Arbeitsplatzabbau trotz Rekordprofit bei Airbus

Am Mittwoch teilte der Airbus-Vorstand dem in Toulouse versammelten europäischen Betriebsrat den Abbau von 3720 Arbeitsstellen in den europäischen Werken mit. Am stärksten betroffen sind die Werke in Deutschland (Bremen und Augsburg) mit insgesamt 1900 Stellen, Spanien (Sevilla) mit 850, Großbritannien (Filton) mit etwa 500 und Frankreich mit 470 Arbeitsplätzen.

Thomas Enders, der Airbus-Chef, begründet den Arbeitsplatzabbau mit schrumpfenden Auftragsvolumen für das Großraumflugzeug A380 sowie den Militärtransporter A400M. Die Jahresproduktion des A380 werde trotz des neuen Großauftrags der Emirates-Fluglinie über festbestellte 20 und weitere optionale 16 Flugzeuge im laufenden Jahr auf 12 Flugzeuge gesenkt. 2019 sind noch acht und ab 2020 nur noch sechs Auslieferungen geplant. Das Auslieferungsvolumen des A400M, der durch technische Mängel seit der Erstauslieferung im Jahr 2003 Zusatzkosten von 8,5 Mrd. Euro verursachte, soll zukünftig nur noch acht Maschinen pro Jahr betragen.

Alle vom Jobabbau betroffenen Werke sind schwerpunktmäßig mit der Produktion von Komponenten dieser beiden Modelle befasst. In Filton werden die Flügel des A400M produziert. Es ist die einzige Aktivität dieses Standortes, und damit ist die Belegschaft zu 100 Prozent von den Maßnahmen betroffen. In Bremen ist ein Drittel der Gesamtbelegschaft von 3000 Arbeitern – darunter viele Leiharbeiter – mit der Produktion des A400M‑Rumpfs beschäftigt, 30 Arbeiter fertigen Teile für den A380. Das Augsburger Premium Aerotec-Werk fertigt Teile für beide Maschinen und war schon in den letzten Jahren von sinkenden Verkaufszahlen des Eurofighter betroffen, für den dort der Rumpf hergestellt wird.

In Hamburg hofft man, dass wegfallende Arbeitsplätze für die Innenausstattung des Airbus A380 durch die dort ebenfalls stationierte, wachsende Produktion des A320 und A350 aufgefangen werden. Die beiden Werke in Sevilla, wo in den Vororten Tablada und San Pablo insgesamt etwa 2200 Arbeiter Teile für den A400M fertigen und die Endmontage durchführen, würden mit 850 Stellenstreichungen mehr als ein Drittel der Belegschaft verlieren.

Das Unternehmen spricht zwar davon, dass man sich der Verantwortung für die Belegschaft bewusst sei. Man werde alternative Arbeitsplätze in anderen Werken anbieten können, da der Auftragseingang für die Modelle A320, A320Neo und A350 rasant gestiegen sei. Man habe bereits in vergangenen Jahren eine Fluktuation von Beschäftigten zwischen den Unternehmensstandorten von 12 Prozent erlebt.

Doch die meisten Betroffenen sind Zeit- und Leiharbeiter, die keine Aussicht auf Weiterbeschäftigung haben. Sie sind die ersten, die – ohne dass jemand einen Finger krümmt – entlassen werden.

Bezeichnend ist der Kommentar von Jean-Marc Escourrou, dem Sekretär der französischen Gewerkschaft Force Ouvrière, der nach dem Treffen des European Works Councils der Presse gegenüber versicherte: „Zu keiner Zeit war die Rede von betriebsbedingten Entlassungen. Bisher geht es nur um Arbeitsplatzabbau.“ Und weiter beschwichtigte er die Stammbelegschaften der Werke: „Zuerst wird das Management die flexiblen Stellen reduzieren, d.h. die Zeit- und Leiharbeiter der Subunternehmer.“ Das betreffe vor allem die Arbeitsplätze in Deutschland und Spanien.

In Frankreich, wo die Werke meist für alle Modelle Teile produzieren, könnten die Arbeitsplätze vom Produktionsbereich der A380 und A400M Modelle auf die stark wachsenden Modelle transferiert werden, wie die französische Zeitung Challenges berichtet. So sei am Standort Toulouse bereits ein Teil der Montagehalle vom A380 für den Airbus A350 umgerüstet worden. Von diesem Modell sollen in Zukunft 10 Flugzeuge pro Monat hergestellt werden. Dadurch könnten 320 Jobs in Toulouse, 100 in Nantes und 50 in Saint-Nazaire intern verlagert werden.

Was die Umstrukturierung der europäischen Fertigung bedeutet, erfuhren die 4000 Beschäftigten des Augsburger Premium Aerotec-Werks noch am Mittwoch auf einer Betriebsversammlung: 300 Leiharbeiter werden in den nächsten Monaten bereits entlassen, weitere 200 im nächsten Jahr. Weitere Maßnahmen werden in nächster Zeit mit den Betriebsräten und der IG Metall besprochen. Es wurde gesagt, dass nach 2020 auch Mitglieder der Stammbelegschaft von Stellenstreichungen betroffen sein könnten.

Ein Arbeiter brachte das Verhalten von Werksleitung und Gewerkschaft auf den Punkt: „Das ist alles nur eine Hinhaltetaktik“, zitiert ihn die Augsburger Allgemeine. Mit der Unsicherheit seines Arbeitsplatzes wächst die Sorge um die Finanzierung seiner Familie, des Hauses und der Ausbildung seiner Kinder.

Ein anderer, der bereits seit 40 Jahren im Betrieb gearbeitet hat, stellte fest, dass die Konzernchefs bei ihren Entscheidungen keine Rücksicht auf deren Auswirkungen auf die Stadt Augsburg und die Menschen nehmen. „Man wird als Gegenstand behandelt. Das Menschliche ist abhanden gekommen.“ Einige Leiharbeiter, die jetzt noch bei Airbus arbeiten, hätten früher lange Jahre als Facharbeiter bei MAN gearbeitet und hätten schon einmal den Schock des Arbeitsplatzverlusts erlebt.

Wie der Sekretär von Force Ouvrière, betont auch der Bezirksleiter der IG Metall Küste, Meinhard Geiken, der Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen und die Aufrechterhaltung des Standorts seien die Grundlage für Gespräche mit der Geschäftsführung.

Am Donnerstag beschwichtigte der Bremer Betriebsratsvorsitzende, Jens Brüggemann, im schlimmsten Fall seien etwa 300 Arbeitsplätze am Standort vom Stellenabbau betroffen. Am 27. März treffe sich der Gesamtbetriebsrat auf Konzernebene und erfahre weitere Details. Diese Konferenz wird genauso wie die vom Mittwoch in Toulouse die Kooperation von Unternehmensführung und Gewerkschaften offenbaren.

Unter den Losungen, „betriebsbedingte Kündigungen vermeiden“ und „Standortverteidigung“ verbirgt sich ein hinterhältiger Angriff auf die Arbeiter. Die älteren Arbeiter des Konzerns kennen diese Taktik schon. Mitte der 90er Jahre stimmten IG Metall und Betriebsräte dem Sanierungsprogramm „Dolores“ (Dollar low rescue) zu, unter dem 8000 Arbeitsplätze bei Airbus in Deutschland entfielen. Begründet wurde die Zustimmung mit dem „Konzept der verbundenen Gefäße“, das entsprechend dem physikalischen Gesetz der kommunizierenden Röhren einen gleichwertigen Stellenabbau an allen Standorten bedeutete.

In ihrem Bemühen, die Kampfbereitschaft der Belegschaften zur Verteidigung ihrer Arbeitsplätze zu brechen, bilden Unternehmensführung und Gewerkschaften mit ihren Betriebsräten eine Einheitsfront. Zunächst spalten sie die Belegschaften in die Zeit-, Leiharbeiter und Werksvertragsarbeiter auf der einen und die Stammbelegschaften auf der anderen Seite. Dann bieten sie älteren Arbeitern Altersteilzeitstellen an oder vorzeitigen Ruhestand. Wenn das nicht reicht, helfen Transfer-Angebote in ein anderes Werk, was von vielen wegen familiärer Verpflichtungen gar nicht angenommen werden kann. Die müssen sich dann eine andere Arbeitsstelle suchen, und letztendlich werden ganze Betriebe geschlossen.

Eine Verteidigung der Arbeitsplätze kann nur durch eine Befreiung von der Zwangsjacke der Gewerkschaften und den unabhängigen Zusammenschluss der Arbeiter in frei gewählten Belegschaftskomitees geschehen, die sich international vereinigen und für die gesellschaftliche Kontrolle der Konzerne kämpfen.

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