Berlin: Studierendenparlament fordert Rücktritt von HU-Präsidentin Sabine Kunst

Am Mittwoch hat das Studierendenparlament der Humboldt-Universität mit großer Mehrheit den Rücktritt von Universitätspräsidentin Sabine Kunst und ihrem Vizepräsidenten für Haushalt, Ludwig Kronthaler, gefordert. Das klare Abstimmungsergebnis ist Ausdruck der weit verbreiteten Ablehnung der rechten und studierendenfeindlichen Agenda des HU-Präsidiums.

Die Forderung nach einem Rücktritt der Unipräsidentin wurde erstmals von der Fraktion der IYSSE im Oktober letzten Jahres ins Studierendenparlament eingebracht. Nachdem die Forderung damals eine Mehrheit verfehlt hatte, brachten nun die Jusos einen Eilantrag ein, der den Rücktritt fordert und diesen in sechs Punkten begründet. Der Antrag wurde mit nur drei Gegenstimmen angenommen. Dass nun mit den Jusos sogar die eigene Jugendorganisation den Rücktritt der SPD-Politikerin Kunst fordert, zeigt, wie verhasst ihre Politik in der gesamten Studierendenschaft ist.

Der Antrag führt zahlreiche Maßnahmen der Unileitung auf, die sich gegen die demokratischen Grundrechte der Studierenden richten und die Existenz einer unabhängigen verfassten Studierendenschaft in Frage stellen. So hob die Unileitung einen Beschluss der Studierendenparlaments zur Quotierung der Redeliste auf und schuf damit einen Präzedenzfall für willkürliche Eingriffe in demokratische Abstimmungen. Der Bescheid gegen die Quotierung zeige, „dass dieses Präsidium die Arbeitszeit der Rechtsabteilung bewusst dazu nutzt, die Studierendenschaft zu sabotieren“, heißt es im StuPa-Beschluss vom Mittwoch.

Wahlplakat der IYSSE

Das HU-Präsidium bereitet sich außerdem darauf vor, gegen die in der kommenden Woche anstehende Wahl zum neuen Studierendenparlament vorzugehen. Mehrere Monate, nachdem das StuPa sich eine veränderte Wahlordnung gegeben hatte, erklärte das Präsidium diese kurzerhand als „unanwendbar“, ohne das weiter zu begründen. Diesen Vorwand könnte die Uni-Leitung nutzen, um die Wahl anzufechten, falls das Ergebnis nicht zu ihrer Zufriedenheit ausfällt.

Besondere Empörung hat die faktische Entlassung von 600 studentischen Hilfskräften (SHK) ausgelöst. Nachdem die Unileitung diese Studierenden über Jahre hinweg illegal und wissentlich unter Tarif bezahlt hatte, reagierte sie auf die Aufdeckung dieses Sachverhalts, indem sie die Verträge der Betroffenen nicht verlängerte und sie damit auf die Straße setzte. In den Bibliotheken, der Verwaltung und dem gesamten Uni-Betrieb hinterlässt diese Massenentlassung bis heute eine chaotische Spur, weil selbst grundlegende Tätigkeiten und Dienstleistungen nicht mehr erledigt oder angeboten werden können.

Dieses autoritäre Verhalten der Universitätsleitung, das sich gegen jede Form der Mitbestimmung und Integration der Studierenden in den Bildungsbetrieb richtet, ist Ausdruck einer grundlegenderen Tendenz. Seit Jahren wird die Humboldt-Universität in einen rechten und militaristischen Thinktank umgebaut, in dem nicht die Bildung der Studierenden, sondern die Interessen der Wirtschaft und der Politik im Zentrum stehen. Sabine Kunst wurde 2016 an die Humboldt-Universität geholt, um dieses Programm durchzusetzen. Sie hatte zuvor schon als Präsidentin der Universität Potsdam und als Bildungsministerin in Brandenburg die Zusammenarbeit der Universität mit dem Militär und ihre Unterordnung unter die Wirtschaft vorangetrieben.

An der HU trieb sie diese Politik noch aggressiver voran. Im April 2017 stellte sie sich ausdrücklich sowohl hinter den militaristischen Professor Herfried Münkler als auch hinter den rechtsradikalen Professor Jörg Baberowski und verleumdete öffentlich studentische Kritiker. Baberowski hatte zuvor seine Stellung als Professor genutzt, um ein rechtsextremes Netzwerk aufzubauen, in dem alles vertreten ist, was in der Neuen Rechten Rang und Namen hat.

Schon im Februar 2014 hatte Baberowski im Spiegel den Nazi-Apologeten Ernst Nolte verteidigt und behauptet, dass Hitler nicht grausam gewesen sei. Kunst verteidigte den Osteuropa-Historiker auch dann noch, als das Oberlandesgericht Köln nach einer Klage Baberowskis feststellte, dass seine studentischen Kritiker ihn korrekt zitiert hätten und deshalb die Bezeichnungen als „rechtsradikal“, „gewaltverherrlichend“ und „rassistisch“ legitim seien. Kunst erklärte daraufhin in einer offiziellen Stellungnahme, dass Baberowski ein „hervorragender Wissenschaftler“ sei. „Mediale Angriffe“ auf ihn seien „inakzeptabel“, schrieb Kunst und brachte seine Kritiker mit „Gewalt und Extremismus“ in Zusammenhang.

Das Studierendenparlament forderte die Unileitung daraufhin mit überwältigender Mehrheit auf „von ihren Solidaritätsbekundungen mit Professor Baberowski öffentlich wieder abzurücken“. Weit davon entfernt begann Kunst stattdessen, immer aggressiver gegen die verfasste Studierendenschaft vorzugehen und die kritischen Studierenden mundtot zu machen. Sie arbeitete dabei eng mit rechtsradikalen Kreisen zusammen.

Im vergangenen Juli verklagte sie den RefRat (gesetzlich AStA) auf Herausgabe der Namen sämtlicher im RefRat aktiven Studierenden der letzten zehn Jahre. Sie setzt damit eine Initiative der AfD im Abgeordnetenhaus mit aggressiven Mitteln gegen den RefRat durch. Während andere Berliner Universitäten die Herausgabe der Namen politisch aktiver Studierender an die rechtsextreme Partei mit Hinweis auf den Datenschutz verweigerten, zog HU-Präsidentin Kunst vor Gericht. Der StuPa-Beschluss vom Mittwoch erklärt hierzu, die Unileitung habe „in vorauseilendem Gehorsam gegenüber der rechtsradikalen Partei gehandelt“, ihr Verhalten sei „in keiner Weise nachvollziehbar“.

Kunst hat der Studierendenschaft außerdem angedroht, eigenmächtig deren Satzung zu ändern, wenn sie sich weigern sollte, festzuschreiben, dass die Namen aller zukünftigen RefRat-Mitglieder automatisch veröffentlicht werden. Ein solches autoritäres und selbstherrliches Vorgehen stellt, wie es im StuPa-Beschluss heißt, „einen erheblichen Angriff“ auf die Satzungsautonomie der Studierendenschaft dar.

Der Abgeordnete der IYSSE im Studierendenparlament, Sven Wurm, unterstützte den Antrag im Namen seiner Fraktion und beantragte, im Text noch einmal explizit auf die Verteidigung Baberowskis durch Kunst einzugehen. Elf Abgeordnete unterstützten den Änderungsantrag, einer stimmte dagegen; wegen zahlreicher Enthaltungen wurde er schließlich aber nicht in den endgültigen Beschlusstext eingefügt.

Vertreter des Berliner Senats aus SPD, Grünen und Linkspartei reagierten auf die Verabschiedung der Forderung nach Kunsts Rücktritt hoch nervös. Der zuständige Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung, Steffen Krach (SPD), beeilte sich auf Twitter seine Unterstützung für Kunst zu erklären: „Ich halte Sabine Kunst für eine sehr gute Präsidentin und arbeite gern mit ihr zusammen“, schrieb er. Die zahlreichen Aufforderungen von Studierendenvertretern, sich zu den konkreten Kritikpunkten des Studierendenparlaments zu äußern, blieben allesamt unbeantwortet.

„Die klare Positionierung des rot-rot-grünen Senats bestätigt, was wir immer gesagt haben“, kommentierte Wurm. „Kunst ist nicht einfach eine autoritäre und rechte Präsidentin, sie wurde bewusst eingesetzt, um die HU in einen rechten Thinktank zu verwandeln.“ Deshalb sei die Wahl der IYSSE bei der kommenden StuPa-Wahl am 23. und 24. Januar von größter Bedeutung. „Denn der Kampf gegen die rechten Tendenzen an der HU ist Teil eines internationalen Kampfs gegen Nationalismus und Krieg und erfordert ein umfassendes sozialistisches Programm“, so Wurm.

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