Bombardier: IG Metall unterdrückt Kampf um Arbeitsplätze

Fast 1000 Beschäftigte des Zugherstellers Bombardier Transportation haben am vergangenen Donnerstag für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze demonstriert. Vor der Berliner Zentrale des Unternehmens am Schöneberger Ufer, in der an diesem Tag der Aufsichtsrat tagte, versammelten sich Delegationen aus allen deutschen Betrieben. Die meisten kamen aus Hennigsdorf und Görlitz, die am stärksten von den Rationalisierungsplänen betroffen sind. Mehrere Busse trafen von Mannheim, Braunschweig, Kassel, Siegen und Bautzen ein.

Demonstration am 30. März in Berlin

Während die Arbeiter vor allem in Görlitz und Hennigsdorf bereit sind, für ihre Arbeitsplätze auch Kampfmaßnahmen zu organisieren, zeigte sich in Berlin, dass die IG Metall jeden Arbeitskampf unterdrückt. Stattdessen verhandelt sie geheim über die Durchsetzung der Unternehmenspläne.

Bombardier plant eine radikale Umstrukturierung der deutschen Standorte, der etwa 2500 der 8500 Arbeitsplätze in Deutschland zum Opfer fallen sollen. Seit 2013 baut der kanadische Flugzeug- und Zughersteller weltweit 15.000 Stellen ab. Bei einer ersten Welle von Entlassungen waren im letzten Jahr 7000 Stellen im Konzern vernichtet worden. Aus Deutschland sollen umfangreiche Fertigungs- und Engineering-Aufgaben in Niedriglohnländer ausgelagert werden.

Seit Monaten hält der Vorstand des Unternehmens die Arbeiter in Ungewissheit über ihre Zukunft. So soll die Produktion von Serienfahrzeugen ganz aus Hennigsdorf verlagert und ins Werk Bautzen übertragen werden. Davon wären mehr als 800 Arbeiter betroffen.

Im Görlitzer Werk wird bereits seit Monaten die Fertigungstiefe systematisch abgebaut. Wo bisher Doppelstockzüge und Teile des neuen ICE 4 produziert wurden, einschließlich Engineering, Innenausbau, Stahl- und Aluminiumrohbau, käme die geplante Einschränkung auf die Produktion von Wagenkästen einer Galgenfrist bis zur völligen Schließung gleich. Die Konzentration auf die Fertigung von Wagenkästen geschah nicht „aus Gutmütigkeit oder Wertschätzung uns gegenüber“, wie der Betriebsrat in einem Brief an die Belegschaft ausführte, „sondern aus dem Zwang heraus, die aktuellen Projekte abarbeiten zu müssen“.

Nach Berichten der Sächsischen Zeitung soll Anfang März bereits ein möglicher Übernahmeinteressent im Werk Görlitz gewesen sein. Das deutet darauf hin, dass nicht nur eine Beschränkung der Fertigung auf den Bau von Wagenkästen geplant ist, sondern das gesamte Werk auf dem Spiel steht.

In mehreren großen Protestdemonstrationen hatten die Beschäftigten in Hennigsdorf und Görlitz seit über einem Jahr ihre Kampfbereitschaft bewiesen. Doch die IG Metall isoliert die Kämpfe und vertröstet die Arbeiter immer wieder auf Verhandlungen mit dem Unternehmensvorstand und dem Aufsichtsrat.

Im letzteren wird die Hälfte der Mitglieder vom Betriebsrat und der Gewerkschaft gestellt. Sie führen sich als Co-Manager auf, die durch „bessere Konzepte“ das Unternehmen auf Wettbewerbsfähigkeit trimmen wollen. Dabei stimmen sie grundsätzlich dem Vorstand zu, dass Wettbewerbsfähigkeit Rationalisierung erfordert oder, in den Worten der Gewerkschaft, „Prozesse geändert werden müssen“.

Was von der „Mitbestimmung“ im Aufsichtsrat zu halten ist, machte der Betriebsratsvorsitzende im Werk Bautzen, Gerd Kaczmarek, auf einer Demonstration in Görlitz am 4. März 2017 klar: „Natürlich gibt es strategische Entscheidungen des Managements, die wir kaum oder nur ganz wenig beeinflussen können.“

Der krasse Unterschied zwischen den Interessen der Beschäftigten und den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat wurde auch auf der Berliner Demonstration sichtbar. Als um 12 Uhr die Aufsichtsratsmitglieder den Demonstranten ein Zwischenergebnis mitteilen sollten, traten fünf geschniegelte Herren, allesamt Betriebsratsvorsitzende und IG Metallvertreter, aus der Zentrale auf die Straße, bestiegen das Podium und versuchten die Arbeiter von ihren guten Absichten zu überzeugen.

„Zu Mittätern des geplanten Deindustrialisierungs- und Massenentlassungskonzeptes der Geschäftsführung werden wir uns nicht machen lassen“, sagte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Michael Wobst, wohl wissend, dass genau dieser Vorwurf im Raum steht.

Dann erklärte der Betriebsratschef, der Druck durch die Demonstrationen habe bewirkt, dass ein neutraler, externer Berater das Unternehmenskonzept des Konzerns überprüfen könne. Mit anderen Worten, die Gewerkschaft und der Betriebsrat nutzen die Protestaktionen, um Berater anzuheuern, die die angekündigten Entlassungen begründen und rechtfertigen.

Wobst sagte nicht, ob der sogenannte „neutrale, externe Berater“ von McKinsey oder einem anderen berüchtigten Unternehmensberater kommt. Doch auch wenn es sich um einen akademischen Wirtschaftsfachmann handeln sollte, besteht seine Aufgabe darin, die Umstrukturierungsmaßnahmen an Hand marktwirtschaftlicher Notwendigkeiten und der Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit als unvermeidlich zu erklären.

Wobst erklärte weiter, Betriebsrat und Gewerkschaft wollten eigene Vorschläge ausarbeiten und Ende April dem Vorstand präsentieren. Letztlich wird jedoch die Unterschrift der Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat unter einem massiven Arbeitsplatzabbau stehen.

Diese Erklärungen zeigt das perfide Spiel von IG Metall und Betriebsrat. Im Januar 2017 hatten die Gewerkschaftsfunktionäre bei einer IG-Metall-Mitgliederversammlung in Görlitz erklärt, es werde zum Arbeitskampf kommen, falls das Unternehmen bis Ende März keine konkreten Zahlen vorlege. Sie bezeichneten dies als „rote Linie“. Dies hatten die Arbeiter vehement von den IG Metall Funktionären gefordert, die ursprünglich weitere Monate verstreichen lassen wollten.

Seitdem haben IG Metall und Betriebsrat mit der Unternehmensleitung geheime Verhandlungen geführt. Spätestens mit der Demonstration vor dem Aufsichtsrat in Berlin ist es kein Geheimnis mehr, worüber verhandelt wird. Betriebsratschef Wobst gab offen zu, dass sich der Betriebsrat nicht „gegen notwendige und sinnhafte Veränderungen in diesem Unternehmen“ stellen werde, „auch wenn sie hier und da schmerzhaft sein sollten.“ Man wolle sich für einen „sozialverträglichen“ Arbeitsplatzabbau ohne betriebsbedingte Kündigungen einsetzen, fügte er hinzu. Dafür brauche man „die starke Arbeiterfaust als zusätzliche Argumentationshilfe“.

Auch der IG Metall-Bevollmächtigte für Berlin, Brandenburg und Sachsen Olivier Höbel machte klar, dass die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat letztlich den Angriffen auf die Arbeiter zustimmen werden. „Es gibt Bereiche, wo die Mitbestimmung an Grenzen kommt. Es gibt keine wirtschaftliche Mitbestimmung“, belehrte er die Arbeiter. Aber man wolle gehört werden und an Alternativen zum Strukturplan mitwirken können.

Nach diesem Auftritt verschwanden die gewerkschaftlichen Spitzenfunktionäre wieder in der von Sicherheitskräften bewachten Unternehmenszentrale, um die Aufsichtsratssitzung fortzusetzen.

Laut Tagesspiegel stellte dort der externe Berater seinen Bericht vor, in dem er bestätigte, dass eine Neustrukturierung der Betriebe nötig sei. Nach dem Ende der Sitzung habe der Aufsichtsratschef Wolfgang Tölsner erklärt: „Ein ‚Weiter soʻ darf es angesichts deutlich verschärfter Wettbewerbsbedingungen nicht geben. Der vorliegende Statusbericht des unabhängigen Beraters und seine vorgeschlagene weitere Vorgehensweise bestätigen dieses und sind zielführend.“

Die Demonstration der Betriebsdelegationen vor dem Gebäude mit Trillerpfeifen und roten Luftballons lieferte nur die Geräuschkulisse für dieses abgekartete Spiel von Arbeiternehmer- und Arbeitgebervertretern im Aufsichtsrat.

Die Bombardier-Arbeiter haben es in ihrem Kampf um Arbeitsplätze mit zwei Gegnern zu tun, mit der Konzernleitung ebenso wie mit der Gewerkschaft. Sie können nur unabhängig von den alten Gewerkschaftsapparaten und in einem gemeinsamen internationalen Kampf aller Standorte ihre Arbeitsplätze und Lebensbedingungen verteidigen.

Auch in anderen Werken des Konzerns regt sich längst Widerstand. Nur drei Tage nach der Demonstration in Berlin protestierten mehrere Hundert Arbeiter vor dem Sitz von Bombardier im kanadischen Montreal, weil die Firma nach der Streichung von 15.000 Stellen weltweit jetzt entschieden hat, die Jahresgehälter der sechs Topmanager um 50 Prozent auf umgerechnet 30 Millionen Euro zu erhöhen.

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