.

[Angelika Tramitz und Bernd Ulrich (Hrsg.), „Beste Gelegenheit zum Sterben. Meine Erinnerungen aus dem Kriege 1914–1918“, München 1989]

Auf beiden Seiten der deutsch-russischen Front im Osten kommt es bis Ende März zur Auflösung von militärischer Disziplin und Ordnung. Einzelne Soldaten und ganze Bataillone sind entschlossen, dass der Krieg jetzt sofort ein Ende haben müsse. An mehreren Stellen kommt es in den Schützengräben zu Verbrüderungsszenen. Auf der russischen Seite setzt eine Welle von Desertationen ein.

Außerdem diese Woche: Wichtige Ausstellung von „Painter-Gravers of America“ in New York eröffnet

„Serbische Flüchtlinge“, Lithographie von Boardman Robinson

Die erste Jahresausstellung der Painter–Gravers of America [Maler–Graveure Amerikas] präsentiert Arbeiten so bekannter Künstler wie George Bellows, John Sloan, Childe Hassam, Edward Hopper, Albert Sterner, Jerome Myers, Anne Goldthwaite und Boardman Robinson.

In der Rezension der New York Times heißt es: „Ein Raum ist exklusiv den Lithographen gewidmet. Hier sieht man George Bellows in seiner Rolle als Gesellschaftskritiker. Jemand hat ihn mit Hogarth verglichen, und in seiner Passion für die Szenen des Großstadtlebens ähnelt er dem großen Londoner.“ Bellows hat dem sozialistischen Journal The Masses zahlreiche Zeichnungen und Drucke beigesteuert.

Ein Bild, das ins Auge fällt, ist die Lithographie „Serbische Flüchtlinge“ von dem gebürtigen Kanadier Robinson. Ebenfalls politisch engagiert, reiste Robinson 1915 mit dem Journalisten John Reed nach Osteuropa, um die Kriegsfolgen zu sehen. Die beiden arbeiteten zusammen an „Der Krieg in Osteuropa“ (1916). Wegen seiner Antikriegs-Haltung verlor Robinson seine Anstellung bei der New York Tribune. Als The Masses mithilfe des Spionagegesetzes unterdrückt worden war, arbeitete Robinson für The Liberator und The New Masses. Herausgeber war Max Eastman.

Außerdem diese Woche: Der afro-amerikanische Komponist und Musiker Scott Joplin stirbt im Alter von 49 Jahren

Der „Maple Leaf Rag“, gespielt von Joshua Rifkin

Der Ragtime-Komponist und Pianist Scott Joplin stirbt im Alter von nur 49 Jahren in New York City. Er litt an Dementia paralytica, einer Folge von Syphilis. Joplin war arm und zu Lebzeiten weitgehend unbekannt. Er hinterließ jedoch mehr als vierzig einmalige Ragtime-Kompositionen, ein Ballett und zwei Opern, von denen aber nur eine, mit dem Titel „Treemonisha“, erhalten geblieben ist.

Joplins Geburtsdatum, oft mit dem 24. November 1868 angegeben, ist nicht verbürgt. Der spätere Komponist wuchs im Nordwesten von Texas auf. Sein Vater, ein Landarbeiter und Folkmusiker, war als Sklave in North Carolina geboren worden. Seine Mutter, eine Hausangestellte, wurde in Kentucky als Freie geboren.

Von früher Jugend bis ans Ende seiner Teenager-Jahre wurde Joplin von dem deutschen Einwanderer und Musikprofessor Julius Weiss gefördert. Weiss gab dem jungen Joplin fünf Jahre lang kostenlos Klavierunterricht und lehrte ihn Musiktheorie. Die beiden blieben ein Leben lang befreundet.

Der stark synkopische Stil, den Joplin entwickelte, verlieh der amerikanischen Popmusik ihre besondere rhythmische Sensibilität. Er wurde zu einem wesentlichen Element von Jazz und Blues. In den 1970er Jahren erfuhr Joplins Werk ein starkes Revival, als der Pianist Joshua Rifkin 1970 das berühmte Album „Scott Joplin: Piano Rags“ herausbrachte.

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