Kommt ins Stupa! Verhindert den AfD-Antrag zur Unterdrückung linker Politik!

Die folgende Erklärung verteilt die Hochschulgruppe der IYSSE im Vorfeld der nächsten Sitzung des Studierendenparlaments der Humboldt-Universität, auf der rechte Studierendengruppen einen Antrag zur Unterdrückung linker Politik an der Hochschule durchbringen wollen.

Liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen,

bei der letzten Sitzung des Studierendenparlaments sind der RCDS, die LHG und diverse andere rechte Listen damit gescheitert, einen Antrag durchzusetzen, der direkt auf eine Initiative der Berliner AfD zurückgeht. Unter dem Vorwand des Kampfes für „Transparenz“ in den studentischen Gremien, insbesondere im RefRat, forderten die Antragsteller u.a. die Offenlegung der Namen sämtlicher Referenten der letzten fünf Jahre. Hätte sich diese Forderung durchgesetzt, wäre dies der Auftakt für eine persönliche Hetzjagd gegen linke Studierendenvertreter geworden. Dabei übernahm der im StuPa gestellte Antrag teilweise die Forderungen einer Anfrage, die der AfD-Abgeordnete Martin Trefzer im Berliner Abgeordnetenhaus am 26. Januar gestellt hatte.

Jetzt versuchen dieselben Listen, ihre Anliegen in veränderter Form erneut durchzubringen. Dass sie sich dabei in Worten vom Rassismus der AfD distanzieren, dient ihnen nur als Feigenblatt, um die Politk der AfD im StuPa praktisch umzusetzen. Schon bei der letzten Sitzung hatte einer der Antragsteller vorgeschlagen, man könne ja allzu offensichtliche Bezugnahmen zur AfD aus dem Antragstext streichen, um ihn akzeptabler zu machen – also die Studierendenschaft im Namen der „Transparenz“ hinters Licht zu führen.

Wir rufen daher alle Studierenden auf, dem Vorgehen der Rechten entgegenzutreten und am Mittwoch zur StuPa-Sitzung zu kommen, um sich gegen den Antrag auszusprechen und einen Gegenantrag zu unterstützen, der auf der Sitzung eingebracht wird.

Die ganze Tragweite des Vorgehens von RCDS, Liberalen und anderen Listen wird deutlich, wenn man sich den politischen Hintergrund der rechten Kampagne vor Augen führt. Fast 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrt die herrschende Klasse in Deutschland wieder zu den Methoden deutscher Großmachtpolitik zurück: die Bundeswehr soll massiv aufgerüstet und weltweit kriegsfähig gemacht, Europa gegen Flüchtlinge abgeschottet und Rassismus wieder salonfähig gemacht werden. Der Aufstieg der AfD dient den Rechten als lang ersehnte Gelegenheit, auch an den Unis zu den alten braunen Traditionen zurückzukehren und jede Form linker Politik zu unterdrücken. Nicht umsonst hatte der führende CSU-Politiker Alexander Dobrindt zu Jahresbeginn eine „konservative Revolution“ gefordert, und damit die Rückkehr jener rechtsextremen Kräfte beschworen, die in der Weimarer Republik den Nazis ideologisch den Weg bereitet hatten.

Schon jetzt arbeiten alle Bundestagsparteien immer direkter selbst mit offenen Rassisten zusammen. So ist vor wenigen Tagen im Landtag von Sachsen-Anhalt erstmals eine Enquete-Kommission gegen Linksextremismus zusammengetreten. Geleitet wird sie vom AfD-Fraktionsvorsitzenden und offenen Rassisten André Poggenburg, der im Februar 2017 vor dem Landtag erklärt hatte: „Linksextreme Lumpen sollen und müssen von deutschen Hochschulen verbannt und statt eines Studienplatzes lieber praktischer Arbeit zugeführt werden.“ Man müsse, so Poggenburg, „die linksextreme Bedrohung ernst“ nehmen: „[B]eteiligen Sie sich an allen möglichen Maßnahmen, um diese Wucherung am deutschen Volkskörper endgültig loszuwerden“, rief er den Abgeordneten zu. Auf die anwesenden Christdemokraten hat Poggenburgs Blut-und-Boden-Rede und seine Forderung nach Zwangsarbeit für linke Studenten offenbar einigen Eindruck gemacht, denn nur dank einiger Stimmen aus der CDU-Fraktion konnte die besagte Kommission Monate später ins Leben gerufen werden. Inzwischen wollen sich nahezu alle Parteien an ihrer Arbeit beteiligen.

An den Unis ist es vor allem der RCDS im Bündnis mit anderen rechten Gruppen, der den Kampf gegen alles Linke inzwischen tatkräftig in die Praxis umsetzt. Schon nach den Protesten beim G20-Gipfel in Hamburg hatte der heutige Bundesvorsitzende Henrik Wärner die Unis als „Brutstätte“ und die ASten als „Kaderschmiede für linksextremistische Gruppen und ihr Gedankengut“ bezeichnet. Seit Oktober fordert der RCDS „ein Verbot der Zusammenarbeit der Verfassten Studentenschaften und der Hochschulen mit vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestuften Organisationen“. Der Verfassungsschutz, der keiner demokratischen Kontrolle unterliegt (Stichwort: Transparenz!) und aufs engste mit dem rechtsterroristischen Milieu verwoben ist, soll darüber entscheiden können, wen Studierende zu ihren Vertretern wählen dürfen und mit wem diese zusammenarbeiten sollen.

Geht es nach dem RCDS, soll der Geheimdienst auch darüber entscheiden können, welche Hochschulgruppen sich überhaupt akkreditieren dürfen. Wer dem Verfassungsschutz als „linksextremistisch“ gilt, soll keine Zulassung als Hochschulgruppe mehr erhalten dürfen. Auch von Zwangsexmatrikulationen ist beim RCDS die Rede. Wärner wörtlich: „Wir müssen uns mit der Frage beschäftigen, ob wir diese Art von Studenten an unseren Hochschulen studieren lassen wollen.“

Dass die Rechten jetzt an der HU in die Offensive gehen, um gegen kritische Studierende vorzugehen, ist kein Zufall. Hier haben sich in den vergangenen Jahren das Studierendenparlament, zahlreiche studentische Gruppen und Uni-Gremien offen gegen rechte Professoren ausgesprochen und sich mit linker Kritik solidarisiert. Jetzt wurde die unbemerkt gebliebene Amtszeitüberschreitung eines einzigen Referenten über Monate hinweg medial als Vorwand aufgeblasen, um gegen linke Kritiker und die Gremien der verfassten Studierendenschaft mobil zu machen.

Vor genau drei Jahren solidarisierte sich das StuPa mit dem studentischen Blog Münkler-Watch, der die Politikvorlesung Herfried Münklers kommentiert und kritisiert hatte. Das StuPa rief die Studierenden dabei ausdrücklich auf, geschichtsrevisionistischen Positionen entgegenzutreten. Anfang 2017 veröffentlichte die Fachschaftsräte- und -initiativenversammlung (FRIV), die Vertretung der Fachschaften an der HU, eine „Stellungnahme gegen rechte Positionen in der Lehre“. Zur gleichen Zeit besetzten Studierende das Institut für Sozialwissenschaften, um gegen die Entlassung des linken Dozenten Andrej Holm zu protestieren. Und im Mai desselben Jahres wandte sich das StuPa scharf gegen die Unterstützung der Uni-Leitung für den rechtsradikalen Osteuropa-Historiker Jörg Baberowski. Dieser ist inzwischen eine zentrale Figur der Neuen Rechten in Deutschland.

Wie ein Artikel in der Zeit kürzlich aufdeckte, hat Baberowski bereits seit 2015 ein rechtsradikales Netzwerk initiiert, dem unter anderem Thilo Sarrazin („Deutschland schafft sich ab“), der Herausgeber der Jungen Freiheit, Dieter Stein, und der persönliche Referent von AfD-Chef Alexander Gauland, Michael Klonovsky, angehören. Anlass für die Gründung war die große gesellschaftliche Solidarität mit den ankommenden Flüchtlingen. Baberowski hatte damals öffentlich gefordert, Angela Merkel müsse „die Grenzen dicht machen“ und erklärt, die Kanzlerin verletze ihren Amtseid. Brandanschläge auf dutzende Flüchtlingsheime beschrieb Baberowski seinerzeit in einem 3Sat-Interview als „eher harmlos“, weil dabei noch niemand zu Tode gekommen sei.

Baberowskis rechtsradikale politische Äußerungen sind von seinem akademischen Wirken nicht zu trennen. Im Spiegel hatte er bereits 2014 erklärt, Hitler sei „nicht grausam“ gewesen – mit der hanebüchenen und nachweislich falschen Begründung, der Führer habe zu Tisch nichts von der Judenvernichtung hören wollen. Inzwischen leitet Baberowski ein Forschungsprojekt über „Diktaturen als alternative Ordnungen“, bei dem der Name Programm ist. Hierbei bezieht er sich ausdrücklich positiv auf Carl Schmitt, den „Kronjuristen des Dritten Reichs“, der 1934 mit seiner Schrift „Der Führer schützt das Recht“ den pseudolegalen Deckmantel für die totalitäre Diktatur der Nazis verfasst hatte.

Seiner rechten Anhängerschaft in AfD, RCDS & Co. hat Baberowski auch vorgemacht, wie man gegen linke Kritiker vorgeht: im Frühjahr 2017 verklagte er den AStA der Uni Bremen, weil dieser ihn auf einem Flugblatt u.a. als „rechtsradikal“ und „rassistisch“ bezeichnet hatte. Anlass für das Flugblatt war eine Buchvorstellung, zu der der RCDS Baberowski an die Uni Bremen eingeladen hatte. Der AStA, dem Baberowski mit einem Ordnungsgeld bis zu 250.000,- Euro oder zwei Jahren Ordnungshaft gedroht hatte, konnte das Verfahren letztlich für sich entscheiden. Schon 2015 hatte Baberowski das Präsidium der HU aufgefordert, kritischen Studierenden Hausverbot zu erteilen und sie von der Uni zu werfen.

Die jetzt im StuPa eingebrachten Anträge von RCDS u.a. sind ein Versuch, zukünftig jede linke Kritik an diesen rechten Entwicklungen an der HU zu kriminalisieren. Der AfD-Abgeordnete Trefzer hat diese Verbindung selbst gezogen: in einem Video-Interview mit dem Portal Politically Incorrect brachte er die Vorwürfe gegen den RefRat wegen vermeintlicher Intransparenz direkt in Zusammenhang mit der Kritik an den Professoren Baberowski und Münkler. In einer AfD-Stellungnahme zur Unterstützung Baberowskis bedauerte Trefzer außerdem die Auflösung des Bundes Freiheit der Wissenschaft, deren Berliner Ableger in den 70er Jahren schwarze Listen mit tausenden Namen linker Studenten an Behörden, Schulen und Unternehmen geschickt hatte, um ihre Einstellung zu verhindern.

Wir von der IYSSE haben bereits im Februar 2014 davor gewarnt, dass ein bestimmtes politisches Programm auch entsprechende Methoden erfordert. Die Rückkehr von Militarismus und die Rehabilitierung von Rassismus ist weder mit den demokratischen Strukturen einer Universität noch mit Demokratie überhaupt vereinbar. Um gegen die Offensive der Rechten zu kämpfen, fordern wir alle Studierenden auf, am Mittwoch zur StuPa-Sitzung zu kommen, den genannten Antrag zurückzuweisen und einen Gegenantrag zu unterstützen.

Alle HU-Studierenden haben Rede- und Antragsrecht.

2. Sitzung des 26. StuPa

Mittwoch, 30. Mai 2018 um 18:30 Uhr

Hauptgebäude, Hörsaal 1072, Unter den Linden 6

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