Sri Lanka setzt massive Polizeistaatsmaßnahmen in Kraft

Nach den Terroranschlägen am Ostersonntag wurde in Sri Lanka am Dienstag ein landesweiter Ausnahmezustand ausgerufen. Militär und Polizei erhalten damit umfassende und antidemokratische Vollmachten.

Genau wie die Regierungen im Rest der Welt stärkt auch die Regierung in Colombo ihren Polizeistaatsapparat unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung. Tatsächlich wird dieser jedoch benutzt werden, um ein Wiederaufleben von Kämpfen der Arbeiterklasse zu unterdrücken.

Die Notstandsverordnungen erlauben den Sicherheitskräften, Maßnahmen zur „Unterdrückung von Meuterei, Aufruhr oder öffentlichen Unruhen oder zur Aufrechterhaltung der Versorgung und von Diensten, die für die Allgemeinheit wesentlich sind“, zu ergreifen. Der Abschnitt, der die wesentlichen Dienste betrifft, wurde in der Vergangenheit dazu benutzt, Streiks und Arbeitskämpfe zu verbieten.

Für die Dauer des Ausnahmezustands erhält das Militär Polizeibefugnisse, u.a. zur „Verhaftung von Personen, Beschlagnahmung von oder Kontrolle über Eigentum oder Unternehmen ohne richterliche Anordnung“. Die Verordnungen erlauben außerdem die lange Inhaftierung von sogenannten Terrorverdächtigen ohne Anklage oder Prozess.

Durch den Ausnahmezustand treten Teile des drakonischen Prevention of Terror Act (PTA) wieder in Kraft, von dem die Sicherheitskräfte des Landes während des drei Jahrzehnte andauernden Bürgerkriegs gegen die separatistischen Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) vielfach Gebrauch machten, um die Tamilen und die arbeitende Bevölkerung als ganze zu unterdrücken.

Der PTA wurde benutzt, um Tausende von Männern und Frauen willkürlich zu verhaften, durch Folter Geständnisse von ihnen zu erpressen und sie auf Grundlage dieser Geständnisse zu verurteilen. Unter dem Deckmantel des Ausnahmezustands gingen die Sicherheitskräfte noch viel weiter. Hunderte von Menschen wurden entführt oder außergerichtlich ermordet, darunter nicht nur „mutmaßliche LTTE-Anhänger“, sondern auch Gegner und Kritiker der Regierung.

Die Regierung weitet diese Maßnahmen jetzt aus. Sie hat erstmals ein landesweites Verbot von sozialen Netzwerken wie Facebook und YouTube erlassen und zensiert damit von großen Teilen der Bevölkerung benutzte Kommunikationsformen. Im letzten Oktober gab es in Sri Lanka 23 Millionen Handynutzer, 6,4 Millionen Internetnutzer und fünf Millionen Menschen mit Facebook-Konten.

Das harte und umfassende Durchgreifen ist Ausdruck der tiefen Furcht der herrschenden Kreise in Sri Lanka und auf der ganzen Welt, dass die sozialen Medien nicht nur ein mächtiges Werkzeug zur Verbreitung von Ideen sind, sondern auch zur Organisierung von gemeinsamem Handeln. Angesichts einer wachsenden Welle von Streiks und Protesten führt die Regierung unter dem Vorwand, die Verbreitung von „Falschmeldungen“ zu verhindern, eine umfassende Zensur ein.

Premierminister Ranil Wickremesinghe erklärte am Dienstag im Parlament, Regierungschefs aus aller Welt hätten ihre Unterstützung für Sri Lanka ausgedrückt. Er erklärte: „Wir sollten diese Gelegenheit nutzen, um mit ihrer Unterstützung den Terrorismus auszurotten.“ Weiter erklärte er, ohne dies näher zu erläutern, dass strukturelle Veränderungen notwendig seien, um „diese Terrorsituation zu bewältigen“. Das wird unweigerlich auf eine weitere Stärkung des Polizeistaatsapparats hinauslaufen.

Die Zahl der Todesopfer durch den barbarischen Anschlag vom Sonntag ist auf 321 Männer, Frauen und Kinder angewachsen. Viele der mehr als 500 Verletzten befinden sich in kritischem Zustand. Unter den Toten sind 45 Kinder und 48 Ausländer, darunter einige indische Arbeiter sowie amerikanische, europäische, chinesische und japanische Touristen.

Bisher wurden nur wenig Details über die Anschläge bekanntgegeben. Laut der Regierung waren sieben Selbstmordattentäter an den Anschlägen auf Kirchen und Luxushotels beteiligt. Laut offiziellen Angaben der Polizei wurden 40 Menschen verhaftet, darunter mutmaßliche Mitglieder der islamistischen Gruppe National Thowheeth Jamma’ath (NJT).

Am Dienstag übernahm der sogenannte Islamische Staat (IS) die Verantwortung für die Anschläge und erklärte, sie seien von „Kämpfern des Islamischen Staates“ verübt worden. Viele Kommentatoren haben Zweifel an dieser Erklärung geäußert und darauf hingewiesen, dass der IS bereits früher die Verantwortung für Anschläge übernommen hat, die er nicht begangen hat, um sein Ansehen zu erhöhen.

Doch unabhängig davon, ob der IS irgendetwas mit dem Anschlag zu tun hatte, bleiben wichtige Fragen offen. Die Regierung hat noch immer keine glaubwürdige Erklärung dazu abgegeben, warum sie trotz einer eindeutigen Warnung nichts unternommen hat. Die Regierung erhielt bereits zehn Tage vor dem Anschlag die Warnung, dass die NJT Anschläge auf christliche Kirchen geplant habe.

Verteidigungsminister Hemasiri Fernando versuchte, die Untätigkeit der Regierung mit der Erklärung zu rechtfertigen, sie habe nicht mit einem Anschlag „dieser Größenordnung“ und „so bald“ gerechnet. Er fügte hinzu: „Es war ganz unmöglich, letzten Sonntag eine große Anzahl Kirchen zu schützen.“

Diese Äußerungen sind gleichzeitig zynisch und absurd. Die srilankischen Sicherheitskräfte gehören im Pro-Kopf-Verhältnis zu den größten der Welt und haben einen brutalen Krieg geführt, um die sogenannten Terroristen der LTTE zu unterdrücken. Doch scheinbar haben sie nichts unternommen, um gegen die NJT zu ermitteln oder auch nur irgendwelche Kirchen – ganz zu schweigen von allen – zu beschützen. Wenn die Regierung keinen Anschlag von „dieser Größenordnung“ erwartet hat, was dann? Und warum hat sie keine Vorkehrungen getroffen?

Das ganze politische Establishment und die Sicherheitskräfte sind durchdrungen von singhalesisch-buddhistischem Chauvinismus und unterhalten Beziehungen zu extremistischen Buddhistengruppen, die in der Vergangenheit Anschläge auf Christen und Muslime verübt haben. Die Polizei hat dabei weggesehen.

Haben die srilankische Regierung und der Staat auch bei den drohenden Bombenanschläge am Sonntag weggesehen und das aus der Erwägung, dass eine Tragödie für politische Zwecke und zur Rechtfertigung eines harten Durchgreifens der Sicherheitskräfte ausgenutzt werden kann?

Nach den Anschlägen versuchen jetzt alle rivalisierenden politischen Fraktionen und das Militär, die Tragödie für ihre eigenen Interessen auszunutzen.

Der Oberbefehlshaber des Militärs, Mahesh Senanayake, erklärte am Dienstag: „Es sollte zumindest für kurze Zeit der Ausnahmezustand ausgerufen werden, damit das Militär die Befugnisse hat, diese Lage unter Kontrolle zu bringen.“ Dabei ist unklar, was genau das Militär unter Kontrolle bringen will.

Seit Maithripala Sirisena im Jahr 2015 den früheren Präsidenten Mahinda Rajapaksa durch einen von den USA unterstützten Regimewechsel gestürzt hat, herrschen in Colombo erbitterte politische Fraktionskämpfe. Angesichts der zunehmenden Wirtschaftskrise und dem Anwachsen der Klassenkämpfe ist Sirisena mit Wickremesinghe aneinandergeraten, den er zum Premierminister gemacht hatte.

Wickremesinghe hat Sirisena praktisch für die Anschläge verantwortlich gemacht. Sirisena, der die Polizei und das Verteidigungsministerium kontrolliert, habe nichts unternommen, um die Anschläge zu verhindern. Gleichzeitig versucht die Regierung offenkundig, Chauvinismus gegen Muslime zu schüren. Minister diskutieren öffentlich über ein Verbot der Burka für muslimische Frauen.

Oppositionsführer Rajapaksa machte in einer Rede im Parlament die Regierung für die Terroranschläge verantwortlich. Er erklärte, sie habe Offiziere und seinen Bruder, den ehemaligen Verteidigungsminister Gotabhaya Rajapakse, wegen ihrer Rolle im Krieg schikaniert. Tatsächlich hat die Regierung fast nichts wegen der Kriegsverbrechen unternommen, für die das gesamte politische Establishment verantwortlich ist.

Auch die USA wollen die Bombenanschläge ausnutzen, um ihre Stellung in Colombo zu verbessern und Chinas Einfluss zu untergraben. Washingtons Ablehnung gegenüber Mahinda Rajapaksa beruht auf seinen engen Beziehungen zu Peking. Unter Wickremesinghe hat Sri Lanka seine diplomatischen und militärischen Beziehungen zu den USA auf Kosten Chinas gestärkt.

US-Präsident Donald Trump und sein Außenminister Mike Pompeo haben Wickremesinghe telefonisch Unterstützung angeboten. FBI-Agenten sind bereits in Colombo eingetroffen und beteiligen sich an den Ermittlungen.

Arbeiter sollten Widerstand gegen den Ausnahmezustand leisten und die reaktionären Intrigen und Manipulationen aller Fraktionen der herrschenden Klasse zurückweisen. Sie alle versuchen, diktatorische Herrschaftsformen zu errichten und die Arbeiterklasse durch anti-muslimischen Chauvinismus zu spalten. Der Kampf für demokratische Rechte kann nur erfolgreich sein, wenn die Arbeiterklasse über alle ethnischen und religiösen Grenzen vereint mit einer sozialistischen und internationalistischen Perspektive dafür kämpft.

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