Pflegeversicherung: Höhere Beiträge seit Anfang Januar

Seit dem 1. Januar 2019 wird ein um 0,5 Prozent angestiegener Beitragssatz zur Pflegeversicherung erhoben. Im November letzten Jahres hat der Bundestag einen entsprechenden Gesetzentwurf aus dem Gesundheitsministerium Jens Spahns (CDU) mit den Stimmen von CDU und SPD gebilligt. Davor hatten die Medien andauernd über den Pflegenotstand, vor allem in den Pflegeheimen, berichtet.

Damit wird der Beitragssatz in allen Bundesländern, außer Sachsen, auf 3,05 Prozent angehoben; für Kinderlose ab dem 23. Lebensjahr steigt er auf 3,3 Prozent. Arbeitnehmer und Arbeitgeber bezahlen je zur Hälfte. Das gilt jedoch nicht für den 0,25 Prozentpunkte betragenden Extrazuschlag, den die Kinderlosen selbst aufbringen müssen. Rentner und Selbstständige müssen den Beitrag zur Pflegeversicherung selbst bezahlen. Für Arbeitslose übernimmt die Agentur für Arbeit in der Regel die Versicherungsbeiträge.

Die Erhöhung der Beitragssätze soll den Pflegekassen mit jährlich 7,6 Milliarden Mehreinnahmen zugutekommen. Im Gegenzug wird der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung um 0,5 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent gesenkt. Allerdings sind davon nur 0,4 Prozent bis 2022 gesetzlich festgeschrieben.

Neben dem offensichtlichen Notstand in den ca. 13.000 Pflegeheimen in Deutschland wird die Erhöhung des Beitragssatzes mit dem Pflegestärkungsgesetz II begründet, das die Vorgängerregierung Anfang 2017 auf den Weg brachte. Die damalige Erhöhung des Pflegesatzes um 0,2 Prozentpunkte sei für die Erweiterung des Pflegebegriffs auf psychisch Erkrankte, vor allem Demente, bei Weitem nicht ausreichend gewesen. Die bisherigen drei Pflegestufen wurden damals auf 5 Stufen erweitert.

Diese Reform habe zu einem starken Anstieg der offiziell Pflegebedürftigen geführt. Gab es 2015 noch 2,86 Millionen, so werden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes für 2030 schon 3,62 Millionen Pflegebedürftige erwartet.

Nach einer online-Veröffentlichung auf Krankenkassenzentrale.de führt auch die demographische Entwicklung zu immer weiter steigenden Ausgaben bei der Pflegeversicherung. Nach ihren Berechnungen verbucht die Pflegeversicherung bis Jahresende 2018 ein Defizit von 3,1 Milliarden Euro. Ohne eine Anhebung des Beitragssatzes könnte sich das jährliche Defizit bis zum Jahr 2022 auf fast 5 Milliarden Euro erhöhen.

Die Bundesregierung arbeitet darauf hin, dass immer mehr arbeitende Menschen zwar immer höhere Beiträge in die Pflegeversicherung einbezahlen, aber zuhause von Angehörigen kostengünstig versorgt werden. Ein pflegender Angehöriger bekommt für seine Arbeit bei Pflegegrad III 545 Euro pro Monat, bei der professionellen Pflege durch einen ambulanten oder stationären Pflegedienst bezahlt die Pflegekasse dagegen monatlich 1298 Euro.

Um diese Entwicklung weiter zu befördern wurden in den letzten Jahren in größeren deutschen Gemeinden sogenannte „Pflegestützpunkte“ eingerichtet, die explizit die Aufgabe haben, für mehr häusliche Pflege zu sorgen. Tatsächlich ist der Anteil der Alten, der zuhause von Angehörigen versorgt wird, in den vergangenen Jahren von etwa zwei Drittel massiv auf ca. drei Viertel aller Pflegebedürftigen angestiegen.

Gleichzeitig mit der Anhebung der Pflegebeiträge hat Gesundheitsminister Spahn am 1. Januar 2019 ein Sofortprogramm im Gesundheitsbereich in Kraft gesetzt. Darin verspricht er beispielsweise den bestehenden Pflegeeinrichtungen 13.000 neue Pflegekräfte. Um die Ziele zu erreichen, möchte er den Pflegeberuf durch verschiedene Maßnahmen attraktiver gestalten.

Dazu gehört beispielsweise die längst fällige tarifliche Bezahlung des Pflegepersonals, Förderung der Digitalisierung bis 12.000 Euro je Einrichtung, Erhöhung der Mittel zur Selbsthilfe in der Pflegeversicherung von 80 auf 120 Millionen Euro, eine nicht näher spezifizierte Qualitätssicherung in den Pflegeeinrichtungen ab Oktober 2019, verbesserte Kooperationsverträge mit Ärzten, sowie Mehrausgaben von bis zu 70 Millionen Euro für die Gesundheitsversorgung des Pflegepersonals (für Krankenhäuser und Altenpflege zusammen).

Rehabilitationsleistungen für die zumeist extrem überforderten pflegenden Angehörigen sollen dagegen wie bisher in der Verantwortung der Rentenversicherung verbleiben.

Bei dem Sofortprogramm geht es vor allem um ein breit angelegtes Manöver, um die Beitragserhöhungen zu rechtfertigen und von der Realität abzulenken. Tatsächlich hat sich die Pflegesituation dramatisch verschärft, da immer mehr Alte, Berufstätige und Menschen, die nebenher kein Geld mehr verdienen können, die Pflegebedürftigen unter prekären und körperlich sehr belastenden Verhältnissen daheim versorgen.

Kritiker halten auch die versprochenen 13.000 Stellen für nicht ausreichend und sprechen von 35.000 oder mehr erforderlichen neuen Pflegekräften allein in der stationären Altenpflege. Der Pflegeexperte Albrecht Klöpfer vom Institut für Gesundheitssystem-Entwicklung fürchtet: „Wenn man nicht aufpasst, müssen die Alten und deren Angehörige am Ende die zusätzlichen Stellen selbst bezahlen.“ Letztendlich bleibe offen, ob die Anhebung der Pflegeversicherungsbeiträge überhaupt für mehr Personal bei der Versorgung der Pflegebedürftigen sorgen könne.

Die gesetzliche Pflegeversicherung gibt es seit dem 1. Januar 1995. Waren zuvor die Kosten für die pflegebedürftigen Alten von den Sozialämtern als gesellschaftliche Aufgabe übernommen worden, so wurden die Kosten der Pflege ab diesem Zeitpunkt auf die arbeitende Bevölkerung selbst abgewälzt. Nachdem die Gewerkschaften bei den Tarifabschlüssen 1994 dafür gesorgt hatten, dass Lohnsenkungen durchgesetzt werden konnten, sahen sich die Regierungskoalition und die SPD dazu ermutigt, einige der schon lange geplanten Gesetzesvorhaben auf den Weg zu bringen, die die soziale Lage der Arbeiter weiter verschlechterten.

Die Pflegeversicherung wurde von Sozialminister Norbert Blüm (CDU) mit Unterstützung der SPD über die Bühne gebracht. Sie nahm den Arbeitnehmern nochmal 1 Prozent von ihrem Lohn weg.

Dieses Vorgehen kam allein der herrschenden Elite zugute. Sie hat mit diesem Angriff auf die Versorgung der alten Menschen jedoch lediglich bewiesen, dass sie weder willens noch in der Lage ist, für die Befriedigung der notwendigen gesellschaftlichen Bedürfnisse zu sorgen, deren unabdingbarer Bestandteil eine menschenwürdige Versorgung alter Menschen ist.

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