Bundestag feiert 70 Jahre Nato und trommelt für massive Aufrüstung

Die herrschende Klasse in Deutschland reagiert auf die tiefste Krise des Kapitalismus seit den 1930er Jahren und die wachsenden Spannungen zwischen den Großmächten mit einer regelrechten nationalistischen und militaristischen Aufwallung. Das zeigte die offizielle Feierstunde zum 70-jährigen Bestehen der Nato am Donnerstag im deutschen Bundestag. Wie im Rausch hielten Abgeordnete aus Regierung und Opposition ihre Laudatien auf das größte Militär- und Kriegsbündnis der Geschichte und forderten die weitere Hochrüstung der Bundeswehr.

Den Anfang machte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). „Es schmerzt, dass viele unserer Partner – das sind nicht nur die Amerikaner – an der grundsätzlichen Bereitschaft Deutschlands zweifeln, in der Allianz unsere Verpflichtungen zu erfüllen“, beklagte sie. Deutschland sei der zweitgrößte Truppensteller und Nettozahler in der Nato, stehe „seit 18 Jahren treu und zuverlässig in Afghanistan“ und sei „das einzige kontinentaleuropäische Land, das als Rahmennation die östliche Grenze schützt“.

In Zukunft werde Deutschland „noch mehr in die Modernisierung seiner Bundeswehr“ investieren, versicherte von der Leyen. Es stehe „ganz klar zu der Zusage, 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in 2024 in Verteidigung zu investieren und in den Jahren danach weiter das 2-Prozent-Ziel zu verfolgen“.

Am Tag zuvor hatte bereits der sozialdemokratische Außenminister Heiko Maas bei den offiziellen Feierlichkeiten der Nato in Washington das Aufrüstungsziel bekräftigt: „Auf unsere Zusagen ist Verlass… Wir haben uns klar dazu bekannt, mehr Geld in Verteidigung zu investieren, und wir halten Wort. Wir in Europa wissen, dass unsere Sicherheit keine Selbstverständlichkeit ist und dass wir Verantwortung übernehmen müssen, um sie auch in Zukunft zu wahren – aus eigenem Interesse.“

Maas prahlte, die Große Koalition habe „den Trend sinkender Verteidigungsausgaben umgekehrt“ und „seit 2014 signifikant um beinahe 40 Prozent erhöht“. Nun würden sie „weiter steigen – zunächst bis 2024 auf 1,5% des Bruttosozialprodukts.“ Tatsächlich unterzeichnete Maas in Washington sogar eine Erklärung, in der die Nato-Außenminister ihren Beschluss aus dem Jahr 2014 bekräftigten, das Zwei-Prozent-Ziel schon bis 2024 zu erreichen. Für Deutschland bedeutet das eine Erhöhung des Wehretats auf etwa 80 Milliarden Euro!

Das Projekt, von Jahr zu Jahr die notwendigen zusätzliche Milliarden für das Militär herauszuschlagen, wird von der SPD aggressiv vorangetrieben. Nach den Plänen von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) wird der Verteidigungshaushalt im kommenden Jahr auf über 45 Milliarden Euro anwachsen. Weitere Erhöhungen werden hinter dem Rücken der Bevölkerung ausgearbeitet. „Die Koalition steht zu ihren Zusagen“, versicherte der sozialdemokratische Verteidigungspolitiker Fritz Felgentreu im Bundestag. Sie habe „das durch die kontinuierliche Steigerung der Ausgaben für Verteidigung unter Beweis gestellt“ und werde „auch in Zukunft im Zielkorridor bleiben“.

Eine der zynischsten Huldigungen auf die Nato hielt Jürgen Trittin (Grüne). „Wenn Sie zurückblicken auf die Zeit vom 16. Jahrhundert bis heute, dann stellen Sie fest, dass die durchschnittliche Dauer von solchen Verteidigungsbündnissen 15 Jahre beträgt. Gemessen daran ist die NATO mehr als viermal so alt. Das ist unzweifelhaft ein Erfolg“, erklärte er unter anderem. Trittin weiß wovon er spricht. Als Umweltminister der Regierung Schröder/Fischer war er direkt am völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Nato auf Serbien und damit am ersten deutschen Kampfeinsatz der Bundeswehr seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs beteiligt.

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, Heike Hänsel, kritisierte das Zwei-Prozent-Ziel der Nato. Hinter dieser Kritik stehen vor allem die zunehmenden Spannungen mit den USA und die Furcht vor der Entwicklung einer internationalen Antikriegsbewegung, die sich auf die Arbeiterklasse stützt und für ein sozialistisches Programm kämpft. In ihrer Rede beklagte Hänsel, „dass die Bundesregierung regelmäßig einseitige US-Positionen übernimmt“ und warb für „ein kollektives Sicherheitsbündnis unter Einschluss Russlands“. Warnend fügte sie hinzu: „Laut jüngsten Umfragen ist der Rückhalt der Nato in der Bevölkerung weiter gesunken, in Deutschland auf mittlerweile 54 Prozent“.

Die gesamte „Feierstunde“ zeigte, wie offen die herrschende Klasse mit der rechtsextremen AfD paktiert, um die massiven Aufrüstungspläne gegen den breiten sozialen und politischen Widerstand in der Bevölkerung durchzusetzen. Der sozialdemokratische Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann, der die Sitzung leitete, begrüßte die AfD-Sprecher als „Kollegen“ und bedankte sich ausdrücklich für ihre Redebeiträge.

Inhaltlich unterschieden sich die Tiraden der AfD-Abgeordneten kaum von denen der anderen Parteien. Sie feierten die Nato, trommelten für das Zwei-Prozent-Ziel der Bundesregierung und brachten dabei lediglich besonders drastisch auf den Punkt, was die Rückkehr Deutschlands zu einer aggressiven Außen- und Großmachtpolitik bedeutet: die Militarisierung der gesamten Gesellschaft und die Vorbereitung neuer Angriffskriege.

„Wir Deutsche müssen uns an die eigene Nase packen und sagen: Jawohl, wir wollen das Rüstungsziel von 2 Prozent erreichen, wie wir es versprochen haben. Wir wollen die Bundeswehr wieder so stark machen, dass sie für keinen Gegner eine kalkulierbare Armee ist, von der er weiß, dass sie sofort besiegbar ist. Dahin müssen wir zurückkommen“, forderte der außenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Armin-Paulus Hampel. Als „erster Reformschritt“ müsse „die Wiedereinführung der Wehrpflicht erfolgen“.

Seine Rede beendete Hampel mit dem Ausruf: „Si vis pacem, para bellum – wer den Frieden will, muss für den Krieg gerüstet sein.“

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die etablierten Parteien die AfD in die Regierungsarbeit einbeziehen. Die AfD-Abgeordnete Mariana Harder-Kühnel, die über enge Verbindungen zum offen rechtsradikalen und völkisch-nationalistischen Flügel um den thüringischen AfD-Chef Björn Höcke verfügt, scheiterte bei der Wahl für den Posten der Bundestagsvizepräsidentin zwar auch im dritten Wahlgang, erhielt mit 199 Ja-Stimmen jedoch über 100 Stimmen mehr, als die AfD Abgeordnete im Bundestag hat. Vor der Abstimmung hatten sich sowohl Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus als auch FDP-Chef Christian Lindner für ihre Wahl ausgesprochen. Auch Vertreter von SPD und Grünen hatten sich vorab mit Harder-Kühnel zu Gesprächen getroffen.

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