Perspektive

Ramaphosas Amtsübernahme und der Niedergang des ANC

Am Freitag übernahm Cyril Ramaphosa offiziell das Amt des Präsidenten der Republik Südafrika. Er ist der Wunschkandidat des African National Congress (ANC) und genießt die begeisterte Unterstützung der imperialistischen Großmächte und internationalen Konzerne .

Dass er das höchste Amt im Staat antritt, verdeutlicht nicht nur, wie politisch bankrott die Perspektive des bürgerlichen Nationalismus ist. Es zeigt sich darin auch, dass sich die alten nationalistischen Bewegungen, die sich einst antiimperialistische und sogar sozialistische Ziele auf die Fahnen geschrieben hatten, in direkte Instrumente der imperialistischen Herrschaft verwandelt haben. Zudem können die Arbeiter aller Länder in Ramaphosa ein besonders übles Beispiel sehen, wie Gewerkschaftsbürokraten überall als treue Diener des Staates und der Unternehmen agieren.

In den Augen der internationalen Bourgeoisie zeichnet sich Ramaphosa durch zwei Eigenschaften aus: Er ist sagenhaft reich und hat diesen Reichtum erworben durch seine Bereitschaft, rücksichtslos gegen die Arbeiterklasse vorzugehen, deren Kämpfe den ANC vor vierundzwanzig Jahren erstmals an die Macht brachten.

In seiner Ansprache an die Nation am Freitag kündigte Ramaphosa an, er werde den „langen Weg zur Freiheit“ fortsetzen, in der „alle am Reichtum unseres Landes teilhaben und ein besseres Leben führen können“, und Nelson Mandelas „Vision einer demokratischen, gerechten und gleichen Gesellschaft“ wahr machen. Ramaphosas verspricht zwar, die Ära der Korruption und der „Vereinnahmung des Staates durch die milliardenschwere Familie Gupta“ zu beenden, welche die Herrschaft von Jacob Zuma prägte. Doch er stützt sich auf eine unternehmerfreundliche Politik und wird die verzweifelte Lage der Arbeiter und Jugendlichen nur noch weiter verschlimmern.

Ramaphosa wird die Forderungen der Konzerne umsetzen, die die Vetternwirtschaft der ANC-Regierung als Hindernis für die vollständige Ausbeutung der reichhaltigen Diamant-, Edelmetall- und Mineralienvorkommen Südafrikas betrachten. Der Vorsitzende des Bergbaukonzerns Anglo American SA Norman Mbazima erklärte: „Es ist sehr hilfreich, wenn der Präsident des Landes die eigene Branche versteht“.

Die Financial Times schrieb über die Notwendigkeit eines Pakts „zwischen dem Staat, den Unternehmen und den Arbeitnehmern im Interesse der südafrikanischen Wettbewerbsfähigkeit“. Mit den „Arbeitnehmern“ meint die wichtigste britische Wirtschaftszeitung den Gewerkschaftsdachverband Congress of South African Trade Unions (COSATU). Der COSATU bildet zusammen mit dem ANC und der Kommunistischen Partei Südafrikas ein Bündnis und ist dessen wichtigstes Instrument zur Durchsetzung von Angriffen auf Arbeitsplätze, Löhne und soziale Bedingungen.

In der Person Ramaphosas soll der mit großem Abstand korrupteste Mann Südafrikas einen Kreuzzug gegen die Korruption anführen!

Während des Kampfes gegen das Apartheidsregime war er der Anführer der Bergarbeitergewerkschaft National Union of Mineworkers (NUM). In dieser Funktion spielte er eine entscheidende Rolle dabei, die Arbeiterklasse an die prokapitalistische Perspektive der Freiheitscharta des ANC zu binden. Sie trennte den Kampf gegen die weiße Herrschaft und für die formelle gesetzliche Gleichheit der schwarzen Bevölkerung Südafrikas vom Widerstand gegen das kapitalistische System.

Er selbst entwickelte sich zum Musterbeispiel für die Selbstbereicherung einer neu entstandenen Schicht von schwarzen Kapitalisten, zentrales Ergebnis der ANC-Politik der Black Economic Empowerment (BEE, wirtschaftliche Stärkung von Schwarzen). 1996 wählte der ANC Ramaphosa als Spitzenvertreter für die Durchdringung der Privatwirtschaft aus. Durch das National Empowerment Consortium benutzte er die Rentenfonds der Gewerkschaften und seine Fähigkeit, Regierungsaufträge zu sichern, um Posten in den Vorständen einiger der größten Firmen zu erhalten.

Da ihm jeder abgeschlossene Deal großzügige Aktienoptionen einbrachte, entwickelte er sich bis 2017 zum ultimativen „Tenderpreneur“ (ein Regierungsfunktionär, der Ausschreibungen und Aufträge der Regierung vermittelt). Mit einem persönlichen Vermögen von über 500 Millionen Dollar ist Ramaphosa der zweitreichste Mann des Landes nach seinem Schwager Patrice Motsepte, dem einzigen schwarzen Dollar-Milliardär Südafrikas.

Die Präsidentschaft wird ihm vor allem wegen seiner Rolle als Schlächter von Marikana zugetraut.

Das Massaker an 34 Bergarbeitern einer Platinmine von Lonmin im August 2012 demonstriert so brutal wie kein anderes Ereignis die Verwandlung der Gewerkschaftsbürokratie in eine Polizeitruppe des Kapitals gegen die Arbeiterklasse.

Die Bergarbeiter streikten für einen angemessenen Lohn und rebellierten offen gegen die NUM. Ramaphosas Unternehmen war der Partner von Lonmin im Rahmen der BEE und mit neun Prozent daran beteiligt. In dieser Funktion setzte er sich beim damaligen Polizeiminister Nathi Mthethwa dafür ein, dass zusätzliche Polizisten nach Marikana geschickt wurden. Am 15. August schrieb Ramaphosa dem Bergbauminister, die Bergarbeiter in Marikana würden keinen Arbeitskampf führen, sondern „hinterhältig gesetzeswidrig“ handeln.

Auf Ramaphosas Drängen hin ließ der ANC die Polizei mit brutaler Gewalt gegen die streikenden Arbeiter vorgehen. Neben den Todesopfern wurden viele weitere schwer verwundet und 270 wegen Mordes und versuchten Mordes verhaftet. Die Grundlage hierfür bildete ein Gesetz aus der Zeit der Apartheid, das die Verhaftung von Gruppen mit „gemeinsamen Zielen“ erlaubt.

Kaum sechs Monate später wurde Ramaphosa neben Zuma zum stellvertretenden Parteichef des ANC gewählt, um die Loyalität der Regierung gegenüber den großen Konzernen zu betonen. Der Marikana-Aktivist Napoleon Webster erklärte dazu letztes Jahr: „Wir wissen, dass die Unternehmerschaft Cyril liebt... Cyril ist noch immer das gleiche Monster, das für das Lonmin-Massaker verantwortlich ist.“

Am Mittwoch erklärte Ramaphosa über Zumas Absetzung: „Wir sind noch nicht in der Freiheit angekommen... Wir werden versuchen, das Leben der Bevölkerung ständig zu verbessern. Genau das haben wir seit 1994 getan.“ Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt liegen. Der ANC kam durch die revolutionäre Massenbewegung der Arbeiterklasse im April und Mai 1994 an die Macht, die sich nicht nur gegen die Apartheid richtete, sondern auch gegen das immense Elend, in dem viele Millionen Südafrikaner lebten.

Doch die Freiheitscharta des ANC basierte auf der stalinistischen Perspektive einer „Zwei-Stufen-Revolution“. Der Aufbau einer Demokratie war dabei das erklärte erste Ziel, die sozialistischen Forderungen der Arbeiterklasse sollten diesem bis zu einem nicht näher beschriebenen Punkt in der Zukunft untergeordnet werden. Hierfür war der Gewerkschaftsapparat der COSATU zuständig.

Seit das Dreierbündnis damals an die Macht gekommen ist, hat es rücksichtslos die Diktate des globalen Kapitals und der südafrikanische Bourgeoisie umgesetzt. Während sich eine kleine Schicht von schwarzen Geschäftsleuten, Politikern und Managern bereichert, wurde keine einzige Maßnahme umgesetzt, von der die arbeitende Bevölkerung wirklich profitiert hätte.

Die bittere Wahrheit ist, dass die soziale Lage der Arbeiterklasse heute schlechter ist als unter der Apartheid. Die Einkommensungleichheit ist außergewöhnlich hoch - etwa 60 Prozent der Bevölkerung verdienen weniger als 7.000 Dollar pro Jahr, nur 2,2 Prozent verdienen mehr als 50.000 Dollar pro Jahr. Die Vermögensverteilung ist noch stärker polarisiert: zehn Prozent der Bevölkerung besitzen mindestens 90-95 Prozent des gesamten Vermögens.

Offiziell lebt mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Armut mit einem Einkommen von weniger als 43 Dollar pro Monat, 13,8 Millionen Menschen leben in extremer Armut. Die Arbeitslosenquote beträgt offiziell 28 und inoffiziell 36 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit sogar 68 Prozent.

Unter der Herrschaft der nationalen Bourgeoisie können die grundlegenden demokratischen und sozialen Bedürfnisse der Arbeiterklasse und der unterdrückten Massen nicht erfüllt werden. Sie ist organisch an den Imperialismus gebunden und ihre eigenen Privilegien sind abhängig von der brutalen Ausbeutung der Arbeiter und der armen Bauern.

Die fortschrittlichen Arbeiter, vor allem aus der jüngeren Generationen, deren Leben der ANC durch die Verteidigung des Kapitalismus und der imperialistischen Weltordnung verdirbt, müssen jetzt eine neue revolutionäre Führung aufbauen. Ihr Ziel muss es sein, die Staatsmacht zu übernehmen und eine Arbeiterregierung einzusetzen, um sozialistische Politik durchzusetzen. Sie müssen die Banken, die Bergbauunternehmen und sonstigen Konzerne übernehmen und sie so führen, dass sie statt dem privaten Profitstreben den sozialen Bedürfnisse der Menschen dienen.

In einer globalisierten Wirtschaft, in der die ganze Welt von imperialistischen Mächten und gewaltigen transnationalen Konzernen und Banken dominiert wird, kann dieser Kampf nur erfolgreich sein, wenn er auf der Strategie basiert, die Leo Trotzki in seiner Theorie der Permanenten Revolution ausgearbeitet hat. Heute vertritt das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) diese Theorie.

Die südafrikanische Arbeiterklasse muss ihre eigene internationale sozialistische Strategie entwickeln und danach streben, ihren Kampf gegen den ANC, die COSATU und ihre Unterstützer aus Unternehmerschaft und imperialistischen Mächten mit dem Kampf ihrer Brüder und Schwestern in Afrika und der ganzen Welt zu verbinden. Dazu muss sie eine südafrikanische Sektion des IKVI, der Weltpartei der sozialistischen Revolution, aufbauen.

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