Perspektive

Große Koalition rückt weit nach rechts

Die Neuauflage der Großen Koalition ist die rechteste deutsche Regierung seit dem Untergang des Nazi-Regimes. Diese Einschätzung der Sozialistischen Gleichheitspartei wurde schon in den ersten Tagen nach der Wiederwahl Angela Merkels (CDU) zur Bundeskanzlerin bestätigt. Die Regierung schürt gezielt rassistische Stimmungen, um ein reaktionäres Programm des Militarismus, des Sozialabbau und der inneren Aufrüstung gegen wachsende Opposition durchzusetzen.

Kaum im Amt startete der neue Innen- und Heimatminister Horst Seehofer (CSU) eine Hetzkampagne gegen fast fünf Millionen Muslime in Deutschland. „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“, erklärte er am Freitag in der Bild-Zeitung. In der Welt am Sonntag verteidigte er seine Aussage mit den Worten: „Dass Deutschland geschichtlich und kulturell christlich-jüdisch und nicht islamisch geprägt ist, kann doch niemand ernsthaft bestreiten.“ Er plädierte für einen „Masterplan“ für schnellere Abschiebungen, die Konzentrierung von Flüchtlingen in sogenannten „Ankerzentren“ und schärfere Grenzkontrollen, um „Menschen von illegalen Grenzübertritten abzuhalten“.

Jeder in Deutschland weiß, in welche Tradition sich Seehofer und die Große Koalition mit derartigen Aussagen und Plänen stellen. Anfang der 1920er Jahre hatte die NSDAP in ihrem 25-Punkte-Programm erklärt, das Judentum gehöre nicht zu Deutschland. Sie forderte, „jede weitere Einwanderung Nicht-Deutscher … zu verhindern“. Wenige Jahre später, als Hitler an der Macht war, wurde dieses Programm schrittweise in die Tat umgesetzt.

1935 machten die Nationalsozialisten jüdische Staatsbürger mit den Nürnberger Gesetzen auch rechtlich zu Bürgern zweiter Klasse und verschärften dann ständig ihr Vorgehen. Im Sommer 1938 führte das Nazi-Regime den „allgemeinen polizeilichen Inlandsausweis“ ein, mit dem sich alle wehrfähigen Männer auszuweisen hatten. Am 1. September 1941 wurden Juden schließlich gezwungen, den gelben Stern zu tragen, eine Maßnahme, die ihre massenhafte Deportation und physische Vernichtung vorbereitete.

Seehofer ist nicht Hitler und die Große Koalition kein faschistisches Terrorregime, aber gerade wegen der deutschen Geschichte sollten die Alarmglocken schrillen. Schon vor drei Jahren musste der Spiegel in einem Kommentar mit dem Titel „Rhetorisch braun“ zugeben, dass sich der bayrische Ministerpräsident „sprachlich der nationalsozialistischen Rhetorik bedient“ und „totalitäres Gedankengut befördert“.

Mittlerweile sitzt die rechtsextreme AfD im Bundestag und jubelt, dass die neue Regierung ihr rechtsextremes Programm übernimmt. „Dass der Islam nicht zu Deutschland gehört, sagen wir seit langem. Diese Feststellung ist ureigene AfD-Linie und wird wie andere Aspekte der inneren Sicherheit von der CSU abgekupfert“, erklärte der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland.

Die Übernahme der rassistisch aufgeladenen Law-and-Order-Politik der AfD durch die Große Koalition geht Hand in Hand mit ihrer Rückkehr zu einer aggressiven Außen- und Großmachtpolitik.

Mit dem neuen Außenminister Heiko Maas (SPD) ist die Bundesregierung, ähnlich wie während der Ukraine-Krise vor vier Jahren, auf eine anti-russische Linie eingeschwenkt. In einer gemeinsamen Stellungnahme mit den USA, Großbritannien und Frankreich stellte sie sich am vergangenen Donnerstag im Fall Skripal hinter die britischen Maßnahmen und Kriegsdrohungen gegen Moskau. Obwohl London bislang keinerlei Beweise präsentiert hat und die gesamte Kampagne zum Himmel stinkt, heißt es in der Stellungnahme, Russland sei „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ für „die erste offensive Anwendung eines […] Nervengifts in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg“ verantwortlich.

In der herrschenden Klasse gibt es heftige Konflikte über diesen Kurs, aber alle Fraktionen stimmen überein, dass Deutschland wieder eine Großmachtpolitik verfolgen muss. Maas‘ Vorgänger Sigmar Gabriel bezeichnet die aktuellen Anschuldigungen gegen Russland als „skurrile Verdächtigungen“ und „Verschwörungstheorien“, weil er sich nicht den außenpoltischen Zielen Großbritanniens und der USA unterordnen will.

Dafür plädierte er in seiner Abschiedsrede für eine umso aggressivere imperialistische Außenpolitik und berief sich dabei wie schon oft auf Humboldt-Professor Herfried Münkler. Man dürfe „sich nicht damit zufrieden geben, normative Antworten zu geben, sich sozusagen wohlzufühlen im Zitieren der eigenen Werte“. Notwendig sei die „Formulierung“ und „Durchsetzung unserer Interessen: politisch, gesellschaftlich, wirtschaftlich und letztlich auch militärisch“.

Die Debatte über die Verlängerung und Ausweitung der Militäreinsätze in Afrika, Zentralasien und im Nahen und Mittleren Osten am vergangenen Donnerstag im Bundestag unterstrich, dass auch die sogenannten Oppositionsparteien im Kern mit dieser Kriegspolitik übereinstimmen. Für die AfD erklärte der frühere Bundeswehrsoldat und Referent im Verteidigungsministerium Rüdiger Lucassen: „Meine Fraktion will zuerst die volle Einsatzbereitschaft unserer Bundeswehr, bevor das nächste Mandat beginnt. Wenn Sie die melden können, Frau Ministerin, dann können wir unsere Soldaten in Einsätze schicken, auch in Kampfeinsätze.“

Der Außenpolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour umarmte die Pläne der Großen Koalition, die Bundeswehr zukünftig im gesamten Irak einzusetzen. Der Islamische Staat sei „auf dem Rückzug“, aber er müsse „weiter mit militärischen Mitteln bekämpft werden“, rief er den Parlamentariern zu. Dabei sei „es völlig richtig, dass man die Bemühungen von Haider al-Abadi, den Irak zusammenzuhalten, unterstützt“.

Auch die Linkspartei will den Einfluss des deutschen Imperialismus im Nahen und Mittleren Osten stärken, plädiert dabei aber für eine größere Distanz zur Türkei und für eine engere Zusammenarbeit mit den kurdischen Milizen in Syrien. Das „erklärte Ziel“ der Regierung, den IS zu bekämpfen, klinge „zumindest erst einmal ehrenvoll“, erklärte Sevim Dagdelen, die für die Linke im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags sitzt. Es sei „aber schlicht verlogen“, da die Bundesregierung zeitgleich „an der Seite des Nato-Mitglieds Türkei“ stehe, „das jetzt mit deutschen Panzern an der Seite islamistischer Mörderbanden diejenigen in Syrien niederwalzt und beschießt, die seit Jahren entschieden gegen den ‚Islamischen Staat‘ kämpfen“.

In der Innenpolitik kritisiert die Linkspartei die Große Koalition von rechts. Am Wochenende bezeichnete die Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht den Start der Großen Koalition auf Twitter als „skandalös“, da in den Ministerien über 200 Stellen „bei Polizei & Zoll wegfallen“ würden – „auf Kosten der Sicherheit der Bürger“. Bereits zuvor hatte Wagenknecht die rassistisch begründete Entscheidung der Essener Tafel unterstützt, vorerst nur noch Deutsche in die Lebensmittelausgabe aufzunehmen.

Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) hatte bereits vor vier Jahren gewarnt: „Die Propaganda der Nachkriegsjahrzehnte – Deutschland habe aus den ungeheuren Verbrechen der Nazis gelernt, sei ‚im Westen angekommen‘, habe zu einer friedlichen Außenpolitik gefunden und sich zu einer stabilen Demokratie entwickelt – entpuppt sich als Mythos. Der deutsche Imperialismus zeigt sich wieder so, wie er historisch entstanden ist, mit all seiner Aggressivität nach innen und nach außen.“

Die rechte Offensive der Großen Koalition zeigt, wie weit diese gefährliche Entwicklung bereits fortgeschritten ist. Gleichzeitig hat sich die SGP in den letzten Wochen mit ihrer intensiven Kampagne gegen den Koalitionsvertrag und für Neuwahlen als einzige linke und sozialistische Opposition etabliert. Sie wird nun dafür kämpfen, den Widerstand von Arbeitern und Jugendlichen gegen Militarismus, Krieg, Rassismus und soziale Angriffe auf der Grundlage eines internationalen sozialistischen Programms zu entwickeln und zu organisieren.

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