Ägyptische Junta verhängt Ausnahmezustand nach Anschlägen auf Kopten

Der ägyptische Diktator Abdel Fattah al-Sisi verkündete am Sonntagabend in einer Fernsehansprache die Verhängung eines dreimonatigen Ausnahmezustandes. Unmittelbarer Anlass waren die Anschläge auf zwei koptische Kirchen am Palmsonntag, bei denen mindestens 40 Menschen getötet und über 120 verletzt wurden.

Der erste Anschlag fand am Sonntagmorgen während des Gottesdienstes in der St.-Georg-Kirche in Tanta im Nildelta statt. Berichten zufolge wurde die Explosion durch einen Sprengsatz ausgelöst, der unter einem Stuhl deponiert war. Bei dem Anschlag kamen mindestens 29 Menschen ums Leben und 70 wurden verletzt.

Kurze Zeit später versuchte sich ein Mann Zugang zur St.-Markus-Kathedrale in Alexandria zu verschaffen, wo der koptische Papst Tawadros II. die Messe las. Als der Attentäter von Sicherheitskräften daran gehindert wurde, sprengte er sich in die Luft und riss mindestens elf Menschen in den Tod. Viele weitere wurden schwer verletzt.

Am Sonntagnachmittag übernahm der ägyptische Ableger des Islamischen Staats (IS), Wilayat Sinai, die Verantwortung für die Attentate. Seine Kommandos hätten die Anschläge auf beide Kirchen durchgeführt, so das IS-Sprachrohr Amak. Außerdem drohte es mit weiteren Anschlägen gegen die christliche Minderheit in Ägypten.

Eine unabhängige Untersuchung zum Tathergang gibt es bislang nicht. Bei früheren Terroranschlägen auf Kopten in Ägypten gab es immer wieder Gerüchte über Verwicklungen des ägyptischen Geheimdiensts. So gilt der berüchtigte Innenminister des kurze Zeit später gestürzten Mubarak-Regimes, Habib al-Adli, als Drahtzieher des Anschlags auf die al-Qiddissine-Kirche in Alexandria am 1. Januar 2011.

Wer auch immer hinter den schrecklichen Anschlägen steckt, sie spielen den reaktionärsten Kräften in die Hände. General al-Sisi hatte die ägyptische Revolution buchstäblich im Blut ertränkt. Die Junta des in den USA ausgebildeten Generals hat, seit sie in einem Putsch die Macht übernahm, tausende Regimegegner eingekerkert, zum Tode verurteilt oder auf offener Straße erschießen lassen. Nun legt sie mit der Verhängung des Ausnahmezustands die Grundlage für ein noch viel massiveres Vorgehen gegen jegliche Opposition.

In seiner Fernsehansprache drohte al-Sisi: „Es müssen verschiedene Schritte unternommen werden. Der erste ist die Erklärung des staatlichen Ausnahmezustands in Ägypten für drei Monate, nachdem die nötigen rechtlichen und verfassungsrechtlichen Vorgänge abgeschlossen sind. Wir rufen diesen Ausnahmezustand aus, um unser Land zu beschützen und zu sichern und um mögliche Beeinträchtigungen zu verhindern.“ Außerdem ordnete der General die Mobilisierung des Militärs zur Unterstützung der Sicherheitskräfte an.

Am Montag stellte sich dann auch das ägyptische Parlament in einer Erklärung hinter den Ausnahmezustand. „Der Ausnahmezustand erlaubt der Armee und der Polizei die Durchführung von Maßnahmen, die für die Bekämpfung des Terrorismus, die Aufrechterhaltung der Sicherheit im gesamten Land und den Schutz des privaten und öffentlichen Eigentums [...] notwendig sind.“

Die landesweite Verhängung des Ausnahmezustand zeigt, welche konterrevolutionäre Entwicklung in Ägypten seit dem blutigen Militärputsch am 3. Juli 2013 gegen den islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi stattgefunden hat. Unter Hosni Mubarak, den die ägyptische Revolution am 11. Februar 2011 zu Fall brachte, war der Ausnahmezustand drei Jahrzehnte lang nahezu ununterbrochen in Kraft gewesen. Er bildete die Grundlage der vom Westen unterstützten Diktatur Mubaraks. Seine Aufhebung gehörte zu den wichtigsten Forderungen der Revoilution.

Nun ist, zwei Wochen nachdem der frühere Diktator offiziell frei gelassen wurde, auch dessen berüchtigter Ausnahmezustand wieder in Kraft. Dieser erlaubt unter anderem Festnahmen ohne Haftbefehl, Hausdurchsuchungen ohne richterliche Anordnung sowie nächtliche Ausgangssperren. Abhören und Ausspionieren werden deutlich erleichtert, Urteil von Sondergerichten können nicht angefochten werden und Medien dürfen zensiert und verboten werden.

Das Online-Magazin al-Monitor berichtet unter Berufung auf einen ägyptischen Parlamentsabgeordneten, der Ausnahmezustand ermögliche es der Polizei, „Verdächtige, die den Sicherheitsdiensten bekannt sind, bei denen aber die Verdachtsmomente nicht für eine Gerichtsverhandlung ausreichen“, bis zu 45 Tagen festzuhalten.

Mit den Maßnahmen, die offiziell als Bestandteil des „Kampfs gegen den Terror“ verkauft werden, reagiert die Junta vor allem auf die wachsende soziale Katastrophe, die jederzeit einen neuen revolutionären Aufstand der Arbeiter und verarmten Massen auslösen kann. Erst Anfang März gab es Proteste gegen die Entscheidung des Regimes, subventioniertes Brot zu rationieren. Im Februar streikten 3000 Textilarbeiter in Mahalla al-Kubra. Im Januar wurden 19 Öl-Arbeiter in Suez angeklagt, weil sie zu einem Streik aufgerufen hatten.

Unter diesen Bedingungen stärken die imperialistischen Regierungen ihrem Statthalter am Nil demonstrativ den Rücken. US-Präsident Donald Trump, der den ägyptischen Diktator erst vor einer Woche im Weißen Haus empfangen hatte, nutzte den Anschlag, um sich erneut demonstrativ hinter al-Sisi zu stellen. „Ich habe großes Vertrauen, dass der Präsident mit der Situation angemessen umgehen wird“, schrieb er auf Twitter. Und die amerikanische Botschaft erklärte: „Die Vereinigten Staaten stehen fest an der Seite der ägyptischen Regierung und Bevölkerung, um den Terrorismus zu besiegen.“

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