Trump in Europa: Nato plant massive Erhöhung der Verteidigungsausgaben

Im Rahmen seiner ersten Auslandsreise als US-Präsident wird Donald Trump am heutigen Nato-Treffen in Brüssel teilnehmen. Zuvor trifft er am Vormittag EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk. Bereits am Mittwoch war er von Papst Franziskus zu einer 20-minütigen Privataudienz im Vatikan empfangen worden. Am Wochenende wird Trump dann zum G7-Gipfel auf Sizilien erwartet.

Trumps Reise findet unter Bedingungen einer tiefen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Krise statt, auf die die herrschende Klasse auf beiden Seiten des Atlantiks mit einer scharfen Rechtswende reagiert. Während der ultrarechte Milliardär in den USA die Sozialausgaben zusammenstreicht, das US-Militär massiv aufrüstet und demokratische Rechte mit Füßen tritt, versuchen es ihm die Europäischen Regierungschefs gleichzutun.

In Frankreich teilte der Elyséepalast am Mittwoch nach einem Treffen des Sicherheitskabinetts mit, dass der Ausnahmezustand auch unter dem neuen Präsidenten Emmanuel Macron bis November verlängert wird. In Großbritannien sind nach dem Terroranschlag in Manchester die ersten Militäreinheiten zur Verstärkung der Polizei mobilisiert worden. Und in Deutschland bereiten die etablierten Parteien einen Law-and-Order-Wahlkampf vor, in dessen Mittelpunkt Staatsaufrüstung und Militarismus stehen.

Im Mittelpunkt des Nato-Treffens steht die Umsetzung eines Beschlusses aus dem Jahr 2014. Damals hatten die Nato-Staaten auf dem Gipfel in Wales vereinbart, sich bei den Militärausgaben „innerhalb von zehn Jahren auf den Richtwert von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zuzubewegen“.

Vor allem auf Druck der US-Regierung soll diese massive Erhöhung der Verteidigungsausgaben nun konkret festgeschrieben werden. Einem Bericht der Süddeutschen Zeitung (SZ) zufolge ist ein Papier vorbereitet worden, das jährliche Fortschrittsberichte vorschreibt. In diesen Berichten müssten die Mitgliedsstaaten jeweils zum Jahresende darlegen, wie sie sich im folgenden Jahr den vereinbarten Nato-Zielvorgaben annähern wollen. Zusätzlich soll es in den Berichten auch „um die drei C: Cash, Capabilities, Contributions“ gehen – „also darum, wie viel Geld in Verteidigung fließt, über welche Fähigkeiten das jeweilige Militär verfügt und was es zu Missionen und Aufgaben der Nato beiträgt“.

Die zweite große Forderung der USA, die zu heftigen Konflikten auf dem Gipfel führen könnte, ist laut SZ der Beitrag der Nato zum Anti-Terror-Kampf. Die USA wollen, dass das Militärbündnis offiziell der Koalition gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) beitritt. Zwar sind bereits alle Nato-Mitglieder Teil der Koalition, Paris und Berlin lehnten es bisher jedoch ab, dass sich das Bündnis als Ganzes offiziell am Kriegseinsatz beteiligt.

Vor einigen Monaten hatte Trump die Nato noch als „obsolet“ bezeichnet und von Deutschland gefordert, die USA „besser für ihre mächtige und kostspielige Verteidigung“ zu bezahlen. Nun will er, dass die Europäer aufrüsten und sich noch stärker als bisher an den US-geführten Kriegen im Nahen und Mittleren Osten beteiligen. Gleichzeitig will er verhindern, dass sie unabhängige Militärstrukturen aufbauen, um ihre eigenen geostrategischen und wirtschaftlichen Interessen auch gegen die USA durchzusetzen.

Vor allem Deutschland arbeitet systematisch an diesem Ziel. In einem Kommentar mit dem Titel „Wir haben verstanden“ versprach die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bereits Anfang Februar die Aufstockung des deutschen Militärhaushalts. Gleichzeitig verfolgt Berlin die Strategie, mit einer Europäischen Armee das politische und militärische Gewicht Deutschlands und Europas international zu vergrößern.

Konkret will das deutsche Verteidigungsministerium die Bundeswehr als sogenannte „Ankerarmee“ für europäische Nato-Staaten etablieren, diese hochrüsten und schrittweise den Kommandostrukturen der Bundeswehr unterstellen. Man müsse „wieder in größeren Verbänden“ denken, so von der Leyen.

Seit der Wahl des stark auf Brüssel und Berlin orientierten neuen französischen Präsidenten werden die Pläne für die Schaffung einer gemeinsamen europäischen Verteidigungspolitik zügig vorangetrieben. Auf dem Treffen der EU-Innen- und Verteidigungsminister am vergangenen Donnerstag in Brüssel beschlossen die EU-Staaten den Aufbau einer gemeinsamen Kommandozentrale für zivile und militärische Einsätze. Durch sie sollen zunächst die EU-Ausbildungsmissionen in Mali, Somalia und Südafrika gesteuert werden.

Laut der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini habe einigte man sich auch auf einen Rahmen für die sogenannte „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ (SZZ) und beseitigte „finanzielle Hürden für den Einsatz der EU Battlegroups“. Außerdem planen 19 EU-Staaten – darunter Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien – einen gemeinsamen Rüstungsfond ab dem nächsten Jahr.

Mogherini beklagte in diesem Zusammenhang, dass die EU zwar etwa halb so viel in die Verteidigung investiere wie die USA, aber damit nur 15 Prozent von deren „Fähigkeiten“ und industrieller Produktion erreiche. Zugleich verwies sie auf das „große Potential“ der EU, die selbst nach dem Ausscheiden Großbritanniens „noch über den zweithöchsten Militärhaushalt weltweit“ verfüge.

Vor allem zwischen den USA und Deutschland könnte es beim Nato-Treffen erneut zu einem heftigen Schlagabtausch kommen. Bezeichnenderweise kritisierte der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel (SPD), der bereits beim letzten Treffen der Nato-Außenminister mit seinem US-amerikanischen Amtskollegen Rex Tillerson aneinandergeraten war, erneut das Ziel, die Rüstungsausgaben bis zum Jahr 2024 auf zwei Prozent des BIP anzuheben. Man werde „keinen Frieden nur durch Militärausgaben hinbekommen“ und „auf gar keinen Fall dazu kommen, die Militärausgaben in Deutschland zu verdoppeln“. Er „wüsste auch gar nicht, wofür wir das Geld ausgeben sollten“.

Gabriels Aussagen haben nichts mit Pazifismus zu tun. Der Außenminister ließ keinen Zweifel daran, dass er die massive Aufrüstung der Bundeswehr unterstützt, auf die sich sein Vorgänger Frank-Walter Steinmeier (SPD) auf dem Nato-Gipfel 2014 in Wales verpflichtet hatte. Die Bundeswehr werde besser ausgestattet, das sei auch dringend nötig, erklärte Gabriel. Aber die Ankündigung der USA, höhere Militärausgaben durch niedrigere Ausgaben für Entwicklungshilfe auszugeben, sei „mit Sicherheit der falsche Weg“.

Die Botschaft der SPD ist klar: Deutschland rüstet auf und bereitet eine Ausweitung seiner Interventionspolitik vor, allerdings um im Konflikt mit den anderen Großmächten die eigenen imperialistischen Interessen durchzusetzen.

So warnte der sozialdemokratische Kanzlerkandidat Martin Schulz angesichts des jüngst von Trump eingefädelten milliardenschweren Waffendeals zwischen den USA und Saudi-Arabien vor einem riskanten Rüstungswettlauf im Mittleren Osten. „Wenn es etwas am Persischen Golf im Übermaß gibt, dann Waffen. Wir brauchen stattdessen eine neue Sicherheitsarchitektur“, sagte der SPD-Chef vor dem Nato-Treffen der Deutschen Presse-Agentur. Europa müsse sich stärker „in die Großmachtpolitik Russlands und der USA“ in der Region einbringen.

Wie groß die Spannungen innerhalb der Nato sind, verdeutlicht auch der Konflikt zwischen Deutschland und der Türkei. Seit Ankara deutschen Bundestagsabgeordneten einen Besuch bei den in Incirlik stationierten rund 260 Bundeswehrsoldaten untersagt hat, droht Berlin diese nach Jordanien zu verlegen. Die türkische Regierung begründet ihr Vorgehen damit, dass Deutschland türkischen Offizieren Asyl gewähre, die am gescheiterten Putsch im Juli 2016 beteiligt gewesen sein sollen.

Bereits bei seinem Besuch in Washington in der vergangenen Woche hatte Gabriel damit gedroht, dass Deutschland nicht nur die in Incirlik stationierten „Tornado“-Aufklärungsflugzeuge abziehen werde, sondern auch die deutsche Besatzung der „Awacs“-Aufklärungsflieger der Nato im türkischen Konya. Für ihn sei der Konflikt weit „mehr als ein bilaterales Problem“. Den Amerikanern sei „klar, welche schwerwiegenden Konsequenzen es auch für den Kampf gegen den IS hätte, wenn die deutsche Bundeswehr dort abgezogen werden müsste“.

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