Wahl in Albanien: Regierungschef Rama gewinnt absolute Mehrheit

Die Sozialistische Partei (PS) von Regierungschef Edi Rama hat am Sonntag mit rund 48 Prozent der Stimmen die Parlamentswahl in Albanien gewonnen. Sie siegte in zehn von zwölf Wahlkreisen, verfügt über 74 der 140 Sitze im neuen Parlament und kann künftig alleine regieren.

Ihr bisheriger Koalitionspartner, die Sozialistische Bewegung für Integration (LSI), erzielte nur 19 Prozent. Die oppositionellen Demokraten (PD) von Lulzim Basha erlitten eine herbe Niederlage, nachdem ein Kopf-an-Kopf-Rennen vorausgesagt worden war. Sie erhielten nur 29 Prozent der Stimme und 43 Sitze im Parlament. Die Wahlbeteiligung sank gegenüber der letzten Wahl von 53,5 auf 46,6 Prozent.

Der Wahl waren monatelange Auseinandersetzungen vorausgegangen, die in Brüssel und Washington mit großer Sorge verfolgt wurden, da sie die gesamte Balkanregion zu destabilisieren drohten. Seit Februar forderten die oppositionellen Demokraten den Rücktritt der Regierung Rama und die Einsetzung eines parteiübergreifenden „Expertenkabinetts“. Im Mai kam es dann zu massiven Protesten gegen die Regierung von Anhängern der PD, die mit dem Boykott der Parlamentswahl drohte.

Sowohl US-Vizeaußenminister Hoyt Brain Yee als auch der Europaabgeordnete David Mc Allister (CDU) reisten nach Tirana, um die zerstrittenen Parteien in mehreren Krisengesprächen zu einem Kompromiss zu bewegen.

Auch innerhalb der albanischen Parteien kam es zu Konflikten. Ein Flügel der Demokraten lehnte den weiteren Boykott des Parlaments und einen Wahlboykott ab. In der Sozialistischen Partei setzte sich Rama gegen einen kompromissbereiten Flügel mit der Haltung durch, die Wahl auch dann durchzuführen, wenn die Demokraten sie boykottieren.

Erst unter massivem Druck aus Washington und Brüssel willigte die Regierung schließlich ein, bis zur Wahl Mitglieder der Opposition in die Regierung einzubinden, ein PD-Mitglied zum Vize-Regierungschef zu ernennen und so den Boykott der Wahl zu verhindern.

PS und PD werfen sich gegenseitig vor, für die ausufernde Korruption und Kriminalität im Land verantwortlich zu sein. Rama war zuletzt von EU-Vertretern heftig kritisiert worden, weil er die nationalistische Karte gezogen und gedroht hatte, bei fehlender EU-Beitrittsperspektive eine „kleine Union“ mit dem Kosovo zu bilden. Das würde zu heftigen Konflikten und möglicherweise einem Krieg mit Serbien führen, das selbst Anspruch auf den Kosovo erhebt und dessen Unabhängigkeit nie anerkannt hat.

Obgleich Sozialisten und Demokraten unterschiedliche Wurzeln haben, unterschied sich ihr Wahlprogramm kaum. Vertreter beider Parteien wiederholten gebetsmühlenartig das Versprechen von Steuersenkungen, Förderung der Wirtschaft, Kampf gegen die Korruption und die Cannabis-Produktion. Beide erklärten auch, die politische Ausrichtung Albaniens Richtung EU und Westen habe oberste Priorität. Die deutsche CDU Angela Merkels hatte das Wahlkonzept der PD ausgearbeitet.

Ramas deutlicher Wahlsieg begründet sich zum Großteil in der Schwäche der PD. Der unabhängige Analyst Alexander Cipa erklärte, Rama habe vor allem von dem „signifikanten Versagen der rechten Opposition, sogar in deren traditionellen Hochburgen“, profitiert, was auf die „Schwäche“ von Oppositionsführer Basha zurückzuführen sei. Basha, der als Bewunderer von US-Präsident Donald Trump gilt, war es nie gelungen, aus dem Schatten des ehemaligen Präsidenten und Premiers Sali Berisha zu treten, dem Idol der politischen Rechten in Albanien.

Keine der Parteien machte die verheerende soziale Lage in Albanien zum Wahlthema. Das Land zählt zu den ärmsten Europas. Die Jugendarbeitslosigkeit ist mit rund 30 Prozent fast doppelt so hoch wie im europäischen Durchschnitt. Knapp die Hälfte der Einwohner lebt nach Weltbank-Angaben an der Armutsgrenze. Etwa eine Million Albaner, rund 40 Prozent der Bevölkerung, arbeiten im Ausland, vor allem in Griechenland und Italien.

Eine kürzlich erschienene Gallup-Umfrage bestätigte, dass 56 Prozent der noch im Land lebenden Albaner gerne auswandern würden, um eine bessere Perspektive zu haben. Wie in anderen Balkanländern auch lag bei der Parlamentswahl die Zahl der Stimmberechtigten über der Einwohnerzahl. Die staatliche Wahlkommission gibt die Wählerzahl mit knapp 3,5 Millionen an. Tatsächlich leben aber nur noch 2,9 Millionen Menschen im Land.

Die Website Balkaninsight zitierte eine weit verbreitete Meinung über die herrschende Schicht des Landes: „Sie kümmern sich nicht um uns und unsere Sorgen, deshalb halte ich es für zwecklos, darüber zu reden, was sie meiner Meinung nach tun sollten.“

Obwohl Ramas Partei über eine absolute Mehrheit verfügt, bot er unmittelbar nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses der PD die weitere Zusammenarbeit in der Regierung an. Ob eine solche faktische große Koalition tatsächlich dauerhaft Bestand hat, darf aber bezweifelt werden. Die Politik der neuen Regierung wird zwangsläufig zu heftigen Spannungen und Konflikten mit der Bevölkerung führen. Der Kurs in Richtung EU, den sowohl die PS als auch die PD einschlagen wollen, beinhaltet massive Angriffe auf breite Schichten der verarmten Bevölkerung.

Neben der Justizreform verlangt die EU auch die weitere Reduzierung der öffentlichen Verschuldung sowie Reformen im Bildungssystem. PS und PD hatten bereits bei der Regierungsumbildung im Mai beschlossen, dass öffentliche Bedienstete wie Lehrer, Krankenschwestern und Angestellte der öffentlichen Verwaltung politisch nicht aktiv sein dürfen. Dafür wurde eine „Taskforce“ ins Leben gerufen, die die Aktivitäten dieser Angestellten überwacht, einschließlich ihres Verhaltens in sozialen Netzwerken.

Dieser Angriff auf ein demokratisches Grundrecht wurde damit begründet, dass Parteien staatliche Angestellte nicht für ihre Zwecke nutzen sollten. Tatsächlich haben sich die herrschenden Kreise darauf verständigt, das Recht auf politische Meinungsäußerung zu verbieten, um ihr rechtes Programm im Interesse der EU durchzusetzen.

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