Jeff Bezos 150-facher Milliardär

Amazon Prime Day: Gewerkschaften unterlaufen Streiks in Europa

Tausende Amazon-Beschäftigte in Spanien, Deutschland und Polen stehen am so genannten „Prime Day“ im Kampf gegen Amazon. Diesen Tag hat der Konzern als besonderen Schnäppchentag eigens erfunden, und er erwartet ein dementsprechend hohes Bestellvolumen.

In jedem Land bemühen sich die Gewerkschaften, den Streik so gut es geht zu begrenzen und jede sinnvolle Koordinierung der Arbeiter über die Grenzen hinweg zu verhindern.

In den Vereinigten Staaten ist der Prime Day die Gelegenheit für eine riesige Medienkampagne des Konzerns. Er kommt einem kommerziellen Feiertag wie dem „Black Friday“ gleich, dem hohen Feiertag nach dem amerikanischen Thanksgiving. Die Medien tun ihr Möglichstes, um Amazon eine riesige kostenlose Werbeplattform für seinen mit Abstand stärksten Umsatztag des Jahres zu bieten.

2017 belief sich der Umsatz am Prime Day auf schätzungsweise 2,41 Milliarden Dollar, 60 Prozent mehr als im Jahr davor. In den 30 Stunden, die dieses Ereignis insgesamt dauerte, übertraf Amazon seine addierten Verkäufe von „Black Friday“ und „Cyber Monday“ vom Vorjahr und gewann mehr neue Prime-Kunden als jemals zuvor.

Auch diesmal stiegen in Erwartung neuer Rekordzahlen die Amazon-Aktien schon am Montag um ein halbes Prozent. Jeff Bezos, Amazons größter Anteilseigner, steigerte sein Nettovermögen auf 150 Milliarden Dollar. Einen derartigen Reichtum konnte er nur durch die brutale Ausbeutung der globalen Amazon-Belegschaft anhäufen, die mehr als eine halbe Million Arbeiterinnen und Arbeiter umfasst.

Für Amazon-Beschäftigte sind der Prime Day und die Wochen davor gleichbedeutend mit verschärfter Ausbeutung und zermürbender Knochenarbeit. In heißen und schlecht belüfteten Lagerhäusern sind sie mit Arbeitsverdichtung und zwangsweisen Überstunden konfrontiert. Das enorme technologische Potential, das es möglich macht, dass Amazon am gleichen oder am nächsten Tag liefern kann, bedeutet im Kapitalismus immer schwerere Arbeitsbedingungen für die Arbeiterklasse.

In Europa findet der größte Streik in Spanien statt. Dort befindet sich das Auslieferungslager San Fernando (MAD4 im Amazon-Jargon) in der Nähe von Madrid. Dort wird von Montag bis Mittwoch drei Tage lang gestreikt. Das 77.000 Quadratmeter große Gebäude ist das größte und älteste spanische Amazon-Fullfillment Center. Es wurde 2012 eröffnet und beschäftigt 2.000 Arbeiter, etwa 1100 Festangestellte und 900 Zeitarbeiter.

Vor dem Streik bei MAD4 gab es Ende März schon einen zweitägigen Streik, nachdem ein Tarifvertrag zwischen den Arbeitern und Amazon schon 2016 ausgelaufen war, ohne dass seither ein neuer vereinbart wurde. Amazon greift schon seit Bestehen des Lagers die Nachtschichtzulagen und Zuschüsse zur Gesundheitsversorgung an. 2016 wiesen die Arbeiter den Tarifvertragsentwurf zurück, den die Firma offerierte, weil Amazon darin nur eine „Lohnerhöhung“ unterhalb der Inflationsrate zugestehen wollte. Der Durchschnittslohn in dem Logistikcenter liegt nur bei etwa 19.000 Euro im Jahr, und der Vertrag sah zusätzlich eine Absenkung der Nachtschicht- und Überstundenzulagen vor.

Besonders prekär ist die Lage für die Zeitarbeiter. Manchmal werden sie nur für Monate oder auch nur für Wochen eingestellt.

Amazon-Arbeiter in ganz Spanien, Europa und weltweit sind bereit, gegen ihre unerträglichen Arbeitsbedingungen und für bessere Löhne, Arbeitssicherheit und Gesundheitsversorgung zu kämpfen. Die Gewerkschaften unterdrücken jedoch einen solchen echten Arbeitskampf und hindern die Arbeiter daran, sich über die Grenzen zusammenzuschließen.

In Spanien haben die Gewerkschaften den Streik auf ein einziges Auslieferungslager und auf einzelne, kurze Streiks begrenzt, um sicherzustellen, dass Amazon die Aufträge in andere Zentren umdirigieren und die Auswirkungen auf sein Geschäft so gering wie möglich halten kann. Amazon verfügt in Europa insgesamt etwa fünfzig Lagerhäuser und Auslieferungslager.

Ein Gewerkschaftsführer, Marc Balmes von der CGT, erklärte gegenüber der lokalen Presse, dass Amazon mehr als einen Monat Zeit hatte, seine Waren und sein Geschäft in San Fernando umzuorganisieren, sodass der Streik keine negativen Auswirkungen auf seine Lieferkette für den Prime Day fürchten musste. Andere spanische und europäische Lager haben die Lücken gefüllt.

In Deutschland hat Verdi zu einem Streik am Dienstag in sechs seiner Lagerhäuser aufgerufen. An dem Streik beteiligten sich im Ganzen etwa 2400 Mitarbeiter. In Bad Hersfeld waren rund 600, in Leipzig und Graben bei Augsburg je etwa 500 und an den übrigen drei Standorten – Rheinberg und Werne (NRW) und Koblenz (Rheinland-Pfalz) – zwischen 200 und 300 Mitarbeiter im Streik.

Verdi konzentriert ihre Forderungen seit fünf Jahren darauf, dass Amazon den deutschen Einzelhandels-Tarifvertrag akzeptieren solle. Im Besonderen betonte Verdi an diesem Tag die Frage eines „Gesundheitstarifvertrags“, ohne genauer darauf einzugehen, was dessen Inhalt sein würde, vorausgesetzt, der Konzern ließe sich darauf ein. Im Wesentlichen geht es der Dienstleistungsgewerkschaft darum, vom Amazon-Konzern als verlässlicher Verhandlungspartner akzeptiert und ernst genommen zu werden.

Wie in Spanien gab Amazon auch in Deutschland provokativ bekannt, dass der Streik die Geschäftsabläufe und die Auftragsabwicklung beim Prime Day nicht beeinträchtigen werde. Der Konzern behauptet, nur ein kleiner Teil der insgesamt 16.000 Beschäftigten in Deutschland habe an dem Streik teilgenommen, und dieser habe keine Auswirkungen gehabt.

In Polen haben die Gewerkschaften lediglich zu einer „Safe Package“-Aktion aufgerufen, also zu einem Dienst nach Vorschrift, der kein offizieller Streik ist. Weil die Gewerkschaft sich weigert, einen wirklich grenzüberschreitenden gemeinsamen Arbeitskampf zu führen, sind es oft gerade Lagerhäuser in Polen und Tschechien, die bei Streiks in Deutschland in die Bresche springen.

Die Streiks bei Amazon in Europa sind Teil der wachsenden Militanz von Arbeitern auf der ganzen Welt. Gerade auch in Lagerhäusern und in der Logistik-Branche kommt es vermehrt zu Streiks. Auch den Arbeitern bei United Parcel Services (UPS), FedEx und anderen Paketdiensten drohen am Prime Day in großem Umfang Mehrarbeit. In den Vereinigten Staaten haben die Arbeiter bei UPS im vergangenen Monat zu 93 Prozent für Streik gestimmt, um einen besseren Tarifvertrag durchzusetzen.

Bei UPS und Amazon stehen den Arbeitern nicht nur die Konzerne als Feinde gegenüber, sondern auch die Gewerkschaften, die sie angeblich vertreten. Die Teamster Gewerkschaft, die bei UPS die meisten der fast eine Viertelmillion Beschäftigten vertritt, hat einen Tarifvertrag abgeschlossen, der die Interessen der Arbeiter ausverkauft. Er umfasst eine neue Tarifgruppe für niedrig bezahlte Fahrer. Es gilt weiter eine siebzig-Stunden-Woche, und es ist dauerhaft ist dafür gesorgt, dass die Teilzeitarbeiter, die bis zu 70 Prozent der Belegschaft ausmachen, Armutslöhne erhalten.

Letzte Woche gab die Gewerkschaft bekannt, dass sie den Zeitrahmen für die Verhandlungen um mindestens 60 Tage, bis zum 31. Juli, verlängern werde, d.h. über die Laufzeit des alten Vertrags hinaus. Der Zweck dieses Manövers besteht darin, dass die Gewerkschaft Zeit gewinnen will, um die Opposition gegen den neuen Tarifvertrag unter den Mitgliedern zu unterlaufen.

Die Antwort auf die globalen Operationen der riesigen Logistikkonzerne wie Amazon muss die Vereinigung der Kämpfe der Arbeiter über nationale Grenzen hinweg sein. Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) und ihre internationalen Schwesterorganisationen schlagen die Bildung von Basiskomitees bei Amazon und UPS und bei anderen Teilen der Arbeiterklasse vor. Nur solche Komitees, die unabhängig von den arbeiterfeindlichen Gewerkschaften arbeiten, können einen vereinten Kampf wirklich ernsthaft führen, ohne dass die Gewerkschaften ihre Aktionen gegen die Konzerne jedesmal wieder abwürgen.

Die riesigen Verteiler und Logistiker, die gegenwärtig noch unter der Kontrolle von Milliardären wie Bezos stehen, müssen enteignet und unter die demokratische Kontrolle der arbeitenden Bevölkerung gestellt werden. Das muss als Bestandteil der rationalen Reorganisierung der Gesellschaft auf sozialistischer Grundlage geschehen.

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