Erster Mai 2017

Der Kampf für den internationalen Sozialismus in Südasien

Wir veröffentlichen an dieser Stelle die Rede von Wije Dias, dem Generalsekretär der Socialist Equality Party in Sri Lanka, auf der internationalen Online-Maikundgebung der WSWS am 30. April.

In Südasien befinden sich die politischen, gesellschaftlichen und zwischenstaatlichen Beziehungen in einem dramatischen Umbruch. Grund sind zwei miteinander verbundene Prozesse.

Erstens wird die Region in den Strudel geopolitischer Spannungen hineingezogen, die durch die imperialistischen Kriegsvorbereitungen hervorgerufen werden.

Verantwortlich dafür ist im Wesentlichen der US-Imperialismus. Im Namen des verlogenen „Kriegs gegen den Terror“ ist er 2001 in Afghanistan eigefallen, um einen militärisch-strategischen Brückenkopf zu schaffen. Dieser soll ihm Zugang zu den reichen Ölreserven und den Staaten Zentralasiens verschaffen, die er als strategische Gegner betrachtet, nämlich Russland, China und Iran. Darüber hinaus bemühten sich Demokratische wie Republikanische Regierungen in Washington, Indien durch zahlreiche Begünstigungen in ihre strategische Offensive einzuspannen und gleichzeitig die reaktionären Großmachtambitionen der indischen Bourgeoisie anzustacheln.

Wije Dias zum Ersten Mai 2017

Zweitens nimmt der Klassenkampf immer schärfere Formen an. Die Behauptung, durch die so genannte Liberalisierung der Wirtschaft könnten die Massen in Südasien Armut und Not entkommen, hat sich als vollkommen hohl erwiesen. Zwar gibt es heute in Indien, dem viertgrößten Land der Welt, 101 Milliardäre, aber drei Viertel der Bevölkerung fristen eine kümmerliche Existenz von weniger als zwei Dollar pro Tag. Eine immer größere soziale Ungleichheit und die wirtschaftliche Unsicherheit nähren den wachsenden Arbeiterwiderstand. Im vergangenen September haben sich 150 Millionen indische Arbeiter an einem eintägigen Proteststreik beteiligt. In Sri Lanka will die Regierung, die mit einer Streikwelle und sozialen Protesten konfrontiert ist, offenbar den Kriegsverbrecher Feldmarschall Sarath Fonseka wieder als Armeechef einsetzen und ihn mit Sondervollmachten ausstatten, um – wie es die Politiker ausdrücken – „das Land zu disziplinieren“.

Die Wahl des Milliardärs Donald Trump zum US-Präsidenten ist keine einmalige Fehlentwicklung, sondern Ausdruck einer erzreaktionären Tendenz innerhalb der herrschenden Elite. Die Rücksichtslosigkeit, mit der Trump sich anschickt, die amerikanische Hegemonie über die ganze Welt zu errichten, hat überall, auch am Indischen Ozean, die geopolitischen Spannungen verschärft. Der ins Ostchinesische Meer entsandte US-Flottenverband hat es nicht nur auf Nordkorea abgesehen, sondern auch auf China, das unterjocht werden soll.

Diese strategische Wende des US-Imperialismus hat der Demokratische Präsident Barack Obama mit seinem „Pivot to Asia“ eingeleitet. Die amerikanische Offensive gegen China hat ganz Südasien und besonders Sri Lanka und Indien, die am Korridor des Indischen Ozeans zwischen Ostasien, Europa und dem Nahen Osten liegen, neue strategische Bedeutung verliehen.

Der Vorstoß der Obama-Regierung, Washingtons „globale strategische Allianz“ durch Indien aufzuwerten, gehört zu den politischen Schritten, die die Trump-Regierung jedenfalls fortsetzen möchte. Die indische Bourgeoisie hat diese Politik begeistert begrüßt. Sie hat sich 2014 an Narendra Modi und seine Hindu-chauvinistische Partei BJP gewandt, um die arbeiterfeindlichen Marktreformen zu beschleunigen und ihre Großmachtambitionen aggressiver in der Weltarena voranzubringen.

Indien ist heute für die USA die wichtigste Polizeimacht in der Region. Dies zeigte sich, als Obama im August 2015 als Ehrengast am indischen Tag der Republik teilnahm. Er lobte öffentlich die entscheidende Rolle, die Modi für die Regime-Change-Operation zu Beginn jenes Jahres in Sri Lanka gespielt hatte. Dabei wurde Präsident Mahinda Rajapakse, der engere Beziehungen zu Peking anstrebte, durch die Regierung von Maithripala Sirisena ersetzt, der die traditionell pro-amerikanische United National Party hinter sich hat.

In den letzten zwei Jahren haben die indisch-amerikanischen Beziehungen eine qualitative Veränderung durchgemacht. In den Kriegsvorbereitungen gegen China hat sich Indien zum veritablen „Frontstaat“ entwickelt. Im vergangenen August öffnete Indien den amerikanischen Flugzeugen und Kriegsschiffen seine Luftstützpunkte und Häfen, und im Februar wurde bekannt, dass die Schiffe der 7. US-Flotte, der wichtigsten Armada für die amerikanischen Kriegspläne gegen China, auf einer indischen Werft gewartet werden sollen. Seitdem die US-Regierung Indien zum wichtigen Verteidigungspartner bestimmt hat, hat Indien auch Zugang zu amerikanischen Waffensystemen erhalten und ist darin mit den verlässlichsten Partnern des US-Imperialismus gleichgestellt. Auch mit den wichtigsten asiatischen Verbündeten Washingtons, mit Japan und Australien, hat Indien seine bilateralen und trilateralen strategischen Beziehungen gestärkt. Die gemeinsamen Militärmanöver, die mit diesen Beziehungen einhergehen, werden ständig erweitert und beziehen auch Sri Lanka mit ein, wie vor kurzem das Marine-Großmanöver „Malabar“.

China und Indiens Erzrivale Pakistan reagieren auf die „strategischen Gefälligkeiten“ des US-Imperialismus für Neu Delhi, indem sie ihre eigenen langjährigen strategischen Verbindungen festigen.

Pakistans bürgerliche Elite dient dem US-Imperialismus schon seit Jahrzehnten als Statthalter in der Region. Sie wünschen sich nichts sehnlicher, als dass es dabei bleibt. Aber wie Islamabad schon mehrfach warnte, bringt die Hinwendung der USA zu Indien die Machtbalance in Südasien aus dem Gleichgewicht und stachelt die Kriegslust Indiens an.

Die außerordentlichen Gefahren, die aus dieser Entwicklung entstehen, haben sich Ende letzten Jahres deutlich gezeigt, als Indien und Pakistan, beides nuklear bewaffnete Länder, sich auf den Abgrund eines Kriegs zubewegten. Indien führte mit stillschweigender Billigung der USA „chirurgische Schläge“ innerhalb Pakistans aus und verkündete danach öffentlich, die Ära der „strategischen Zurückhaltung“ Indiens gegenüber Pakistan sei vorüber. Die Grenzzusammenstöße häuften sich, und Südasien stand wochenlang am Rande eines Kriegs.

US-Strategen sehen in Indien und Sri Lanka einen Dreh- und Angelpunkt für die amerikanische Herrschaft über den ganzen indischen Ozean und die asiatische Landmasse. Immerhin befand sich in Kandy im Zentralgebirge Sri Lankas während des Zweiten Weltkriegs das Hauptquartier der britischen imperialistischen Kriegsmaschine für die gesamte indopazifische Region. Der US-Imperialismus versucht gewissermaßen, die britische Kolonialstrategie wiederaufleben zu lassen. Diese nutzte die britisch-indische Armee nicht nur, um die Massen des kolonialen Indiens zu unterjochen, sondern auch, um Burma zu erobern, den Boxeraufstand zu unterdrücken und in zwei Weltkriegen auf der ganzen Welt Krieg zu führen.

Hinter Trumps bombastischer „America-First“-Politik steckt eine Politik der sozialen Konterrevolution, die darauf abzielt, die amerikanische Arbeiterklasse auf das Armutsniveau der historisch unterdrückten Länder zu drücken. Die fügsamen bürgerlichen Regierungen in Südasien verschlechtern – wie überall auf der Welt – die Lebensbedingungen ihrer eigenen Arbeiter immer weiter. Parallel zu diesen sozialen Angriffen, die unter dem Deckmantel von nationalem und rassistischem Chauvinismus betrieben werden, stehen auch die hart erkämpften demokratischen Rechte der Arbeiterklasse unter Beschuss.

In Sri Lanka sind die Vorbereitungen auf die Errichtung einer Militär- und Polizeidiktatur weit fortgeschritten. Dieselbe Armee, die dreißig Jahre lang einen brutalen Krieg gegen die tamilische Minderheit geführt hat, wird mit neuen Rekruten vergrößert und mit barbarischem Kriegsgerät ausgestattet. Gleichzeitig wird die Verfassung geändert, um eine autoritäre Herrschaft zu errichten, die die jedes früheren Regimes weit übertrifft.

In Indien werden die Arbeiter von Maruti Suzuki, die den Kampf gegen Ausbeuterbedingungen aufgenommen haben, rücksichtslos verfolgt. Ihre Führer sind auf der Grundlage einer Justizverschwörung lebenslänglich eingekerkert worden. In Kaschmir werden die Proteste gegen die indische Herrschaft mit brutaler Unterdrückung und Kriegsdrohungen gegen Pakistan beantwortet.

In jedem Land der Region werden die repressiven Gesetze verschärft und der Staatsapparat weiter ausgebaut. Gleichzeitig schwillt eine neue Welle von Arbeiterkämpfen an, und massenhafte Proteste von Landarbeitern breiten sich aus.

Das Haupthindernis für die revolutionäre Mobilisierung der Arbeiterklasse in Südasien wie auf der ganzen Welt sind die angeblich linken Parteien, die pro-kapitalistischen Gewerkschaften und ihre pseudolinken Verbündeten. Die stalinistischen Parteien in Indien reagieren auf die Hinwendung der Bourgeoisie zu Modi und auf die Verschärfung des Klassenkampfs mit dem verstärkten Bemühen, die Arbeiterklasse an das indische Establishment und an den Staat zu ketten. In Sri Lanka hat die Führung der NSSP Sirisenas Machtantritt als „demokratische Revolution“ begrüßt, obwohl es sich um eine von den USA angezettelte Regime-Change-Operation handelte. Heute unterstützen sie öffentlich die Einführung von Sparmaßnahmen durch die Regierung, die der IWF diktiert.

Kein einziges demokratisches oder soziales Problem, das vor den Arbeitern steht oder mit dem die arbeitende Bevölkerung oder die Jugend Südasiens konfrontiert sind, kann ohne den Aufbau neuer Arbeitermassenparteien gelöst werden. Diese Probleme reichen von der imperialistischen Kriegsgefahr und der Massenarbeitslosigkeit über die anhaltende Kastenunterdrückung bis hin zum Nationalstaatensystem, das sich auf Kommunalismus stützt. Die neuen Parteien müssen sich auf die trotzkistische Theorie der Permanenten Revolution stützen, und sie müssen als Sektionen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale aufgebaut werden.

Die Arbeiter Südasiens müssen ihre politische Unabhängigkeit gegen sämtliche stalinistischen und pseudolinken Kräfte behaupten, die sie an eine „progressive“ Bourgeoisie ketten wollen, die es gar nicht gibt. Die Arbeiter müssen alle Ausgebeuteten hinter sich versammeln und die Führung im Kampf gegen den Kapitalismus übernehmen. Sie müssen ihre Kräfte mit denen der Arbeiter in den USA, in China und auf der ganzen Welt zusammenschließen, um den imperialistischen Krieg und das verhängnisvolle kapitalistische System zu besiegen.

Wir rufen alle unsere Zuhörer und Leser der World Socialist Web Site auf, sich diesem Kampf anzuschließen.

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