SGP-Kandidat Ratnamaheson beantwortet Fragen des SWR

Der Europawahlkampf der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP) nimmt Fahrt auf. In mehreren Städten werden Wahlplakate aufgehängt, Infostände organisiert und Wahlversammlungen vorbereitet. Gestern wurde der SGP-Kandidat Saravan Ratnamaheson vom Fernsehsender Südwestrundfunk (SWR) interviewt. Der SWR ist der zweitgrößte Regionalsender der ARD.

Im Rahmen der Sendung Europawahlcheck stellt der Sender sieben Fragen an alle Parteien, die an der Europawahl teilnehmen. Die Kandidaten haben nur eine Minute Zeit, auf jede Frage zu antworten, und das Interview findet unter Live-Bedingungen statt.

SGP-Kandidat Saravan Ratnamaheson im SWR-Studio

Saravan Ratnamaheson (65) ist Vorstandsmitglied der SGP und arbeitet als Netzwerkadministrator. In Sri Lanka geboren, kam er 1978 als politisch Verfolgter nach Deutschland. Er trat der trotzkistischen Bewegung 1987 während des srilankischen Bürgerkriegs bei. Er gehört zu einer ganzen Gruppe von Tamilen, die sich angesichts des Bankrotts der nationalen Befreiungsbewegung dem internationalen Sozialismus anschloss und für die Einheit der Arbeiterklasse kämpfte. Ratnamaheson schreibt für die WSWS über Sri Lanka und Indien.

Der Sender stellte zum Teil sehr regional bezogene Fragen, doch Ratnamaheson nutzte die Gelegenheit, um die grundlegenden Perspektiven zu erklären, für die die SGP kämpft.

Auf die erste Frage: „Viele Städte im Südwesten müssen den Diesel verbannen. Wie muss eine EU-weit einheitliche Diesel-Lösung aussehen?“ antwortet er: „Die SGP ist die deutsche Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale. Wir nehmen an der Europawahl teil – gemeinsamen mit unseren Schwesterparteien in Frankreich und Großbritannien – um die Arbeiter in Europa gegen den Aufstieg rechtsextremer Kräfte, gegen Militarismus und gegen die rasch wachsende sozialen Ungleichheit zu mobilisieren.

Wir sind Gegner der EU und kämpfen dafür, Europa auf einer sozialistischen Grundlage zu vereinen.

Der Diesel-Betrug ist das direkte Resultat der kriminellen Machenschaften in der Autoindustrie. In vollem Bewusstsein sind manipulierte Diesel-Motoren verkauft worden. Kein einziger Verantwortlicher wurde bestraft, und die betroffenen Autohalter wurden nicht entschädigt.

Wir kämpfen für die Enteignung der Autokonzerne – und aller großen Konzerne und Banken – und zwar entschädigungslos. Nur so kann die Produktion unter die demokratische Kontrolle der Bevölkerung gestellt werden und können kriminelle Machenschaften verhindert werden.“

Die zweite Frage lautete: „Durch den Euro ist die EU stärker zusammengewachsen, aber auch anfälliger für Finanzkrisen. In wieweit sollten die EU-Länder finanziell stärker füreinander einstehen?“

Ratnamaheson betonte, dass die EU keine Solidargemeinschaft sei, sondern ein Bündnis der europäischen Konzerne und Banken gegen die Arbeiter in allen europäischen Ländern. Der Euro werde benutzt, um die schwächeren Länder Europas auszuplündern.

„Auf Kosten schwächerer Länder haben die wirtschaftlich starken, wie Deutschland und Frankreich, vom Europäischen Binnenmarkt profitiert. 2009 zwang Deutschland der griechischen Regierung ein Austeritätsprogramm auf. Millionen Arbeiter verloren ihre Arbeit, ihre Gesundheitsversorgung und die Sozialleistungen.“

Die deutsche Regierung habe sich an der Griechenlandkrise gesundgestoßen. „Von 2010 bis 2017 hat Deutschland 2,9 Milliarden Euro an Zinsen für griechische Staatsanleihen eingenommen – Geld, mit dem es seinen Haushalt sanierte.“

Die dritte Frage drehte sich um die grassierenden Billig-Löhne, und was die EU dagegen tun solle. „In dieser Frage auf die EU zu hoffen, wäre eine gefährliche Illusion“, antwortete Ratnamaheson und fügte hinzu: „Die EU hat die Regeln und Gesetze selbst eingeführt, die diese Superausbeutung erst möglich machen. Sämtliche deutschen Autohersteller, einschließlich VW, Audi und Daimler, lassen Autos und Teile in osteuropäischen EU-Ländern produzieren, wo sie die Arbeiter zu Billiglöhnen ausbeuten.“

Er betonte, dass auch hierzulande Millionen Menschen für den Mindestlohn schuften, der nicht für Miete und Lebensunterhalt ausreiche. In allen EU-Ländern steige die Armut. In Deutschland seien im Jahr 2017 15,5 Millionen Menschen offiziell armutsgefährdet gewesen.

Ratnamaheson ging auf die Haltung der Gewerkschaften ein, die bei der Zunahme der Billiglohnarbeit eine Schlüsselrolle spielen. „Sie erpressen die Arbeiter, niedrige Löhne zu akzeptieren, und drohen, andernfalls werde die Produktion in andere Länder verlegt. Das ist rechte Propaganda, um die Arbeiter in Europa zu spalten.“

Auf die anschließende Frage über die EU-Landwirtschaftspolitik antwortete er: „Die EU-Agrarsubventionen sind für die großen Landwirtschaftskonzerne maßgeschneidert. Sehr viele Bauern in den osteuropäischen Ländern haben ihre Höfe schon aufgegeben, weil die EU-Bestimmungen sie ruinieren.“

Um den Profit zu steigern, werde auf Umweltzerstörung und Förderung von Monokultur gesetzt. „Nur wenn die Konzerne der demokratischen Kontrolle durch Arbeiter unterstellt werden, ist es möglich, die Landwirtschaft umweltfreundlich zu organisieren und im Interesse der Bevölkerung zu planen.“

Wie Europa auf die Flüchtlingskrise reagieren solle, wollte der SWR wissen. Ratnamaheson fragte zurück: „Wie reagiert Europa heute? Die EU hat Europa in ein großes Flüchtlingsgefängnis mit Lagern, Wachtürmen und Stacheldraht verwandelt.“ Es sei ein ungeheures Verbrechen, dass die „Ausländer-Raus-Politik der Festung Europa“ im Mittelmeer zu einem Massenmord mit 34.000 Toten geführt habe.

Diese nationalistische und ausländerfeindliche Politik, die von allen etablierten Parteien in Europa vertreten werde, habe überall in Europa dem Vormarsch der Faschisten und rechtsextremen Elemente den Weg geebnet. In Deutschland werde die Flüchtlingspolitik von der AfD diktiert.

„Gleichzeitig unterstützen die EU-Länder die Nato-Kriege, die die Länder verwüsten, aus denen Menschen fliehen“, erklärte Ratnamaheson und betonte: „Die SGP verteidigt das Asylrecht bedingungslos. Jeder Arbeiter hat das Recht, im Land seiner Wahl zu leben und zu arbeiten.“

Auf die Frage was getan werden solle um den grenzenlosen Mobilfunk voranzubringen, antwortete der SGP-Kandidat, das Internet sei ein sehr demokratisches Medium, das die weltweite Zusammenarbeit der Menschen fördere. Aber es werde von einer Handvoll milliardenschwerer Konzerne kontrolliert. „Google und Facebook arbeiten in aller Welt eng mit den Regierungen zusammen, um das Internet zu zensieren. Jeder sozialistischen Widerstand und jede oppositionelle Stimme im Internet soll unterdrückt werden.“

Ratnamaheson betonte, dass auf einem der Wahlplakate der SGP, die gegenwärtig in vielen Städten aufgehängt werden, stehe: „Free Assange, Free Manning – Verteidigt die Meinungsfreiheit.“

Der Gründer von Wikileaks, sitze seit über sechs Jahren in der Botschaft Ecuadors in London fest, in völliger Isolation von der Außenwelt. Verlasse er die Botschaft, könne er an die Vereinigten Staaten ausgeliefert werden, wo ihm die Todesstrafe drohe. Sein einziges Verbrechen bestehe darin, dass er die Originaldokumente über Kriegsverbrechen in Irak und Afghanistan offengelegt und im Internet publiziert habe.

Um auf die letzte Frage zu antworten, hätte er gerne mehr Zeit gehabt, sagte Ratnamaheson nach dem Interview. Sie lautete: „Wie sieht Ihre Vision für die EU im Jahr 2030 aus?“

Wir geben hier seien Antwort ungekürzt wieder: „Europa steht vor der Alternative: Sozialismus oder Barbarei! Alle Gespenster der Vergangenheit sind wieder da. Wenn die Arbeiterklasse die EU und die kapitalistischen Regierungen nicht stürzt und Vereinigte Sozialistische Staaten von Europa schafft, sind Diktatur, Faschismus und Krieg unausweichlich.

Schon jetzt stützt sich die herrschende Klasse in allen EU-Staaten auf extrem rechte Bewegungen. In Deutschland sitzen die Neonazis zum ersten Mal seit 1945 im Bundestag. Aber diese Mal wird es ihnen nicht gelingen! Dieses Mal werden wir dafür sorgen, dass die Nürnberger Prozesse vor dem Krieg stattfinden und nicht erst danach.

Überall wächst der Widerstand. In Frankreich protestieren die Gelbwesten. In Polen streiken die Lehrer, ebenso wie in den USA. Weltweit nimmt die Arbeiterklasse neue Kämpfe auf.

Aber für diese Kämpfe braucht die Arbeiterklasse eine neue Partei. SPD, Linke und Grüne stehen alle auf der Seite der EU und der kapitalistischen Regierungen. Deshalb ist der Aufbau der SGP so wichtig.

Wir lehnen die EU ab. Sie ist ein Instrument der Banken und Konzerne. Wir kämpfen für die Einheit der europäischen Arbeiterklasse, für eine Arbeiterregierung und die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa.“

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