Wissenschaft und soziale Krise im Jahr 2019

In den ersten Tagen des neuen Jahres haben eine Reihe bedeutender wissenschaftlicher Durchbrüche die enorme Fähigkeit der Menschheit unter Beweis gestellt, die Welt zu verstehen und auf dieser Grundlage die zahlreichen sozialen Missstände der heutigen Zeit zu überwinden:

  • Am 1. Januar flog das Raumschiff New Horizons der NASA am Kuiper-Gürtel-Objekt Ultima Thule vorbei. Es war nach Pluto der zweite Himmelskörper, der von New Horizons erforscht wurde, und der am weitesten entfernte Asteroid, der jemals von einem von der Erde ausgesandten Erkundungsroboter beobachtet wurde. Die von der Sonde zurückgesandten Daten, die von einem internationalen Team aus Hunderten Wissenschaftlern und Ingenieuren ausgewertet werden, fließen bereits in die Erforschung der Frühgeschichte unseres Sonnensystems ein.
  • Am 3. Januar erreichte die Mondmission der China National Space Administration (CNSA) Chang'e 4 die erste weiche Landung auf der erdabgewandten Seite des Mondes und setzte ihren Rover Yutu-2 erfolgreich in Betrieb. Die wissenschaftlichen Experimente wurden in Zusammenarbeit mit Forschern aus China, Deutschland, den Niederlanden, Saudi-Arabien und Schweden entwickelt und werden von ihnen gemeinsam betrieben. Das Landemodul schickte die ersten Nahaufnahmen der weniger erforschten Hälfte des Mondes über einen Relaissatelliten zurück, der so positioniert war, dass er gleichzeitig mit der Erde und dem Modul kommunizieren konnte. Sowohl New Horizons als auch Chang'e 4 gehören zu den Dutzenden von Raumfahrzeugen, Landemodulen und Rovern, die derzeit Erde, Sonne, Mond, Mars, Venus, Jupiter, sowie Asteroiden, Kometen und sogar die Regionen unmittelbar außerhalb unseres Sonnensystems untersuchen.
  • Am 4. Januar erbrachten Wissenschaftler des United States Department of Agriculture und der University of Illinois den Nachweis, dass es möglich ist, gentechnisch veränderte Pflanzen herzustellen, die einen „Fehler“ bei der Photosynthese beheben. Dieser Fehler führt manchmal dazu, dass Pflanzen Giftstoffe produzieren, die entfernt werden müssen. Bei Kulturen, die ohne diesen Fehler angebaut werden, könnte die Produktivität um 40 Prozent gesteigert werden und dazu beitragen, den Klimawandel einzudämmen und den Hunger in der Welt zu beseitigen.
  • Am 14. Januar gaben Wissenschaftler, die Chang'e 4 betreiben, die erfolgreiche Keimung von Pflanzen bekannt, die als Nahrungsmittel oder als Grundlage für Textilien dienen. Die Keimung erfolgte unter Einfluss von Sonnenstrahlung und unter der sehr geringen Schwerkraft des Himmelskörpers. Baumwolle, Kartoffeln und Raps wurden in einer miniaturisierten, künstlichen, selbsttragenden Umgebung angebaut, die als Teil der wissenschaftlichen Nutzlast des Raumschiffs gestartet wurde. Obwohl das Experiment das Ende seiner Lebensdauer erreicht haben soll, war es ein entscheidender Schritt für die Errichtung und Aufrechterhaltung menschlicher Siedlungen auf dem Mond, dem Mars und darüber hinaus.
  • Gleichzeitig werden maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz in immer weitere Aspekte des modernen Lebens integriert, beispielsweise die Medizin, das Transportwesen und die Fertigung. Informatiker erforschen ständig neue Einsatzmöglichkeiten dieser Technologie und sind bisher an keine Grenzen gestoßen. Ganze Städte werden immer mehr von KI unterstützt. Selbstfahrende Autos stehen kurz vor der Massenproduktion.

Jede dieser Errungenschaften birgt das Potenzial, die Notwendigkeit harter Arbeit zu verringern, den Zeit- und die Arbeitsaufwand für den Bau von Häusern, Schulen und Krankenhäusern erheblich zu reduzieren, die Landwirtschaft und den Verkehr zu automatisieren und Durchbrüche in der Medizin und der Gesundheit zu erzielen. Diese Fortschritte widerlegen die heute allgegenwärtige Verherrlichung des Irrationalismus, sei es durch die Kultivierung von Rückständigkeit und religiösen Vorurteilen oder durch die postmodernen Theorien mit ihrer Ablehnung der objektiven Wahrheit. Sie sind ein eindringlicher Beweis für die materialistische Weltanschauung, der zufolge es objektive Naturgesetze gibt, die der Mensch verstehen und praktisch nutzbar machen kann, um sich ein besseres Leben zu schaffen.

Zugleich stehen diese Durchbrüche im krassen Gegensatz zur sozialen Lage zu Beginn des Jahres 2019:

  • Die jüngsten Daten der Weltgesundheitsorganisation UNICEF und der Weltbank zeigen, dass jeder neunte Mensch, das heißt 815 Millionen Menschen, an Unterernährung oder Hunger leidet und 9,1 Millionen Menschen jährlich an Hunger sterben. 150 Millionen Kinder hungern, und 3,1 Millionen verhungern jedes Jahr.
  • Derzeit sind 68,5 Millionen Menschen vor Krieg, Verfolgung und Unterdrückung auf der Flucht. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen gibt es weitere 210 Millionen Menschen, die von den Folgen des Klimawandels vertrieben wurden.
  • In jedem Land fördert das politische Establishment wieder faschistische und rechtsextreme Ideologien. Rechtsradikale Parteien sind Teil der Regierungen in Italien, Österreich, Brasilien, Polen, Ungarn, Japan, Finnland, Bulgarien, Tschechien, der Slowakei, den Philippinen und Griechenland. Die Alternative für Deutschland (AfD) wurde in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages willkommen geheißen und ihre Flüchtlings- und Innenpolitik wurde vom Staat übernommen. In Frankreich huldigte Präsident Macron offen dem faschistischen Diktator aus dem Zweiten Weltkrieg, Marschall Philippe Pétain.
  • Tausende von Wissenschaftlern der NASA, der Umweltforschungsbehörde NOAA, der National Science Foundation, der US-Landwirtschaftsbehörde und des international renommierten Forschungszentrums National Institutes of Health befinden sich derzeit im Zwangsurlaub, weil ihre Einrichtungen infolge des Haushaltsstreits geschlossen bleiben. Dutzende von Langzeitversuchen, die für die Überwachung des Klimas, der Landwirtschaft und der öffentlichen Gesundheit von entscheidender Bedeutung sind, werden zunehmend beeinträchtigt. Diese Katastrophe für die wissenschaftliche Forschung kommt zu einem Zeitpunkt, da Demokraten und Republikaner gleichermaßen die neuesten technologischen Entwicklungen, einschließlich Drohnen und Sensoren, gegen verzweifelte Migranten einsetzen, die der von den USA geförderten Unterdrückung und Armut in Mittelamerika entkommen wollen.

Das sind nur einige der Widersprüche des Lebens im 21. Jahrhundert. Während moderne Technologie genutzt wird, um den Weltraum zu erforschen, höhere Formen der globalen Koordination zu entwickeln und das Potenzial wesentlicher biologischer Prozesse zu erschließen, wird sie gleichzeitig missbraucht, um Militarisierung, Zensur und Unterdrückung im In- und Ausland zu verstärken. Jeder Fortschritt in der Weltraumforschung ist mit einer zunehmenden internationalen Militarisierung und der wachsenden Gefahr eines Weltkriegs verbunden. Für jede Rakete, die den Kosmos erforschen soll, werden viele weitere entwickelt und gebaut, um die Menschheit ganz oder teilweise zu vernichten. Die Pflanzenkunde wird nicht genutzt, um die Abermillionen hungernder Menschen auf sechs Kontinenten zu ernähren, sondern um die Gewinne und die Marktdominanz einiger weniger Agrarkonzerne zu steigern und biologische und chemische Waffen zu entwickeln. Im Kapitalismus dient die Wissenschaft nicht zur Verringerung, sondern zur Steigerung der sozialen Ungleichheit.

Eine besonders zwiespältige Rolle spielt die künstliche Intelligenz. Sie wird von Unternehmen wie Amazon, Uber und Lyft immer stärker genutzt, um jeden Schritt ihrer Mitarbeiter zu verfolgen und sie zu zwingen, länger und härter zu arbeiten. Gleichzeitig eliminiert die zunehmende Automatisierung zehntausende Jobs. Und unterdessen setzen Google, Facebook und andere Unternehmen diese Technologie ein, um in Zusammenarbeit mit dem US-Militär und den Geheimdiensten massenhaft linke, antikapitalistische und sozialistische Publikationen zu zensieren, Einwanderer mit Gesichtserkennung aufzuspüren, praktisch jeden Menschen auszuspionieren und in immer größerem Umfang die Weltbevölkerung zu bekriegen.

Beide Fraktionen der US-Regierungselite befinden sich im Krieg mit der Wissenschaft. Trump und die Republikaner leugnen den Klimawandel und fördern offen religiösen Obskurantismus. Der offizielle Liberalismus und der Wissenschaftsbetrieb halten es mit der Postmoderne, die jede Vorstellung von objektiver Wahrheit bestreitet, die Anwendung der wissenschaftlichen Methode auf das menschliche Denken, die Gesellschaft und die Kultur ablehnt und insbesondere die revolutionäre Rolle der Arbeiterklasse leugnet.

Im Gegensatz dazu betonen Marxisten, dass die Wissenschaft auf die Gesellschaft angewendet werden kann und muss – vor allem auf die sozioökonomischen Strukturen, in denen die Menschheit derzeit verhaftet ist. Es geht darum, die ideologische Dominanz der Unternehmenselite zu durchbrechen und die Ereignisse unter dem Aspekt der Klassenkräfte zu untersuchen, die darin am Werk sind. Die Voraussetzung hierfür ist ein Studium des Marxismus, der seine revolutionäre Politik auf eine Analyse der objektiven Realität und der Klasseninteressen gründet. Damit verbunden ist eine Hinwendung zur Arbeiterklasse, der einzigen fortschrittlichen, revolutionären und internationalen sozialen Kraft auf unserem Planeten.

Die Arbeiterklasse eröffnet der Menschheit eine Alternative zu Krieg, Armut und sozialem Elend, die dem Kapitalismus innewohnen. Es ist bemerkenswert, dass die Lehrerinnen und Lehrer von Los Angeles in ihrem aktuellen Streik nicht nur bessere Bezahlung und kleinere Klassen fordern, sondern auch die Verteidigung der öffentlichen Bildung gegen die Angriffe der kapitalistischen Oligarchie. Während die herrschende Elite darauf bedacht ist, die Gesellschaft zurückzuzerren, bietet ihr die Arbeiterklasse im Kampf für den Sozialismus einen Weg nach vorn.

Nur in einer sozialistischen Gesellschaft können die gewaltigen wissenschaftlichen und technologischen Errungenschaften der Menschheit aus Knüppeln zur Durchsetzung von Klassenausbeutung und Kriegsführung in Werkzeuge für ein gutes und erfüllendes Leben für alle Menschen verwandelt werden.

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