Trumps Iran-Entscheidung und die deutsche Kriegspolitik

Die deutsche Bourgeoisie intensiviert nach dem Rückzug der Trump-Regierung aus dem iranischen Atomabkommen und den US-Kriegsvorbereitungen gegen den Iran ihre Kampagne für Militarismus, Aufrüstung und Krieg.

In einer außergewöhnlichen Video-Botschaft am Wochenende richtete Bundeskanzlerin Angela Merkel ein „herzliches Dankeschön“ an die Bundeswehr und „an das, was unsere Soldatinnen und Soldaten im Land aber auch im Ausland leisten“. Die Sicherheit Deutschlands hänge „auch davon ab, wie es in anderen Regionen der Welt aussieht. Und deshalb beteiligen wir uns an Auslandseinsätzen mit der Bundeswehr“, erklärte sie.

Am heutigen Montag hält Merkel auf Einladung von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (beide CDU) die Eröffnungsrede auf der Bundeswehrtagung in Berlin. Bei dem Treffen der führenden Militärs und Verteidigungspolitiker wird es vor allem darum gehen, die Rückkehr des deutschen Militarismus voranzutreiben, die die Bundesregierung auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 offiziell eingeläutet hat.

Die Tagung „steht inhaltlich im Zeichen des laufenden umfassenden Modernisierungsprozesses der Bundeswehr“, schreibt das Verteidigungsministerium. Von der Leyen werde „die Ziele dieses Prozesses formulieren und ein Bild der Bundeswehr für die Zukunft skizzieren“. Dabei komme der „Gleichrangigkeit von Krisenprävention und Landes- und Bündnisverteidigung im 21. Jahrhundert, wie bereits im Weißbuch 2016 der Bundesregierung dargelegt“, eine „prägende Bedeutung zu“. Nachdem bereits „in der letzten Legislaturperiode wichtige strategische Meilensteine definiert und die entsprechenden Trendwenden eingeleitet wurden“, gelte es nun, „diesen Weg kontinuierlich weiter zu beschreiten“.

Mit „Trendwenden“ ist die massive Vergrößerung und Hochrüstung der Bundeswehr gemeint. Bereits das Weißbuch hatte die Rückkehr zur „Landes- und Bündnisverteidigung“ beschworen, um die Rückkehr Deutschlands zu einer unabhängigeren militärischen Außen- und Großmachtpolitik zu rechtfertigen. Nun arbeitet das Verteidigungsministerium an einer neuen „Konzeption der Bundeswehr“, um diese Pläne konkret in die Tat umzusetzen. Aus diesem Grund – und nicht etwa wegen Trumps Forderungen – haben sich Union und SPD im Koalitionsvertrag darauf verpflichtet, die Verteidigungsausgaben bis 2024 auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzuheben.

Auch die Wiedereinführung der Wehrpflicht wird offen gefordert. Am Freitag erklärte der Chef des Verbandes der Reservisten der Deutschen Bundeswehr, Oswin Veith, der für die CDU im Bundestag sitzt, junge Menschen sollten „sich mindestens ein Jahr lang in der Pflege, in den Streitkräften engagieren“ oder „sich für mehrere Jahre verpflichten, eine Blaulichtorganisation wie das Deutsche Rote Kreuz oder das Technische Hilfswerk zu unterstützen“. Die „Einbindung aller jungen Menschen in einen solchen Dienst an der Gesellschaft“ könne deren „Zusammenhalt und Widerstandsfähigkeit stärken und die Identifikation mit dem eigenen Land wieder fördern“.

Es wird immer deutlicher, dass die militaristische Offensive der deutschen Bourgeoisie in engem Zusammenhang mit dem Aufbrechen der Nachkriegsordnung und dem transatlantischen Bündnis mit den USA steht. Mit einer Mischung aus Schock, Hilflosigkeit und Wut reagieren deutsche Politiker und Medien auf Trumps Ankündigung, neue Sanktionen gegen den Iran zu verhängen und dabei auch deutsche und europäische Unternehmen zu bestrafen, sollten sich diese nicht aus dem geostrategisch wichtigen und rohstoffreichen Land zurückziehen.

„Unser Verhältnis zu den USA lässt sich, zurzeit nicht als Freundschaft bezeichnen, nicht einmal mehr als Partnerschaft“, heißt es im Leitartikel des aktuellen Spiegel. Trump schlage „einen Ton an, der 70 Jahre des Vertrauens ignoriert. Er will ja auch Strafzölle und verlangt Unterwerfung.“ Es gehe nun „nicht, wie früher, darum, ob Deutschland und Europa bei einem Auslandseinsatz wie in Afghanistan oder im Irak dabei sind; es geht jetzt darum, ob es überhaupt noch eine transatlantische Wirtschafts-, Außen-, und Sicherheitspolitik gibt. Die Antwort: nein.“

Auch Vertreter der deutschen Bourgeoisie, die bislang vehement pro-amerikanisch waren und jeden Krieg Washingtons enthusiastisch unterstützt haben, reagieren trotzig und trommeln für eine aggressivere deutsch-europäische Großmachtpolitik. „Lamentieren hilft nicht“, hält Klaus-Dieter Frankenberger in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung fest. „Europa muss einfach mehr in die Waagschale werfen, um sich Gehör und Achtung zu verschaffen und seine eigenen Interessen geltend zu machen. Weltmacht wird man nicht im Seminarraum, durch selbstgefälliges Reden oder Beleidigtsein.“ Besonders die Deutschen müssten „die entsprechenden Konsequenzen ziehen, wenn sie in der Weltpolitik und im atlantischen Bündnis etwas erreichen wollen“.

Forderungen nach deutscher „Weltmacht“ oder „Weltpolitik“ unterstreichen, an welche Traditionen die herrschende Klasse hierzulande wieder anknüpft. Mit den gleichen Begriffen hatten das deutsche Kaiserreich und die Nazis ihre imperialistische Expansions- und Eroberungspolitik begründet, die zwangsläufig zu zwei Weltkriegen führte. 25 Jahre nach der Auflösung der Sowjetunion und nach mehr als einem Vierteljahrhundert imperialistischer Kriegstreiberei im Nahen und Mittleren Osten finden sie nun wieder Einzug ins Vokabular der deutschen Regierungspolitik.

„Angesichts der gewaltigen Herausforderungen“ sei es „nicht mehr sicher, dass wir diejenigen sind, die den Gang der Welt bestimmen”, klagte Merkel in ihrer Rede anlässlich der Verleihung des Karlspreises an den französischen Präsidenten Macron am vergangenen Donnerstag in Aachen. „Bezüglich der gemeinsamen Außenpolitik“ stecke „Europa noch in den Kinderschuhen“, diese werde „aber existenziell notwendig sein“. Schließlich fänden „sehr viele große globale Konflikte vor der Haustür Europas statt“ und es sei „nicht mehr so, dass die Vereinigten Staaten von Amerika uns einfach schützen werden, sondern Europa muss sein Schicksal selbst in die Hand nehmen“.

Die herrschende Klasse weiß genau, dass ihre Politik eine Katastrophe auszulösen droht. Gemeinsam mit Großbritannien und Frankreich habe Deutschland seine „Haltung zum Iran-Nuklearabkommen verteidigt“, erklärte die Kanzlerin. Man wisse aber, dass man „hier vor einer extrem komplizierten Situation“ stehe. „Die Eskalationen der vergangenen Stunden“ zeigten, „dass es wahrlich um Krieg oder Frieden geht“. Sie rufe deshalb „alle Beteiligten“ auf, „Zurückhaltung zu üben“.

Merkels gesamte Rede unterstrich, dass die Bundesregierung nicht weniger „zurückhaltend“ ist, als alle anderen „Beteiligten“. Während sich der deutsche Imperialismus anschickt, seine wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen militärisch unabhängiger – und notfalls auch gegen die USA – durchzusetzen, besteht kein Zweifel daran, auf welcher Seite Berlin im Fall eines Überfalls auf den Iran stehen würde. In der vergangenen Woche verteidigte die Bundesregierung die israelischen Militärschläge auf iranische Stellungen in Syrien, die die Gefahr eines Flächenbrands in der gesamten Region und einer direkten militärischen Konfrontation mit den Nuklearmächten Russland und China weiter erhöht haben.

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