Brasilien: Bolsonaro als Führer der rechtesten Regierung seit der Diktatur vereidigt

Der faschistische ehemalige Hauptmann der Armee und Abgeordnete Jair Bolsonaro wurde am 1. Januar offiziell als Präsident von Brasilien vereidigt. Die Zeremonie war geprägt von einer massiven Mobilisierung der Sicherheitskräfte, der bewussten Unterdrückung der Medien und rechtsextremer Rhetorik.

Am Dienstag hielt Bolsonaro in kugelsicherer Weste und unter starker Bewachung zwei öffentliche Reden. Die erste hielt er zu seiner Vereidigung vor dem brasilianischen Nationalkongress. Die Arbeiterpartei (PT), die letztes Jahr die Wahl gegen ihn verloren hatte, boykottierte die Veranstaltung. Die Rede enthielt Passagen über seinen angeblichen „Einsatz für den Aufbau einer Gesellschaft ohne Diskriminierung oder Spaltungen“ und forderte einen „nationalen Pakt“, um Brasiliens krisengeschüttelte Wirtschaft auf der Grundlage einer Politik des freien Marktes wiederzubeleben.

Er rief den Kongress auf, ihn bei seiner „Mission“ zu unterstützen, Brasilien von „Korruption, Kriminalität, wirtschaftlicher Verantwortungslosigkeit und ideologischer Unterwerfung“ zu „befreien“.

Er erwies der Polizei seinen Respekt und kündigte an, die Streitkräfte würden die „nötigen Mittel bekommen, um ihre verfassungsgemäße Aufgabe zu erfüllen, die Souveränität, das Staatsgebiet und die demokratischen Institutionen zu verteidigen.“

Er hetzte gegen „Gender-Ideologie“ – ein Schlagwort der religiösen Rechten, das gegen jede Politik gerichtet ist, die Geschlechtergleichheit sowie Abtreibung oder die Rechte von Homo-, Bi- und Transsexuellen fördern soll. Außerdem kündigte er eine Reform der Schulen an, um „Kinder für den Arbeitsmarkt vorzubereiten, statt auf politische Militanz.“

Seine zweite Rede vor dem Palácio do Planalto, dem offiziellen Dienstsitz des Präsidenten, war sogar noch reaktionärer. Vor einem Publikum aus fahnenschwenkenden Anhängern belebte er in die Rhetorik seines Wahlkampfs wieder und erklärte, die Brasilianer würden sich von „Sozialismus“ und „politischer Korrektheit“ befreien. Weiter erklärte er, seine Regierung werde „die Ordnung in diesem Land wieder herstellen“.

Zum Schluss seiner Rede polterte er: „Brasilien über alles, Gott über allem“. Er schwenkte eine brasilianische Flagge und rief: „Das ist unsere Flagge und sie wird niemals rot sein. Es sei denn, unser Blut ist notwendig, um ihr Grün und Gelb zu erhalten.“

Die wichtigsten ausländischen Staatsgäste bei der Amtseinführung waren der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der rechtsextreme ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán und US-Außenminister Mike Pompeo.

Netanjahu ist der erste israelische Ministerpräsident, der Brasilien besucht. Der Hauptgrund für seine Anwesenheit war Bolsonaros Wahlkampfversprechen, die brasilianische Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, wie es zuvor bereits US-Präsident Donald Trump getan hatte. Berichten zufolge hat Netanjahu Brasilien zudem eine noch nicht näher bekannte Unterstützung in „Sicherheitsfragen“ versprochen.

Mit Orbán hat sich Bolsonaro bereits im November getroffen. Sie verbindet ihr gemeinsamer Antikommunismus und ihre Feindschaft gegenüber Migranten.

Was Pompeo betrifft, so traf sich der US-Außenminister mit Bolsonaro hinter verschlossenen Türen. Berichten zufolge war eines der Hauptthemen dabei die Zusammenarbeit bei einem Regimewechsel in Venezuela.

Die Amtseinführung steht beispielhaft für die Regierung, die ohne Zweifel die rechteste seit dem Ende der brasilianischen Militärdiktatur ist. Die Militärs kamen 1964 durch einen von der CIA unterstützten Putsch gegen Präsident Joao Goulart an die Macht und regierten das Land zwei Jahrzehnte lang.

Für die Morde, Entführungen, Folterungen und außergerichtlichen Inhaftierungen während der Diktatur wurde das Militär nie bestraft. Nachdem sie sich jedoch für eine Zeitlang bedeckt halten mussten, hat Bolsonaro die Militärs wieder in einem Ausmaß in die Regierung eingebunden, wie es seit dieser Zeit nicht mehr der Fall war. Sieben von 22 neuen Ministern der Regierung sind aktive oder ehemalige Generäle oder Offiziere.

Viele der hochrangigen Offiziere, die jetzt ins Amt gekommen sind, wurden als Befehlshaber der brasilianischen Truppen bekannt, die das Hauptelement der UN-Besatzungstruppen auf Haiti bildeten. Diese wurden von früheren PT-Regierungen entsandt. Zu diesen Offizieren gehören General Augusto Heleno, der das Sicherheitskabinett des Präsidialamtes (GSI) übernimmt, sowie Bolsonaros Regierungssekretär General Carlos Alberto dos Santos. General Ajay Porto Pinheiro, der letzte Befehlshaber auf Haiti, wird die Stelle als Stellvertreter des Oberrichters, José Antonio Dias Toffoli, am Obersten Gerichtshof übernehmen und ein weiterer General, Fernando Azevedo e Silva, der diesen Posten zuvor innehatte, wurde zum Verteidigungsminister ernannt.

General Heleno ist Absolvent der WHINSEC, der Nachfolgeorganisation der School of the Americas der US Army, und gilt allgemein als einflussreichster Militär der neuen Regierung und enger politischer Berater Bolsonaros.

Genau wie zu Beginn der Trump-Regierung in den USA haben Kommentatoren und Politiker, darunter führende Figuren der verschiedenen ehemaligen PT-Regierungen, die Behauptung in die Welt gesetzt, die Generäle würden in Bolsonaros neuer Regierung die Rolle der „Erwachsenen im Raum“ spielen.

Darin bestand etwa die Reaktion von Celso Amorum, der unter dem mittlerweile inhaftierten PT-Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva erst Außenminister und dann unter Lula da Silvas gestürzter Nachfolgerin Dilma Rousseff Verteidigungsminister war. „Ich bin in vielen Dingen nicht mit der gewählten Regierung einer Meinung, vor allem in außenpolitischen Fragen“, erklärte Amorum gegenüber der brasilianischen Tageszeitung Folha de SP. „Doch seltsamerweise kamen die sinnvollsten und ausgewogensten Äußerungen, die ich bisher gehört habe, im Allgemeinen von den Angehörigen des Militärs, die in ihr vertreten sind.“

Die PT und ihre parlamentarische Abspaltung PSOL (Partei des Sozialismus und der Freiheit) unterwarfen sich Bolsonaro vollständig. Sie waren weder willens noch in der Lage, Demonstrationen gegen seine Amtseinführung zu organisieren.

Derweil hat die CUT, der größte Gewerkschaftsbund im Umfeld der PT, gemeinsam mit anderen Gewerkschaftsverbänden einen unterwürfigen Brief an den neuen brasilianischen Präsidenten verfasst, in dem sie sich „Seiner Exzellenz respektvoll mit der Absicht [präsentieren], einen Dialog zum Wohl der Arbeiter und der brasilianischen Bevölkerung in die Wege zu leiten.“

Vor der Veröffentlichung des Briefes entschuldigte sich CUT-Präsident Vagner Freitas in einem Interview mit der spanischen Tageszeitung El Pais für seine Äußerung vom letzten November. Er hatte damals erklärt, er werde Bolsonaro „nicht als Präsidenten der Republik anerkennen“, da der ehemalige PT-Präsident Lula wegen Korruption schuldig gesprochen wurde und deshalb nicht an der Wahl teilnehmen durfte.

Freitas erklärte, Bolsonaro sei „offensichtlich auch von Arbeitern gewählt worden“ und machte dafür die sozialen Netzwerke, vor allem WhatsApp, verantwortlich. Zudem hätten die Arbeiter den ehemaligen Hauptmann als jemanden angesehen, der „außerhalb des Systems steht“, weshalb er von dem „Wunsch nach Veränderung“ habe profitieren können. Freitas machte jedoch deutlich, dass die CUT Bolsonaro als den rechtmäßigen Präsidenten Brasiliens ansieht und versuchen werde, mit ihm zu verhandeln.

Tatsächlich erzielte Bolsonaro in den ehemaligen Hochburgen der CUT und der PT im „ABC“-Industriegürtel Mehrheiten von 60 Prozent oder mehr. Der Grund für diese verheerende Niederlage der PT war, dass sie für arbeiterfeindliche Politik und die allgegenwärtige Korruption verantwortlich ist.

Gleichzeitig fordern die diversen pseudolinken Organisationen in Brasilien die CUT auf, die Arbeiter gegen Bolsonaro in den Kampf zu führen, obwohl sie schon gegen die frühere rechte Regierung von Michel Temer nichts unternommen hat. Temer wurde unter Rousseffs Regierung von der PT als Vizepräsident ausgewählt und übernahm nach Rousseffs Absetzung die Regierung. Zudem hat die CUT die früheren Angriffe der PT-Regierungen auf die Arbeiterklasse unterstützt.

Der brasilianische Aktienmarkt verzeichnete am Mittwoch als Reaktion auf Bolsonaros Amtsübernahme und die ersten Maßnahmen der neuen Regierung einen Rekordanstieg. Der neue Wirtschaftsminister Paulo Guedes, ein Anhänger des freien Marktes und Absolvent der Universität von Chicago, deutete an, worin die „Grundpfeiler“ der neuen Regierung bestehen werden. Er nannte eine „Reform“ des Sozialwesens, Privatisierungen und Steuersenkungen für Konzerne und Reiche. Die Grundlage der „Reform“ soll eine derart starke Erhöhung des Renteneintrittsalters sein, dass die Arbeiter sterben, bevor sie Leistungen beziehen können.

Die Euphorie der Finanzmärkte könnte jedoch kurzlebig sein. Bereits im Vorfeld seiner Amtseinführung waren Bolsonaro und seine künftige Regierung in eine Reihe von Skandalen jener Sorte verstrickt, wie sie Millionen von brasilianischen Arbeitern dazu gebracht haben, die PT und das bestehende politische System zu Gunsten des angeblichen „Außenseiters“ Bolsonaro zurückzuweisen. Gegen mindestens sechs seiner 22 Minister wird wegen Korruption ermittelt, darunter gegen seinen Stabschef Onyx Lorenzoni, der Bestechungsgelder des Baukonzerns Odebrecht angenommen haben soll. Daneben soll Wirtschaftsminister Paulo Guedes die Plünderung von Rentenfonds organisiert haben.

In der Zwischenzeit hat eine staatliche Regulierungsbehörde verdächtige Finanztransaktionen über das Bankkonto eines Chauffeurs von Bolsonaros Sohn in Höhe von insgesamt 1,2 Millionen Reais (305.033 US-Dollar) entdeckt. Unter diesen Transaktionen befanden sich auch Zahlungen an Bolsonaros Frau Michelle.

Bedeutender sind jedoch die sozialen Konflikte, die sich in Brasilien kurz vor der Amtseinführung ereigneten. Letzten Mittwoch ging die Polizei in São Paulo mit Tränengas, Pfefferspray und Gummigeschossen gegen eine Massendemonstration von Lehrern und städtischen Beschäftigten gegen die vom Stadtrat geplanten Rentenkürzungen vor.

Mit Bolsonaros Amtseinführung beginnt eine neue Periode großer Gefahren für die Arbeiterklasse. Doch die Einführung einer neuen, vom Militär dominierten und rechtsextremen Regierung im größten Land Lateinamerikas wird nicht ohne eine Explosion der sozialen Kämpfe vonstatten gehen.

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