Wie weiter im Streik des öffentlichen Dienstes?

In den vergangenen Tagen legten zehntausende Beschäftigte im öffentlichen Dienst die Arbeit nieder und beteiligten sich an Demonstrationen, um höhere Löhne und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Doch die Gewerkschaft Verdi setzt alles daran, bis Dienstag einen miesen Deal mit den Arbeitgebern zu präsentieren und die Streiks abzuwürgen.

Verdi arbeitet eng mit der Bundesregierung zusammen und hat in den letzten Jahren alle Lohnsenkungen und Entlassungen sowie die Verschärfung der Ausbeutung mit organisiert. Jetzt fürchtet sie, dass sich die Streiks dagegen zu einer umfassenden Bewegung gegen die rechte Politik der Großen Koalition ausweiten. Unter der Bedingung einer rasanten Kriegsentwicklung und sozialer Angriffe auf dem ganzen Kontinent will sie das und einen internationalen Zusammenschluss der Arbeiter unter allen Umständen unterbinden.

Denn die Streiks und Proteste in Deutschland sind Teil einer wachsenden Mobilisierung der Arbeiterklasse in Europa und international. In Frankreich wehren sich Arbeiter mit umfassenden Arbeitsniederlegungen gegen die Privatisierung der Eisenbahn durch Präsident Macron, in Großbritannien kämpfen Lehrende für ihre Renten und in den USA streiken Lehrer in mehreren Bundesstaaten für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen.

Arbeiter sind überall mit den gleichen Problemen konfrontiert. In den Krankenhäusern werden Pflegekräfte bis zur Erschöpfung ausgebeutet und die Leben der Patienten aufs Spiel gesetzt. In den Kindertagesstätten sind immer weniger Erzieher für immer mehr Kinder verantwortlich, während immer mehr Eltern keine Plätze für ihren Nachwuchs erhalten. Auch auf den Ämtern erleben die Beschäftigten eine massive Verdichtung der Arbeit. Zur gleichen Zeit sind alle Berufsgruppen seit Jahren mit massiven Reallohnsenkungen konfrontiert.

Es wäre eine Illusion zu glauben, dass man die Regierung mit einigen Streiks und Demonstrationen unter Druck setzen und so eine Verbesserung der Situation erreichen könnte. Die soziale Katastrophe ist das Produkt einer Politik, die seit Jahrzehnten jeden Bereich des gesellschaftlichen Lebens der Profitgier einer schmalen, reichen Schicht unterordnet. 200 Jahre nach Karl Marx Geburt bestätigt sich seine Analyse, dass die Bedürfnisse der Masse der Bevölkerung unvereinbar mit dem Kapitalismus sind.

Die Agenda 2010 der rot-grünen Bundesregierung von Gerhard Schröder legte die Grundlage für eine soziale Konterrevolution in allen Bereichen. Hartz IV, Leiharbeit und Werkverträge haben grundlegende Rechte zerstört und zu massenhafter Armut und Arbeitshetze geführt. Vor zehn Jahren wurden den Banken und Spekulanten dann hunderte Milliarden Euro in den Rachen geworfen und durch brutale Sparmaßnahmen wieder aus der Arbeiterklasse herausgepresst.

Die neue Große Koalition wird keinerlei sozialen Zugeständnisse machen, sondern die Angriffe der Vergangenheit noch weit in den Schatten stellen. Sie reagiert auf die tiefe Krise des Kapitalismus und die wachsenden Spannungen zwischen den Großmächten, indem sie militärisch aufrüstet und die Angriffe auf die sozialen Rechte verschärft.

Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD das größte Rüstungsprogramm seit dem Zweiten Weltkrieg festgeschrieben. Sie haben vereinbart, die Militärausgaben in den nächsten sechs Jahren von 37 Milliarden auf mindestens 70 Milliarden Euro jährlich zu verdoppeln. Zudem soll jeder Euro, der irgendwo zusätzlich eingespart werden kann, ebenfalls ins Militär oder in die zivile Konfliktintervention fließen.

Der neue Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hat bereits klar gemacht, dass er Schäubles brutalen Sparkurs in Deutschland und Europa fortsetzen und an der schwarzen Null festhalten wird. Unter anderem soll im Ressort Wissenschaft und Forschung sowie bei Familie und Jugend deutlich gekürzt werden. Krankenhäuser, Schulen und Ämter werden also weiterhin kaputt gespart, während alle Haushaltsspielräume für eine massive Aufrüstung genutzt werden.

In der Militärpolitik und bei den sozialen Angriffen arbeitet die Bundesregierung eng mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron zusammen, der seinerseits Grundrechte der Arbeiter angreift. Während Macron mit einem völkerrechtswidrigen Angriff auf Syrien droht, gibt ihm Merkel politische Rückendeckung.

Die Große Koalition hat keinerlei demokratische Legitimation für diese Politik. Die drei Koalitionspartner verloren bei der Bundestagswahl 14 Prozent und wurden abgewählt. Die Regierung reagiert auf die wachsende Opposition gegen ihre rechte Politik, indem sie einen Polizeistaat aufbaut. Sie will 15.000 neue Polizisten einstellen, Polizei und Geheimdienst eng zusammenlegen und die Überwachung der Bevölkerung ausweiten.

Sie wird dabei von allen Parteien im Bundestag unterstützt. Auf Länderebene beteiligen sich die Grünen und die Linkspartei an den heftigen sozialen Angriffen, Lohnkürzungen und Privatisierungen. Sie befürworten die Staatsaufrüstung, organisieren die Deportation von Flüchtlingen und unterstützen die Großmachtambitionen des deutschen Imperialismus.

Verdi und die anderen Gewerkschaften stehen in der Konfrontation, die sich zwischen der herrschenden Elite und der Arbeiterklasse entwickelt, fest an der Seite der Bundesregierung. Als Betriebspolizei haben sie schon in der Vergangenheit alle Kürzungen und die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen gegen die Arbeiter durchgesetzt.

Als die Bundesregierung am Wochenende auf einer Klausurtagung ihre militaristische und unsoziale Politik konkretisierte, saß auch DGB-Chef Reiner Hoffmann mit am Tisch. Verdi-Vorstandsmitglied Sylvia Bühler hatte den Koalitionsvertrag schon im Februar als „großen Schritt in die richtige Richtung“ und als „wichtige Weichenstellung“ gefeiert.

Wenn Verdi im öffentlichen Dienst zu Demonstrationen aufruft, tut sie das nur, um Dampf abzulassen und eine wirkliche Bewegung gegen die Regierung zu unterdrücken. Hinter dem Rücken der Beschäftigten hat sie schon längst einen Deal mit den Arbeitgebern ausgehandelt, den sie am Dienstag nach der dritten Verhandlungsrunde präsentieren will. Ähnlich hatte es Anfang des Jahres die IG Metall gemacht, die wie jetzt Verdi eine Lohnforderung von sechs Prozent aufstellte und am Ende eine Erhöhung des Lohnvolumens um 2,2 Prozent vereinbarte, die nicht einmal die reale Inflation ausgleicht.

Die Sozialistische Gleichheitspartei ruft Arbeiter auf, den Streik in die eigenen Hände nehmen und von den Gewerkschaften unabhängige Aktionskomitees zu gründen. Diese müssen umgehend Kontakt zu den Arbeitern anderer Branchen und anderer Länder aufnehmen, um eine internationale Bewegung gegen soziale Angriffe und Krieg aufzubauen.

Eine solche Bewegung wird unweigerlich politische Formen annehmen und in eine Konfrontation mit der Regierung geraten. Sie benötigt eine sozialistische Perspektive, die sich gegen den Kapitalismus richtet. Denn kein gesellschaftliches Problem kann gelöst werden, ohne die Banken und Konzerne zu enteignen und unter demokratische Kontrolle zu stellen.

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