Sudan: Armee massakriert Demonstranten

Am Montagmorgen verübten sudanesische Sicherheitskräfte ein Blutbad, als sie mit scharfer Munition gegen eine Sitzblockade in Khartum vorgingen. Seit mehr als fünf Monaten versammeln sich regelmäßig Zehntausende von Sudanesen vor dem Gebäude des Verteidigungsministeriums zu einem Sit-in, um für ein Ende der Militärherrschaft und die Übergabe der Macht an eine demokratisch gewählte Regierung zu demonstrieren.

Die sudanesische Ärztekammer meldete am Montagabend mehr als 30 Tote und mindestens 116 Verwundete. Unter den Erschossenen befindet sich mindestens ein achtjähriges Kind. Die Zahl der Todesopfer wird vermutlich noch deutlich steigen. Viele der Demonstranten werden weiterhin vermisst, und Berichten zufolge haben die Sicherheitskräfte Leichen in den Nil geworfen. Auch außerhalb der sudanesischen Hauptstadt soll es ähnlich blutige Unterdrückungsmaßnahmen gegen Demonstranten gegeben haben.

Opfer des Massakers von Montag

Angehörige verschiedener Militär- und Polizeieinheiten fielen über das Lager der Demonstranten her, allen voran Soldaten in den Wüstentarnanzügen der Rapid Support Force (RSF). Diese brutale paramilitärische Einheit wurde vom Regime in Khartum zur Unterdrückung regionaler Rebellionen in Darfur und im Osten des Landes eingesetzt. Sie wird angeführt von Generalleutnant Hamdan Dagalo (allgemein bekannt als „Hemeti“), dem stellvertretenden Vorsitzenden der zurzeit regierenden Militärjunta, dem Provisorischen Militärrat (TMC). Dagalo gilt allgemein als aussichtsreicher Kandidat auf den Posten des Diktators.

Die Soldaten setzten Tränengas, Blendgranaten und scharfe Munition ein. Im Internet erschienen Videos, auf denen zu sehen ist, wie Soldaten unbewaffnete Demonstranten umzingeln und mit Peitschen schlagen, darunter auch ältere Männer und Frauen.

Es wurden außerdem Bilder von Scharfschützen gepostet, die auf den Hochhäusern rund um den Schauplatz der Demonstration postiert waren. Sie schossen auf jeden, der versuchte, die Ereignisse mit der Handykamera aufzuzeichnen.

Ein Demonstrant erzählte: „Sie haben mich in den rechten Oberschenkel geschossen, weil ich einen Mann mit einer Schussverletzung am Kopf getragen habe ... Ein Polizist schlug mich mit seiner Waffe, und ich ließ den Mann fallen. Dann trat er zurück, schoss dem Mann ein zweites Mal in den Kopf, und sagte zu mir: ,Jetzt kannst du ihn begraben.‘“

Die Soldaten haben nicht nur Demonstranten erschossen und misshandelt, sondern auch die bei der Sitzblockade benutzten Zelte niedergebrannt und das Gebiet durch Lastwagen, mit Maschinengewehren bestückt, abgeriegelt.

Es kursierten auch Berichte, laut denen bewaffnete Sicherheitskräfte die lokalen Krankenhäuser gestürmt haben, in die die Verwundeten gebracht wurden. Sie sollen mit scharfer Munition in den Gebäuden um sich geschossen und Ärzten und Freiwilligen den Zugang verwehrt haben. In einem Video, das von Ärzten geteilt wurde, ist zu sehen, wie die Sicherheitskräfte Pflegepersonal im Royal Care Hospital von Khartum misshandeln.

Nach ihrer Vertreibung von dem Platz vor dem Verteidigungsministerium setzten die Demonstranten ihre Proteste in der Innenstadt von Khartum und dem benachbarten Omdurman fort und errichteten Barrikaden. Überall in Khartum strömten Menschen auf die Straßen, um gegen das Vorgehen der Junta zu protestieren. Sie errichteten in den Straßen Barrikaden aus Ziegelsteinen und brennenden Reifen und blockierten Brücken. In Omdurman kam es zu ähnlichen Mobilisierungen. Es folgten weitere Berichte über den Einsatz von Schusswaffen durch Sicherheitskräfte in beiden Städten und im Rest des Sudan.

Demonstranten errichten Barrikaden in Khartum

Einige der Parolen lauteten: „Wenn ihr die Sitzblockade auflöst, protestieren wir überall“ und „Ihr werdet uns alle töten müssen.“

Kurz bevor der Angriff des Militärs auf die Demonstranten begann, stellte das Regime den Strom in dem Gebiet ab. Auch das Internet wurde im gesamten Sudan abgeschaltet.

Der amtierende provisorische Militärrat (TMC) veröffentlichte eine absurde Erklärung, laut der sich das Vorgehen nur gegen „aufsässige Elemente“ aus einem Viertel nahe dem Schauplatz der Proteste gerichtet hat, das den Spitznamen „Colombia“ trägt und für seine hohe Kriminalitätsrate bekannt ist.

Ein Sprecher des TMC erklärte: „Das Vorgehen richtet sich gegen das Viertel Colombia, das sich nahe der Sitzblockade befindet, aber nicht gegen die Sitzblockade selbst. Unter die Teilnehmer des Sit-in haben sich gefährliche Gruppen gemischt.“

Er forderte eine „Wiederaufnahme der Verhandlungen“ zwischen der Junta und den Oppositionsgruppen, die unter dem Dach der Kräfte für die Erklärung von Freiheit und Wandel (FDFC) organisiert sind. Dies bezeichnete er als „den schnellsten Weg, das Problem zu bewältigen“.

Der TMC hatte am 11. April angesichts der Massenproteste einen präventiven Putsch gegen den seit 30 Jahren herrschenden sudanesischen Machthaber, Präsident Omar al-Bashir, inszeniert. Der Zweck war, das Militärregime zu erhalten, indem der Anführer abgelöst wird.

Der Angriff auf die Sitzblockade war seit Tagen offen vorbereitet worden. Zuvor waren Verhandlungen zwischen der Junta und der zivilen Opposition an der Frage gescheitert, ob das Übergangsregime, das die Präsidentschaftswahl in zwei Jahren vorbereiten soll, vom Militär oder von zivilen Politikern angeführt werden soll.

Die Demonstranten blieben weiter auf der Straße. Sie lehnten die lange Übergangsphase ab und forderten ein sofortiges Ende der amtierenden Junta.

Am Samstag erklärte der TMC öffentlich: „Die Sitzblockade ist eine Bedrohung für das Land geworden.“

Aus Washington kam die Pro-Forma-Erklärung eines Staatssekretärs im Außenministerium, der die „koordinierte und unrechtmäßige Gewalt“ in Khartum verurteilte und die vage Meinung äußerte, die sudanesische Bevölkerung „verdient eine zivile Regierung, die für das Volk tätig ist, und keinen autoritären Militärrat, der gegen sie agiert“. In Wirklichkeit wurde das scharfe Vorgehen des Militärs jedoch in engster Zusammenarbeit mit den wichtigsten Verbündeten der USA in der Region vorbereitet.

Direkt vor der Wendung hin zur gnadenlosen Unterdrückung waren der Vorsitzende des TMC, General Abdel Fattah al-Burhan, und sein Stellvertreter, Generalleutnant Dagalo, in die drei Länder gereist, die bisher die wichtigsten Unterstützer des Militärregimes waren: Ägypten, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Diese Länder sind gleichzeitig auch Washingtons wichtigste Verbündete in der arabischen Welt.

Es ist klar, dass Kairo, Riad und Dubai grünes Licht für das Blutbad gegeben haben und dass Washington es stillschweigend abgesegnet hat.

Der Angriff auf die Sitzblockade erinnert an das noch blutigere Vorgehen des ägyptischen Diktators General Abdel Fattah al-Sisi auf dem Kairoer Rabaa-Platz im Jahr 2013. Damals wurden mindestens 1.000 Männer, Frauen und Kinder getötet, die gegen Sisis Putsch protestierten, mit dem der gewählte Präsident Mohamed Mursi gestürzt worden war. Nachdem al-Sisi die ägyptische Revolution in Blut ertränkt hat, wird er nicht dulden, dass sich in Ägyptens südlichem Nachbarstaat Sudan ein ähnlicher revolutionärer Kampf ungehindert entwickelt. 2011 hatte die ägyptische Revolution zum Sturz der seit 30 Jahren von den USA unterstützten Diktatur von Hosni Mubarak geführt.

Das Regime in Kairo forderte in einer Stellungnahme: „Alle Seiten im Sudan müssen sich zu Ruhe, Selbstbeherrschung und einer Rückkehr an den Verhandlungstisch verpflichten.“

Die amtierenden Monarchen von Saudi-Arabien und den VAE haben derweil zugesagt, die sudanesische Junta mit drei Milliarden Dollar zu stützen. Als Gegenleistung dafür hat das sudanesische Militär Truppen zur Unterstützung des verbrecherischen Kriegs geschickt, den Saudi-Arabien und die VAE im Jemen führen.

Während des Besuchs versprach der amtierende Kronprinz der VAE, Mohammed bin Zayed, den sudanesischen Generälen dabei zu helfen, „die Sicherheit und Stabilität des Sudan zu erhalten“.

Der De-facto-Herrscher Saudi-Arabiens, Kronprinz Mohammed bin Salman, der letztes Jahr die dreiste Ermordung von Jamal Khashoggi organisiert hat und für die Enthauptung von Dutzenden politischer Dissidenten verantwortlich ist, bot wohl eine ähnliche Unterstützung an.

Nach dem Treffen in Riad erklärte Generalleutnant Dagalo: „Der Sudan unterstützt das Königreich gegen alle Bedrohungen und Angriffe des Iran und der Huthi“ (der anti-saudischen Rebellen im Jemen).

Dieses Bündnis ist Washington zweifellos wichtiger als alle anderen Erwägungen. Die Nahostpolitik der USA ist auf die Stärkung der Achse gegen den Iran gerichtet, um einen neuen und noch gefährlicheren imperialistischen Angriffskrieg in der Region vorzubereiten.

Gleichzeitig herrscht in den imperialistischen Kreisen der USA wie bei den Herrschenden im ganzen Nahen Osten und Nordafrikas die Befürchtung, dass der Aufstand im Sudan die wachsende Welle von Streiks und Massenprotesten in Algerien, Tunesien, Marokko und der ganzen Region stärken wird.

Die Antwort auf die Probleme der sudanesischen Arbeiter und Armen liegt nicht in den Forderungen der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Opposition nach einer zivilen Übergangsregierung. Diese würde nur als Fassade dienen, hinter der die kleine, wohlhabende Elite des Sudan und ihre Handlanger aus dem Militär weiterregieren würden.

Ein unabhängiger Kampf unter Führung der Arbeiterklasse ist der einzige Weg die konterrevolutionären Verschwörungen Washingtons, seiner regionalen Verbündeten und der herrschenden Clique im Sudan erfolgreich zu besiegen. Das Ziel dieses Kampfs muss die Machtübernahme ebenso sein wie die Enteignung derjenigen, die sich den Reichtum des Landes aneignen. Dies muss Teil sein eines größeren Kampfs der Arbeiterklasse in der ganzen Region und weltweit für die Abschaffung des Kapitalismus und den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft.

Loading