Perspektive

1. Mai 2019 – DGB ruft zur Unterstützung der EU auf

Seit der Gründungskongress der Zweiten Internationale den 1. Mai vor 130 Jahren zum „Kampftag der Arbeiterbewegung“ ausrief, wird an diesem Tag daran erinnert, dass der Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung die weltweite Einheit aller Arbeiter gegen den Kapitalismus erfordert.

In diesem Jahr wird besonders deutlich, dass dies nicht mit, sondern nur gegen die Gewerkschaften möglich ist.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) ruft nicht zur internationalen Einheit der Arbeiter, sondern zur Einheit mit der Regierung, den Konzernen und der Europäischen Union gegen die Arbeiter auf. Sein Flugblatt „zum Tag der Arbeit“ beginnt mit den Worten: „Wenn es die Europäische Union nicht gäbe, müsste man sie erfinden.“ Dann folgt eine Glorifizierung der EU, die von Lügen nur so strotzt.

Die EU sorge seit Jahrzehnten für Frieden in Europa, behauptet der DGB. Dass alle großen EU-Staaten seit Jahren an den Nato-Kriegen im Nahen Osten, in Afrika, Afghanistan und vielen anderen Ländern beteiligt sind, darüber kein Wort. Nichts über die gigantische militärische Aufrüstung, die in allen EU-Staaten systematisch vorangetrieben wird; nichts über die Pläne zu einer deutschen Atombewaffnung und den Bau eines Flugzeugträgers; nichts darüber, dass erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wieder deutsche Truppen an der Grenze zu Russland stehen und die Kriegspolitik der Nato und der EU die akute Gefahr eines Atomkriegs hervorbringen.

Laut dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri haben allein Frankreich, Großbritannien und Deutschland im letzten Jahr zusammen über 163 Milliarden Dollar für das Militär ausgegeben. Das ist fast drei Mal so viel wie Russland.

Auch die Behauptung des DGB, die EU sei ein Instrument gegen „Rechtspopulisten und Nationalisten“ ist eine Lüge. Tatsächlich ist die EU die Brutstätte von Nationalismus, Faschismus und Krieg. Mittlerweile sind in zehn EU-Mitgliedstaaten offen rechtsradikale Parteien an der Regierung beteiligt und führende Pro-EU-Politiker wie der französische Präsident Emmanuel Macron und der Präsident des Europaparlaments, Antonio Tajani, äußern sich positiv über die Faschisten-Führer Philippe Pétain und Benito Mussolini.

Weiter schreibt der DGB, die EU habe „den Menschen in Deutschland und europaweit erhebliche Vorteile“ gebracht. Man könne „frei reisen und arbeiten“. Wirklich? Sind die Flüchtlinge und Asylbewerber, die nirgendwo hin reisen dürfen, die staatlich schikaniert, terrorisiert und in KZ-ähnliche Lager gepfercht werden, um sie schnellstmöglich abzuschieben, keine Menschen in Europa? Und was ist mit den 142 Millionen Europäern, die nach offiziellen Angaben in Armut leben, das heißt weniger als 813 Euro im Monat verdienen und sich kaum zwei Mal die Woche eine warme Mahlzeit leisten können? Wohin können sie reisen?

Dann behaupten die selbstgefälligen Bürokraten in der DGB-Zentrale: „Bei Arbeitszeiten, Urlaub, Mutterschutz und in vielen anderen Bereichen der Arbeitswelt schützt und erweitert die EU die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.“

Die Arroganz und Verlogenheit dieser Aussage ist kaum zu überbieten. Selbst Studien der gewerkschaftseigenen Hans-Böckler-Stiftung widerlegen diese Behauptung und dokumentieren die katastrophalen Auswirkungen der EU-Osterweiterung. In Bulgarien liegt der Durchschnittslohn trotz EU-Mitgliedschaft acht Mal niedriger als in Deutschland.

In Deutschland selbst leben 12,9 Millionen Menschen in Armut und 3,2 Millionen haben mehr als einen Job, weil der niedrige Lohn sonst nicht zum Leben reicht. Selbst wer „normal“ verdient, wird durch unerschwingliche Mieten, lange Arbeitswege, steigende Arbeitshetze und Unsicherheit vor existenzielle Probleme gestellt.

In Frankreich kämpfen die Arbeiter gegen die Einführung neuer Arbeitsmarkt-Gesetze, die sich am Vorbild der Agenda 2010 und der Hartz-Gesetze orientieren, die hier vor 15 Jahren von der rot-grünen Bundesregierung in enger Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften eingeführt wurden.

Und was ist mit den Arbeitern in Griechenland? Wie haben die von der EU profitiert?

Der Euro wurde benutzt, um die schwächeren Länder Europas auszuplündern. In den vergangenen fünf Jahren zwang Deutschland der griechischen Regierung ein Sparprogramm nach dem anderen auf. Millionen griechischer Arbeiter verloren ihre Arbeit, ihre Gesundheitsversorgung und einen großen Teil ihrer Rente. Nie zuvor ist ein Land in Friedenszeiten derart brutal ausgeplündert und ruiniert worden, wobei der DGB die deutsche Regierung und die EU-Troika aktiv unterstützt hat.

Der einzig wahre Satz im DGB-Maiaufruf lautet: „Und auch wirtschaftlich profitiert Deutschland enorm von der Mitgliedschaft in der Europäischen Union.“ Aber wer in Deutschland profitiert? Nicht die Arbeiter, sondern die Konzerne und Banken. Allein seit der internationalen Finanzkrise vor zehn Jahren hat sich die Zahl der Milliardäre in Europa und weltweit verdoppelt, ihr Vermögen ist jährlich um 11 Prozent gestiegen. Der Anteil der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung am globalen Vermögen hat sich dagegen im selben Zeitraum fast halbiert.

Für die deutschen Banken und die Bundesregierung war die Griechenland-Krise ein gutes Geschäft. Von 2010 bis 2017 hat Deutschland 2,9 Milliarden Euro an griechischen Staatsanleihen verdient – Geld, mit dem der Bundeshaushalt saniert wurde.

Mit seiner uneingeschränkten Unterstützung der EU reagiert der DGB auf die wachsende Radikalisierung der Bevölkerung und die Rückkehr des Klassenkampfs.

In Frankreich reißt die Gelbwesten-Bewegung nicht ab. Hunderttausende protestieren trotz massiver Polizeieinsätze und einer üblen Hetzkampagne in den Medien Woche für Woche gegen Niedriglöhne, soziale Ungleichheit und die Macron-Regierung. In Polen erschütterte der wochenlange Streik von über 300.000 Lehrern die rechte PiS-Regierung. Es war der erste nationale Ausstand in Polen seit Jahrzehnten und eine der größten Arbeitsniederlegungen seit der massiven Streikbewegung gegen die stalinistische Diktatur Anfang der 1980er Jahre.

Am selben Tag, an dem es den polnischen Gewerkschaften Ende letzter Woche gelang, den Streik vorübergehend abzuwürgen, traten die Piloten der skandinavischen Airline SAS in Dänemark, Schweden und Norwegen in den Streik. In West-und Osteuropa wächst der Widerstand gegen Lebens- und Arbeitsbedingungen, die in den vergangenen Jahrzehnten unter dem Diktat der Europäischen Union von den jeweiligen Regierungen durchgesetzt wurden.

In den letzten Monaten kam es zu Streiks von Auto- und anderen Industriearbeitern in Rumänien, Ungarn, Tschechien, Serbien und dem Kosovo sowie zu Massenprotesten gegen das so genannte „Sklavengesetz“ des rechten Regimes von Viktor Orbán in Ungarn, das die Arbeiter zwingt, unbezahlte Überstunden zu machen.

In Deutschland beteiligten sich im Februar Zehntausende Beschäftigte des öffentlichen Diensts an Warnstreiks gegen die katastrophale Lage an Schulen, unerträgliche Arbeitsbedingungen und miserable Löhne. Im März streikten Tausende Verkehrsarbeiter der BVG in Berlin und brachten die Stadt zum Stillstand. Anfang April protestierten 40.000 Menschen in Berlin gegen steigende Mieten und forderten die Enteignung von Immobiliengesellschaften und Hedgefonds.

Die gut bezahlten Gewerkschaftsfunktionäre, die in den Aufsichtsräten der Großkonzerne und Banken sitzen und die Geschäftsleitungen beraten, haben Angst. Sie fühlen sich bedroht. Sie kennen die Situation in den Betrieben und Verwaltungen und warnen vor einem sozialen Sturm. Seit dem Ende der DDR und dem folgenden Zusammenbruch der Sowjetunion konnten sie den Klassenkampf in Europa und weltweit drei Jahrzehnte lang unterdrücken. Das wird zunehmend schwierig. Die soziale Katastrophe hat ein Ausmaß erreicht, bei dem sich der Widerstand immer stärker Bahn bricht.

Die DGB-Funktionäre klammern sich an die EU-Bürokratie und hoffen, dass es gelingt, einen europäischen Polizeistaat aufzubauen, um den wachsenden Arbeiterwiderstand zu unterdrücken. Schon 2012 suchte der DGB den Schulterschluss mit der Bundeswehr. Der damalige DGB-Chef Michael Sommer und die Vorsitzenden aller acht DGB-Mitgliedsgewerkschaften trafen sich mit Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) und vereinbarten eine enge Zusammenarbeit. Sommer bezeichnete die deutsche Armee als Teil der Friedensbewegung.

Als kurze Zeit später die Bundesregierung bekannt gab, dass die Zeit der militärischen Zurückhaltung für Deutschland vorbei sei, und eine massive militärische Aufrüstung einleitete, erklärte der amtierende DGB-Chef Hoffmann ausdrücklich seine Zustimmung. Seitdem ist Prof. Herfried Münkler, der die Bundesregierung in Fragen der Außen- und Großmachtpolitik berät und fordert, Deutschland müsse in Europa vom Zahlmeister zum Zuchtmeister werden, ein viel gesehener Gast bei Gewerkschaftstagungen und Seminaren.

Der Mai-Aufruf des DGB zur Unterstützung der EU muss als politischer Weckruf verstanden werden. Es ist höchste Zeit die gewerkschaftliche Zwangsjacke zu durchbrechen und sich unabhängig zu organisieren. Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) nimmt am Europawahlkampf teil und kämpft für Vereinigte Sozialistische Staaten von Europa. Sie ruft zum Aufbau unabhängiger Aktionskomitees auf, um über alle Grenzen hinweg Verbindung zu Arbeitern aufzubauen, gemeinsame Kampfmaßnahmen zu organisieren und die Diskussion über ein internationales sozialistisches Programm zu entwickeln.

Nehmt Kontakt mit der SGP auf, um den Wahlkampf zu unterstützen und am Aufbau unabhängiger Aktionskomitees teilzunehmen!

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