Berliner Fluggesellschaft Germania meldet Pleite an

Am Dienstag meldetet die Berliner Fluggesellschaft Germania Insolvenz an. Unmittelbar betroffen sind rund 1700 Beschäftigte und viele Reisende, die von der Nachricht überrascht wurden und im In- oder Ausland gestrandet sind.

Bereits in der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass die Airline nicht in der Lage sei, die Januargehälter auszuzahlen. Doch das Management dementierte die Nachricht und erklärte, es handele sich nur um einen vorübergehenden Zahlungsengpass. Am frühen Dienstagmorgen teilte ein Unternehmenssprecher dann überraschend mit, dass die zentralen Teil-Gesellschaften Germania Fluggesellschaft mbH, Germania Technik Brandenburg GmbH und Germania Flugdienste GmbH den Insolvenzantrag beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg eingereicht hätten. Der Flugbetrieb sei noch in der Nacht eingestellt worden.

Germania war Deutschlands viertgrößte Fluglinie. Nach der Pleite von Air Berlin vor anderthalb Jahren ist das ein weiterer Schlag für die Beschäftigten der Luftfahrtindustrie.

Die Germania bestand seit dreißig Jahren als Linien- und Charterfluggesellschaft und hatte sich in der Vergangenheit zu einem beliebten Ferienflieger entwickelt. Sie war eng mit Regionalflughäfen verbunden, wie Rostock-Laage, Dresden, Erfurt, Bremen und Münster-Osnabrück, die nun teilweise um ihre Existenz fürchten. Viele Jahre hatte sich Germania auf so genannte Nischenstrecken spezialisiert und war damit den großen Konkurrenten nicht ins Gehege gekommen.

Neben Ferienflügen nach Mallorca hatte sich die Airline auf Flüge in die Türkei fokussiert. In Deutschland lebende Türken nutzten sie regelmäßig, um in die Heimat zu reisen. Nur ein Teil der Flotte flog Strecken im eigenen Liniennetz. Ein anderer Teil wurde an andere Anbieter verleast. So flog Germania im Auftrag großer Reiseveranstalter und setzte zwei Flugzeuge für Airbus im Werksverkehr ein.

Insgesamt beförderte Germania auf der Kurz- und Mittelstrecke mehr als vier Millionen Passagiere im Jahr zu mehr als 60 Zielen. Zusammen mit der Schweizer Germania Flugbetrieb AG und der Bulgarian Eagle betrieb Germania zuletzt 37 Flugzeuge.

Auf den wachsenden Konkurrenzkampf reagierte die Unternehmensleitung in den vergangenen Jahren mit einer massiven Expansion. Im Sommer 2016 kaufte sie insgesamt 25 Maschinen der Airbus A320neo-Reihe, die ab 2020 ausgeliefert werden sollten. Die Pleite von Air Berlin im Oktober 2017 nutzte Germania-Chef Karsten Balke, um einen Teil des Air-Berlin-Geschäfts zu übernehmen. So bot Germania im letzten Jahr rund 40 Prozent mehr Flüge als im Vorjahr an.

Damit verschärfte sich der Konkurrenzkampf mit der Lufthansa und ihrer Billigtochter Eurowings auf der einen Seite und den Billigfliegern Ryanair und Easyjet auf der anderen.

Laut dem Handelsblatt, das aus dem Geschäftsbericht von Germania zitiert, hat das Unternehmen in den Jahren 2016/17 zusammen 40 Millionen Verlust gemacht, bei einem Umsatz von 450 Millionen Euro. Das vergangene Jahr sei ähnlich defizitär gewesen. Am Ende sei nicht mehr genügend Geld da gewesen, um die Anzahlung für die 25 neuen Flugzeuge zu tätigen.

Anders als bei der Air Berlin-Pleite, wo sich die Bundesregierung bereit erklärte, einen Überbrückungskredit in Höhe von 150 Millionen Euro bereitzustellen, verweigerte sie Germania jegliche Unterstützung. „Das ist ein Anwendungsfall von Marktwirtschaft“, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Erfolg und Misserfolg gehörten dazu. Wenn der Staat „willkürlich“ eingreife, um Firmen zu retten, führe das zu „Fehlalllokationen“ mit hohen volkswirtschaftlichen Kosten.

Bei Air Berlin war der staatliche Überbrückungskredit direkt mit einer Unterstützung für den Marktführer Lufthansa verbunden. Und auch jetzt zielt die Verweigerung der Finanzhilfe für Germania in Richtung Lufthansa-Unterstützung. Die Kranich-Airline hat „großzügige Hilfe“ für gestrandete Germania-Reisende angekündigt und bereitet sich darauf vor, den bankrotten Konkurrenten zu fleddern, um sich die Filetstücke einzuverleiben. Parallel dazu arbeitet die Konzernleitung daran, den angeschlagenen norwegischen Billigflieger Norwegian zu übernehmen.

Die Lufthansa verfolgt einen systematischen Expansionskurs mit dem Ziel, sich als unanfechtbarer Marktführer in Europa zu etablieren. Im vergangen Jahr baute der LH-Konzern (Eurowings, Swiss und Austria Airlines) die marktbeherrschende Stellung aus. Die Zahl der beförderten Fluggäste stieg auf 142,3 Millionen – ein Plus von 10 Prozent gegenüber 2017.

Dieses Ziel, die Lufthansa zum dominanten Konzern in der europäischen Luftfahrtindustrie aufzubauen, wird von Verdi aktiv unterstützt. Die Gewerkschaft arbeitet eng mit Lufthansa-Chef Carsten Spohr zusammen, um Rationalisierungsmaßnahmen und Sozialkürzungen durchzusetzen. Verdi-Vorstandsmitglied Christine Behle ist stellvertretende Vorsitzende des Lufthansa-Aufsichtsrats und unmittelbar an der Ausarbeitung der Spar- und Expansionspläne beteiligt.

Germania-Chef Karsten Balke erklärte am Dienstag, dass dem Unternehmen nicht nur die hohen Kerosin-Preise zu schaffen machten. Er warf Verdi vor, die Streiks der vergangen Monate stark auf die Regionalflughäfen konzentriert zu haben, was für die Germania zu überdurchschnittlich vielen Flugausfällen und sehr hohen Kosten geführt habe.

Sicher ist, dass Verdi nichts getan hat, um die Beschäftigten von Germania vor dem drohenden Arbeitsplatzverlust zu warnen und dagegen zu verteidigen. Wie schon bei der Pleite von Air Berlin, bei der Verdi und Lufthansa eng zusammenarbeiteten, zahlt letztlich die Belegschaft die Kosten der Insolvenz. Viele, die von Air Berlin zu Germania gewechselt sind, stehen nun innerhalb von 15 Monaten zum zweiten Mal auf der Straße.

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