Zweite Wahlveranstaltung der IYSSE an der HU

„Die rechte Gefahr kann nur mit einer sozialistischen Perspektive bekämpft werden“

„Der Aufstieg der AfD und die Lehren der 1930er Jahre“ – darüber diskutierten am Mittwochabend an der Berliner Humboldt-Universität (HU) mehr als 80 Studierende und Arbeiter bei einer Veranstaltung der IYSSE. Die trotzkistische Hochschulgruppe führt derzeit einen intensiven Wahlkampf zum Studierendenparlament der HU, das am Dienstag und Mittwoch neu gewählt wird.

Schon im Vorfeld war die Veranstaltung auf großes Interesse gestoßen. Obwohl die Vorlesungen an der HU nach dem Jahreswechsel erst am Montag wieder begonnen hatten und die IYSSE die Veranstaltung nur über drei Tage bewerben konnte, war der Raum voll besetzt. Die anwesenden Studierenden waren über die Rückkehr des Rechtsextremismus schockiert und wollten diskutieren, auf welcher Grundlage der Kampf gegen die AfD geführt werden kann, die nun zum ersten Mal im Bundestag sitzt.

Ein Ausschnitt der Veranstaltung an der Humboldt-Universität

Sven Wurm, Sprecher der IYSSE-Hochschulgruppe und Kandidat zur StuPa-Wahl, betonte gleich zu beginn seines Vortrags, dass die AfD nicht einfach vom Himmel gefallen sei. Tatsächlich rekrutiere sich ihr Spitzenpersonal zu weiten Teilen aus den anderen Bundestagsparteien, aus der Justiz, der Polizei und der Bundeswehr, aus Banken und Konzernen. Die herrschende Klasse habe die AfD bewusst aufgebaut und nutze jetzt deren rechtsextreme Forderungen als Vorwand, um insgesamt weiter nach rechts zu rücken.

Wurm belegte die Rechtswende aller Parteien detailliert mit Zitaten und zeigte dann den Zusammenhang der Rückkehr von Faschismus, Diktatur und Krieg mit der historischen Krise des Kapitalismus auf. Hier läge die erste und wichtigste Parallele zu den 30 er Jahren, so Wurm. Auch die NSDAP sei gezielt aufgebaut und schließlich sogar in die Regierung geholt worden, um angesichts der extremen sozialen Ungleichheit gegen die Arbeiterklasse vorzugehen.

Schon lange bevor Hitler im Januar 1933 von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt worden war, hatte die herrschende Klasse zunehmend autoritär regiert. Brünings Notverordnungen und die Absetzung der preußischen SPD-Regierung im Juli 1932 führte Wurm als eindeutige Belege für diese Entwicklung an und bezog sich dabei auch auf die bekannten Hitler-Biographien von Ian Kershaw und Peter Longerich. Auch auf die Förderung der Nazis durch die Industrie ging Wurm ausführlich ein.

Die einzige Möglichkeit, die Nazis zu stoppen, sei deshalb eine Bewegung der Arbeiterklasse gewesen, deren Parteien bei den letzten freien Wahlen im November 1932 deutlich mehr Stimmen als die NSDAP erhielten, erklärte Wurm. Dass Hitler dennoch an die Macht kommen konnte, sei das Ergebnis der verräterischen Politik der Führung von SPD und KPD gewesen, die die Arbeiter ans Messer lieferte. Nur Leo Trotzki und seine Anhänger hätten für die Perspektive einer Einheitsfront von KPD und SPD und für eine revolutionäre Bewegung der Arbeiterklasse gekämpft.

Heute gebe es keine Parteien wie die damalige SPD oder die KPD, die beide noch große Teile der Arbeiter geführt hatten, betonte Wurm. Pseudolinke Parteien wir Syriza in Griechenland oder die Linkspartei in Deutschland seien rechte, bürgerliche Parteien, die mit ihrer Politik der Sozialkürzungen den Rechten noch den Weg bahnten und sogar mit ihnen koalierten. „Aber gerade deshalb ist heute eine unabhängige, sozialistische Perspektive für die Arbeiterklasse die einzige Grundlage, dem Rechtsruck entgegenzutreten.“

Es komme jetzt darauf an, die IYSSE als sozialistische Jugendorganisation der Vierten Internationale aufzubauen. „Nur wenn der Kapitalismus gestürzt und durch eine sozialistische, demokratische Gesellschaft ersetzt wird, kann Krieg, Diktatur und Faschismus verhindert werden“, so Wurm.

Der Vortrag stieß auf großes Interesse und führte zu einer lebhaften Diskussion, in der es um fast ein Dutzend unterschiedliche Themen ging. Im Zentrum stand immer wieder die Frage, wie die rechte Gefahr bekämpft werden kann und welche Lehren aus der Geschichte gezogen werden müssen.

Selbst nach dem offiziellen Ende der Veranstaltung diskutierten viele noch in den Fluren weiter, vereinbarten persönliche Gesprächstreffen mit den IYSSE-Kandidaten oder deckten sich mit Infomaterial ein. Andere nahmen Flyer und Plakate für die Abschlussveranstaltung der IYSSE am kommenden Montag mit oder begannen gleich mit dem Aufhängen von Postern.

Die Veranstaltung am Montag wird im 200. Geburtsjahr von Karl Marx die Aktualität der marxistischen Perspektive diskutieren. Alle Interessierten – auch solche, die nicht an der HU studieren oder wählen dürfen – sind herzlich dazu eingeladen.

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