Wagenknecht und Lafontaine: #Aufstehen für Rechts

Die beiden Linkspartei-Politiker Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine haben es bisher sorgsam vermieden, eine offizielle Erklärung zu veröffentlichen, wofür die Mitglieder ihrer neuen Initiative eigentlich „aufstehen“ sollen. Doch je näher der offizielle Start der selbsterklärten Bewegung am 4. September rückt, desto klarer wird die Antwort: für eine extrem rechte Politik.

Am vergangenen Wochenende lancierten die beiden Politiker Interviews in der rechts-konservativen Frankfurter Allgemeinen Zeitung und dem Springer-Flaggschiff Die Welt, in denen sie das fremdenfeindliche und nationalistische Programm ihrer Initiative vorstellten.

Das Ziel von #Aufstehen sei es, „eine andere Mehrheit im Bundestag“ zu erreichen, erklärt Lafontaine in dem Welt-Interview. Die Plattform richte sich insbesondere an Mitglieder der Linkspartei, der Grünen und der SPD, schließt aber auch CDU oder AfD nicht explizit aus. Auch die „Wiedervereinigung zwischen SPD und Linkspartei“ und die Gründung einer „großen linken Volkspartei“ nennt Lafontaine als mögliches Ergebnis seiner Initiative.

Die Kampagne will mit solchen Manövern die wachsende Opposition gegen die rechte Politik der Großen Koalition unter Kontrolle halten. Doch Arbeitern ist noch gut in Erinnerung, dass es SPD und Grüne waren, die beispiellose soziale Kürzungen durchgesetzt und die neue Kriegspolitik begonnen haben. Sie wissen, dass Linke und Grüne in den Ländern die Politik der Großen Koalition in die Tat umsetzen und in allen Grundfragen mit der Regierung übereinstimmen.

Deshalb bleiben die sozialen Forderungen, die Wagenknecht und Lafontaine in ihren Interviews präsentieren, auch völlig allgemein und abgeschmackt. Nichts darin geht über Floskeln von „sozialer Marktwirtschaft“, „Ordoliberalismus“ oder „höheren Löhnen und Renten“ hinaus, wie man sie selbst im Wahlprogramm der FDP finden kann. Das alles wirkt abgehalftert und lächerlich, weil jeder weiß, dass die Linkspartei die rechte Politik der sozialen Angriffe, des Militarismus und der Staatsaufrüstung mitträgt.

Im Zentrum der Interviews von Lafontaine und Wagenknecht stehen deshalb auch nicht diese Forderungen, sondern die Hetze gegen Flüchtlinge, das Schüren von Nationalismus und der Ruf nach deutscher Unabhängigkeit. Die beiden Politiker stellen sich damit hinter die Politik der Großen Koalition und bieten sich als jemand an, der diese aggressiv durchsetzen kann.

Dabei bedienen sie sich der Methoden der AfD. Nachdem SPD und Grüne den Sozialstaat zerschlagen haben und auch die Linkspartei überall, wo sie in der Regierung war, eine soziale Katastrophe hinterlassen hat, machen sie in Manier der Rechtsradikalen die Schwächsten der Gesellschaft für die von ihrer eigenen Politik verursachte Armut verantwortlich. „Die sozialen Probleme wie Kinder- und Altersarmut, zu niedrige Löhne, schlechte soziale Leistungen und zu wenig Sozialwohnungen“ würden durch Zuwanderung „über Lohn- und Mietkonkurrenz verstärkt“, sagt Lafontaine.

„Reden muss man über Probleme, die bei hoher Zuwanderung und mangelnder Integration entstehen“, heißt es fast wortgleich im Interview von Wagenknecht in der F.A.Z. „Na­tür­lich gibt es heu­te noch mehr Kon­kur­renz um Woh­nun­gen und Jobs. Stu­di­en be­le­gen: Oh­ne Zu­wan­de­rung hät­te der lan­ge Auf­schwung in Deutsch­land zu ei­nem viel stär­ke­ren Lohn­wachs­tum in den un­te­ren Lohn­seg­men­ten ge­führt.“

Diese rechte Hetze liegt voll auf der Linie der Großen Koalition, die in Zusammenarbeit mit sämtlichen Bundestagsparteien in ganz Deutschland Abschiebelager errichtet, die Zahl der Grenztoten im Mittelmeer in die Höhe treibt und mit den Menschenhändlern der Libyschen Küstenwache zusammenarbeitet. Die Angriffe auf Flüchtlinge sind Teil einer umfassenden rechten Agenda, zu der auch eine massive Aufrüstung und heftige soziale Angriffe gehören.

Während Umfragen zufolge bis zu zwei Drittel der Bevölkerung diesen extremen Rechtsruck als solchen wahrnehmen und ablehnen, behauptet Lafontaine, dass im Gegenteil viel zu viele Politiker als rechts stigmatisiert würden. „Es ist heute Mode geworden, auch im Journalismus, viele Forderungen, die schon seit Jahrzehnten bestehen, als AfD-nah zu stigmatisieren. Willy Brand wäre nach dieser Lesart AfD-nah. Wer wie ich für die Begrenzung der Zuwanderung eintritt, ist demnach AfD-nah“, so Lafontaine.

Die Übernahme der AfD-Politik durch die Große Koalition und seine eigene Bewegung rechtfertigt Lafontaine ausgerechnet damit, dass auf diese Weise die AfD geschwächt werde. Er vergleicht die heutige Situation mit der eklatanten Einschränkung des Asylrechts durch CDU, FDP und SPD im Mai 1993.

„Damals kamen über eine Millionen Asylbewerber und Aussiedler zu uns. An verschiedenen Orten brannten Flüchtlingsunterkünfte und Häuser“, sagt Lafontaine. „In dieser Situation haben wir den Asylkompromiss verabschiedet, nach dem Personen, die aus einem europäischen Nachbarland kommen, kein Recht auf Asyl in Deutschland haben. Die Zustimmung zu den Republikanern ging danach deutlich zurück.“

Das ist eine dreiste Lüge. Tatsächlich erzielten die rechtsradikalen Republikaner nach dem Asylkompromiss in neun der 16 Bundesländer ihre größten Wahlerfolge. Die rechtsextreme DVU erzielte sogar in fünf von insgesamt sieben Bundesländern, in denen sie zur Wahl antrat, ihr bisher bestes Ergebnis. Es steht außer Zweifel, dass die Rechtsradikalen von der Umsetzung ihrer Politik durch Union und SPD profitierten. Heute gilt das in ungleich schärferer Form.

Lafontaine übernimmt die Politik der AfD nicht, um diese zu schwächen, sondern weil er in grundlegend en Fragen mit ihr übereinstimmt. Deshalb schließt er in dem Interview auch eine Zusammenarbeit mit den Rechtsextremisten nicht aus. Die Schwesterpartei der Linken in Griechenland, Syriza, koaliert schon seit Jahren mit den rechtsradikalen „Unabhängigen Griechen“ und setzt mit ihnen zusammen heftige Sozialkürzungen durch.

Die Überschneidungen mit der AfD begrenzen sich auch nicht auf die Flüchtlingspolitik. Angesichts eskalierender Handelskriegen und wachsender Konflikte zwischen den Großmächten, beschwören Lafontaine und Wagenknecht das nationale Interesse. „Un­se­re Schlüssel­bran­chen dür­fen nicht von in­ter­na­tio­na­len Hedge­fonds, de­nen es nur um schnel­le Ren­di­te geht, zer­stört wer­den, wie ge­ra­de bei Thys­sen-Krupp“, erklärt Wagenknecht.

„So­zia­ler Aus­gleich und De­mo­kra­tie funk­tio­nie­ren ak­tu­ell nur in­ner­halb ein­zel­ner Staa­ten, auf glo­ba­ler Ebe­ne gibt es gar kei­ne He­bel da­für“, fährt die Linkspartei-Fraktionschefin fort. „Natür­lich müs­sen die Staa­ten ih­re Bür­ger vor Dum­ping­kon­kur­renz schüt­zen.“ Das ist exakt die Argumentation, mit der Handelskriege vorangetrieben werden. Zu den USA erklärt Wagenknecht unumwunden: „Wir soll­ten uns nicht ei­ner Po­li­tik un­ter­ord­nen, die unseren In­ter­es­sen wi­der­spricht.“

Als Vorbild dient Lafontaine und Wagenknecht der französische Politiker Jean-Luc Mélenchon und seine Partei „Unbeugsames Frankreich“. Mélenchon zeichnet sich durch einen extremen Nationalismus und Militarismus aus und fordert u.a. die Wiedereinführung der Wehrpflicht.

Es überrascht nicht, dass #Aufstehen insbesondere von der F.A.Z. begrüßt wird, die schon die AfD hofiert hatte. Jasper von Altenbockum, der schon 2015 gefordert hatte, der AfD eine Chance zu geben, imponiert vor allem die Form der Bewegung, die auf demokratische Prozesse und Prinzipien verzichtet. „Dem re­prä­sen­ta­ti­ven Mo­dell der De­mo­kra­tie stel­len sie das Mo­dell ei­ner di­rek­ten Füh­rer­de­mo­kra­tie ge­gen­über und be­die­nen da­mit die Sehn­sucht, dass die ‚Mehr­heit‘ oder der ‚Volks­wil­le‘ end­lich wie­der das Sa­gen ha­ben müs­se.“

„An­ti­li­be­ra­lis­mus und Ein­wan­de­rungs­kri­tik“ erinnerten an die AfD. „Was sie zum Fach­kräf­te­man­gel, zur Mi­gra­ti­on oder zur In­te­gra­ti­on sa­gen, könn­te auch vom rech­ten Flü­gel der CDU stam­men, wenn es ihn noch gä­be“, so Altenbockum.

Tatsächlich ist der CDU nicht ihr rechter Flügel abhanden gekommen. Die ganze Partei ist – wie auch CSU und SPD – weit nach rechts gerückt und die Große Koalition setzt das Programm der rechtsradikalen AfD in die Tat um. Doch die Wiederkehr des Militarismus, die Hetze gegen Flüchtlinge und die Sozialkürzungen treffen auf den Widerstand breiter Schichten, wie sich zuletzt an den Großdemonstrationen in München und Berlin zeigte. Wagenknecht und Lafontaine bieten sich an, diese Opposition zu unterdrücken und einzuschüchtern.

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