Wahlabschlussveranstaltung der IYSSE an der Humboldt-Universität Berlin

Wie kann der Aufstieg der extremen Rechten gestoppt werden?

Über 50 Studierende und junge Arbeiter nahmen am Dienstag an der Wahlabschlussveranstaltung der IYSSE an der Humboldt-Universität teil. Am heutigen Donnerstag ist der letzte Wahltag, an dem Studierende der HU ihre Stimme für die Sozialisten der Liste 5 abgeben können.

Die Veranstaltung stand unter dem Titel „Sozialismus oder Barbarei? Wie kann der Aufstieg der extremen Rechten gestoppt werden“. Zu dieser Frage sprach gleich zu Beginn Christoph Vandreier, der Autor des Buchs „Warum sind sie wieder da?“ und stellvertretende Vorsitzende der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP).

Er begann seinen Vortrag mit der Feststellung, das Wachsen rechtsextremer Tendenzen sei nicht auf Deutschland beschränkt, sondern ein internationales Phänomen. In den USA trete Trump offen nationalistisch auf und nutze den so genannten „Shutdown“, um ein diktatorisches Regime zu errichten. In Italien und Österreich seien Rechtsradikale und Faschisten an der Regierung beteiligt. Der italienische Innenminister habe in den vergangenen Tagen mit einem einzigen Dekret über Nacht 125.000 Menschen zu Illegalen erklärt und zur Massendeportation freigegeben. Es sei diese kriminelle Politik, die dazu führe, dass ein regelrechter Massenmord an Flüchtlingen im Mittelmeer stattfinde.

Es sei keine Übertreibung von kapitalistischer Barbarei zu sprechen. „Allein am vergangenen Wochenende wurden erneut 170 Menschen durch unterlassene Hilfeleistung auf dem Mittelmeer getötet“, betonte Vandreier.

Hier in Deutschland werde die AfD systematisch aufgebaut, um eine rechte Agenda der militärischen Aufrüstung, sozialer Angriffe und von Diktaturmaßnahmen durchzusetzen. In der Polizei, der Bundeswehr und den Geheimdiensten gebe es rechtsradikale Netzwerke. Sie seien bekannt und würden toleriert und systematisch verharmlost.

„Die Kumpanei des Establishment mit den Rechtsextremisten wurde nicht zuletzt hier an der HU deutlich: Rechtsextremisten reißen unsere Plakate ab, greifen Studierende an, die sie aufhängen, und versuchen unsere Veranstaltungen zu sprengen. Die Universitätsleitung stellt sich nach wie vor hinter diese Kräfte, geht zusammen mit ihnen gegen den Refrat vor und bedroht kritische Studierende“, sagte Vandreier.

Er betonte, dass die Ursache für den Aufstieg der Rechten die historische Krise des Kapitalismus sei und daher der Kampf gegen Faschismus einen Kampf gegen den Kapitalismus erfordere. „Die gleichen Widersprüche, die zur Barbarei des 20. Jahrhunderts führten, brechen heute wieder auf: Soziale Ungleichheit, Nationalismus und Imperialismus.“

Vandreier zitierte den gerade veröffentlichten Oxfam-Bericht, der zeigt, dass allein im letzten Jahr die Vermögen der Milliardäre der Welt um 900 Milliarden Euro oder 12 Prozent gewachsen sind. Die ärmere Hälfte der Menschheit, also 3,8 Milliarden Menschen hätten im selben Zeitraum einen Vermögensverlust von 11 Prozent hinnehmen müssen.

Diese rapide wachsende soziale Ungleichheit zerstöre die Grundlage aller demokratischen Strukturen. Die bürgerliche Herrschaft sei nicht länger mit Demokratie vereinbar, und deshalb würden rechtsextreme und faschistische Organisation systematisch „von oben“ aufgebaut.

Aber es gebe ein wachsende Gegenbewegung. Die zunehmenden Streiks und Arbeitskämpfe in vielen Ländern, die Gelbwesten-Bewegung in Frankreich und andere soziale Proteste seien deutliche Anzeichen einer Wiederkehr großer Klassenkämpfe. Alles hänge nun vom Aufbau einer revolutionären, sozialistischen Führung der Arbeiterklasse ab, erläuterte Vandreier.

Das erfordere einen intensiven politischen Kampf gegen diejenigen, die sich als „Linke“ bezeichnen, aber rechte Politik machen. Die Rolle dieser Pseudolinken bestehe darin, jede unabhängige Bewegung der Arbeiterklasse zu unterdrücken. Vandreier schilderte die Rolle von Syriza, die in Griechenland im Bündnis mit den rechtsradikalen Unabhängigen Griechen sehr viel brutalere Sparmaßnahmen als ihre konservativen oder sozialdemokratischen Vorgänger durchsetzte. Auch hier in Berlin habe die Linkspartei im Bündnis mit der SPD krassere Kürzungen beschlossen als irgendeine andere Landesregierung.

Vandreier schloss mit den Worten: „Wir erklären absolut unmissverständlich, dass man die Rechten nur bekämpfen kann, wenn man die Verantwortung der Linkspartei benennt und die Arbeiter auf diese Weise zu einem unabhängigen Kampf befähigt.“

Sven Wurm

Sven Wurm, Sprecher der IYSSE-Hochschulgruppe und Kandidat zur StuPa-Wahl, betonte gleich zu Beginn seines Vortrags, dass sich „hier an der Humboldt-Universität alle politischen Fragen und Konflikte wie unter einem Brennglas“ zugespitzt hätten: Rückkehr von rechter Ideologie, Rechtfertigung von imperialistischer Großmachtpolitik, autoritäre Herrschaftsformen.

Er schildert sehr anschaulich den politischen Kampf der IYSSE an der HU in den vergangenen fünf Jahren, der mit der Frage begann: „Bleiben die Universitäten Zentren der Wissenschaft und der freien Auseinandersetzung? Oder werden sie wieder, wie schon früher in der deutschen Geschichte, zu staatlich gelenkten Kaderschmieden für rechte und militaristische Ideologien?“

Als Professor Herfried Münkler erklärte, es sei falsch, Deutschland für die Verbrechen im Ersten Weltkrieg und den barbarischen Terror der Nazis im Zweiten verantwortlich zu machen, und als Jörg Baberowski im Spiegel verkündete, „Hitler war kein Psychopath, er war nicht grausam“, und den Nazi-Apologeten Ernst Nolte verteidigte, „war von Seiten der Professorenschaft ein einziges lautes Schweigen zu vernehmen“, erklärte Wurm.

Als die IYSSE dagegen auftraten, seien sie von der Universitätsleitung sofort scharf angegriffen worden. Vor drei Jahren sei die SPD-Politikerin und ehemalige Wissenschaftsministerin in Brandenburg, Sabine Kunst als HU-Präsidentin geholt worden, um Baberowski zu verteidigen und die Verwandlung der Universität in einen reaktionären militaristischen Thinktank voranzutreiben.

Sven Wurm erläuterte, wie es der IYSSE gelang, unter den Studierenden Widerstand zu entwickeln. Es sei notwendig gewesen, immer wieder deutlich zu machen, dass die Geschichtsfälschungen in direktem Zusammenhang mit der rechten Politik der Bundesregierung und der Wiederkehr des deutschen Militarismus stehen.

In der vergangenen Woche habe sich das Studierendenparlament mit großer Mehrheit für den Rücktritt des HU-Präsidiums um Sabine Kunst und Ludwig Kronthaler ausgesprochen. Das sei ein wichtiger Erfolg.

Wurm stellte die Frage: „Was hat uns in die Lage versetzt, diese Fragen von Beginn an so deutlich herauszuarbeiten? Warum sind wir die einzigen, die die Entwicklungen an der HU in ihrem größeren politischen Rahmen erklären und dagegen Widerstand mobilisieren?“

Das liege „nicht einfach daran, dass wir besonders engagiert bei der Sache sind. Natürlich sind wir das. Aber der eigentliche Grund liegt in unserer Herangehensweise an politische Fragen. Wir sind die Jugend- und Studierendenorganisation des Internationalen Komitees der Vierten Internationale. Wir sind Trotzkisten und stützen unser Arbeit auf die wissenschaftliche Grundlage Marxismus.“

Genevieve Leigh spricht über Live-Schaltung

Der dritte Vortrag stieß unter den Anwesenden auf große Aufmerksamkeit. Denn über eine Live-Übertragung war Genevieve Leigh, die nationale Sekretärin der amerikanischen IYSSE, zugeschaltet. Sie schilderte die Situation in den USA und berichtete, dass die Wut und Empörung über Donald Trump und seine reaktionären Attacken auf Flüchtlinge und Einwanderer ständig zunimmt.

„Aber was ist der Charakter der so genannten Opposition?“, fragte sie. Die Demokratische Partei trommle wie besessen für einen Krieg gegen Russland. Sie habe sich in eine Organisation aggressiver Kriegshetzer verwandelt.

„Genau wie bei Euch die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD den Weg für den Aufstieg der AfD ebnet und deren Politik übernimmt, so sind die Demokraten in den USA die Wegbereiter für Trump.“ Trump sei die eine Form, die das kranke Gesellschafts- und Sozialsystem hervorbringe, die Demokraten die andere.

Für Arbeiter und Jugendliche in Europa und weltweit sei es sehr wichtig zu verstehen, dass es zwei Amerikas gebe. „Auf der einen Seite das Amerika der Reichen mit ihren Bomben und Raketen, und auf der anderen das Amerika der Arbeiterklasse, der großen Mehrheit der Bevölkerung, die nicht das geringste Interesse an Krieg und weltweiter Überwachung durch die NSA hat und sich für soziale Gleichheit und Frieden einsetzt.“

Leigh schilderte dann, wie sich die Streikbewegung der Lehrer in den USA ausgebreitet hat und wie die IYSSE in vielen Städten eingegriffen hat, um für ein internationales sozialistisches Programm zu kämpfen.

Sie berichtete, dass die IYSSE in Michigan aktiv an der Vorbereitung einer Arbeiterversammlung beteiligt war, auf der Anfang Dezember der Aufbau von unabhängigen Aktionskomitees beschlossen wurde, um gegen Massenentlassungen, Betriebsschließungen und Sozialabbau zu kämpfen.

Abschließend betonte sie: „Für alle Jugendliche und Studenten überall auf der Welt, die für Sozialismus und gegen Reaktion und Krieg kämpfen wollen, ist die eigene politische Ausbildung das wichtigste.“ Es sei notwendig die geschichtlichen Lehren zu studieren, die in ganz besonderem Maße in der trotzkistischen Bewegung aufgehoben seien. Die IYSSE der USA verbänden daher ihr Eingreifen an den Universitäten und Betrieben mit einem intensiven Studium der Geschichte der Vierten Internationale.

Alle Redebeiträge riefen großes Interesse und eine lebhafte Diskussion hervor.

Reporter der IYSSE sprachen nach der Veranstaltung mit Teilnehmern über die Vorträge. Max, der in einem Handelsbetrieb arbeitet, fand die Veranstaltung sehr informativ: „Ich fand die Vorträge sehr aufklärend. Ich studiere zwar nicht an der HU, sondern wurde durch meine Schwester darauf aufmerksam gemacht, mit der ich auch heute hier war, aber nach dem Vortrag muss ich sagen, dass ich die Arbeit der IYSSE sehr ansprechend und gut finde.“

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