Absturz zweier Kampfjets der Bundeswehr

Der Absturz zweier Kampfjets über der Mecklenburgischen Seenplatte ging am Montag nur haarscharf an einer Katastrophe vorbei. Wütend fordern die Anwohner jetzt die Einstellung der Übungsflüge über ihren Köpfen.

Die zwei Kampfjets vom Typ Eurofighter stürzten am Montag nach einem Zusammenstoß bei einem gefährlichen Air Combat Manöver ab. Ein Pilot konnte sich mit Schleudersitz und Fallschirm retten und landete leicht verletzt in einem Baum. Der zweite, ein 27-jähriger Oberleutnant, kam ums Leben.

Bei dem Absturz entgingen die Dörfer Jabel und Nossentiner Hütte nur knapp einer verheerenden Katastrophe. Unzählige Trümmer der beiden Maschinen stürzten vom Himmel auf sie nieder. Sie schlugen zum Teil auf einem Sportplatz und einem Friedhof ein und hätten leicht auch bewohnte Häuser, einen Biergarten oder auch die Kita von Nossentiner Hütte treffen können. Auf deren Spielwiese landete nämlich das Wrackteil eines Eurofighters, und in ihrer Nähe hat man Leichenteile gefunden, die vom verunglückten Piloten stammten.

Die Bürgermeisterin von Nossentiner Hütte, Birgit Kurth (parteilos), bezeichnete das Vorgefallene als „ganz schlimm. Und noch viel schlimmer ist, was noch hätte passieren können. Das ist es, was die Leute hier am meisten bewegt.“ Die Katastrophe „hätte ganz viel Schrecken auslösen können“.

Die seenreiche Region ist ein großes Naturschutzgebiet, ein Unesco-Weltnaturerbe und ein Urlaubsparadies. Gerade jetzt halten sich in Dörfern, Ferienhaussiedlungen und auf Campingplätzen zahlreiche Feriengäste auf. Im letzten Jahr verzeichnete die Region insgesamt dreieinhalb Millionen Übernachtungen.

Sofort nach dem Absturz wurde die Unfallregion zum militärischen Sperrgebiet erklärt. Hunderte Soldaten und Bundespolizisten, unterstützt von der Feuerwehr, sperrten alle Zugangsstraßen ab, errichteten Feldlager, besetzten Schulräume und suchten die Gegend mit Helikoptern und Drohnen nach Trümmern ab.

An den Unfallstellen sah man Männer in Schutzanzügen und Gasmasken, die kleine Sprengungen durchführten und die brennenden Teile löschten. Giftige Rauchschwaden stiegen auf. Leicht hätte das Feuer bei der sommerlichen Gluthitze auch einen Waldbrand auslösen können.

Nach Aussagen der Bundeswehr sollen die Eurofighter unbewaffnet gewesen sein. Andernfalls wären die Auswirkungen noch viel gravierender gewesen, denn die Jets sind moderne Kampfmaschinen, zu deren waffentechnischer Ausrüstung auch Kurz- und Mittelstreckenraketen gehören. Ihre Technik ist streng geheim.

Verteidigungsministerin Ursula Von der Leyen (CDU) ließ sich noch am Montag in einem Luftwaffen-Hubschrauber zur Unfallstelle fliegen. In einer patriotisch-pastoralen Rede dankte sie den Einsatzkräften, „die uns in dieser Stunde der höchsten Not helfen“. Ausdrücklich betonte sie die „Besonnenheit der Bevölkerung, mit der sie dieses schreckliche Ereignis begleitet“.

Tatsächlich war es eher Schockstarre, die sich seit Dienstag immer mehr in Wut verwandelt. Der Absturz hatte anschaulich gezeigt, welche Gefahren mit den lästigen Kampfflügen seit langem verbunden sind. „Wir könnten alle tot sein“, konstatierte ein Mann, dessen Ferienhaus in unmittelbarer Nähe der Absturzstelle steht.

Deshalb haben die Bürgermeister von Waren, Malchow, Silz und Nossentiner Hütte die Forderung nach Verzicht auf militärische Übungsflüge in ihrer Region aufgestellt. Der Bürgermeister von Malchow, René Putzer (parteilos), erklärte, seit zwei Jahren hätten sich die Kriegsspiele am Himmel deutlich vermehrt und damit auch die Beschwerden von Anwohnern und Touristen. „Wir haben das Gefühl, dass seitdem mehr bei uns geflogen wird. Welches Gefahrenpotenzial diese Übungen in sich bergen, haben wir nun leider erlebt.“

Der Bürgermeister von Waren an der Müritz, Norbert Möller (SPD), erklärte dazu: „Man darf das gar nicht zu Ende denken, aber wir alle sind noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen.“ Die Forderung an die Bundeswehr, auf Luftkampfübungen über bewohnten Gebieten zu verzichten, unterstützten schließlich auch Landespolitiker wie Heiko Kärger (CDU) und Peter Ritter (Die Linke), und Die Linke Mecklenburg-Vorpommern schlug offiziell vor, die Übungsflüge der Luftwaffe einzustellen.

Dies hat den Unmut mehrerer großer Medien wie der FAZ und der Süddeutschen Zeitung erregt, deren Kommentatoren sich über den Mangel an Patriotismus empören.

„Eine Armee muss üben“, lautet ein Kommentar von Mike Szymanski in der Süddeutschen. Darin heißt es, bei der Truppe werde „wieder für den Verteidigungsfall geübt“. Leider tue in Mecklenburg-Vorpommern „mancher aber ungerührt so, als sei die Friedensdividende noch längst nicht aufgebraucht“. Die Klage des Bürgermeisters von Waren, „dass ausgerechnet über ihrem Himmel geübt werde“, kommentiert Szymanski: „Solche Reaktionen sind verstörend … Wo soll die Luftwaffe denn sonst für den Ernstfall üben?“

In der FAZ klagt Reinhard Müller unter der Überschrift „Ernstfall für die Luftwaffe“: „Es gibt zu denken, dass nicht wenige die Bundeswehr offenbar vor allem als Belästigung oder gar als Gefahr begreifen.“ Die Zeit schreibt: „Die Trainings sind gefährlich, aber nötig.“

Die Bild-Zeitung reagiert auf den Unfall, indem sie mit größerem Nachdruck für die Milliarden-schwere Aufrüstung der Luftwaffe eintritt. „Der Flugbetrieb ist die Achillesferse der Bundeswehr“, heißt es dort. Aber die Jet-Piloten müssten mit den „schlechtesten Arbeitsbedingungen“ vorlieb nehmen, und ihre Kampfjets seien chronisch flugunfähig.

In Wirklichkeit besitzt die Bundeswehr 140 Maschinen des Typs Eurofighter, von denen jede einzelne 100 Millionen Euro gekostet hat. Die Piloten, die dem Geschwader 73 „Steinhoff“ angehören, müssen jährlich bis zu hundert Flugstunden absolvieren, von denen jede einzelne etwa 70.000 Euro kostet. Das Geschwader wird auch bei den Übungen im Baltikum eingesetzt, wo die Nato für einen neuen Russland-Feldzug trainiert.

Das Geschwader verdankt seinen Namen dem Kriegsflieger Johannes Steinhoff, der im Zweiten Weltkrieg Görings Luftwaffe diente, nach dem Krieg zum Generalmajor und Inspekteur der Luftwaffe aufstieg und noch im Rentenalter den Vorsitz des Rüstungskonzerns Dornier leitete. Den Tod von Kampfpiloten beim Absturz mehrere Lockheed-Starfighters soll er als „Blutzoll“ abgetan haben.

Immer deutlicher wenden sich die Regierung in Berlin, die Bundeswehr und die politischen Parteien wieder den imperialistischen Traditionen zu. So ist der Ausbau der Luftwaffe wichtiger Bestandteil der außen- und sicherheitspolitischen Wende, die im Oktober 2013 mit dem Projekt „Neue Macht. Neue Verantwortung“ eingeleitet wurde, und an der alle Bundestagsparteien und die führenden deutschen Medien beteiligt waren.

Auch Die Linke ist Teil dieser martialischen Neuorientierung. Ihr Bundestagsabgeordneter Stefan Liebich nahm am Projekt „Neue Macht. Neue Verantwortung“ von Anfang an teil. Auch ihr jüngster Vorstoß, die Militärflüge über der Mecklenburgischen Seenplatte einzustellen, ist nur ein schwacher Versuch, die Tatsachen zu beschönigen. Die Linke ist nicht dagegen, dass die Luftwaffe für den Krieg – offiziell „Verteidigungsfall“ – systematisch trainiert. Sie möchte nur die „Übungslufträume“ verlegen, wenn möglich ganz aus Deutschland heraus.

Dagegen erklärte Oberst Bernhard Teicke auf einer Pressekonferenz der Bundeswehr sehr offen: „Es geht letztlich darum, über der Topographie zu üben, und über der Besiedlungsdichte zu üben, in der man auch eingesetzt wird.“

So hat der Absturz der Eurofighter über der Mecklenburgischen Seenplatte erneut klar gemacht, wie ernst die Kriegsvorbereitungen zu nehmen sind, und dass ihre Auswirkungen letztlich jeden treffen werden, wenn die Arbeiterklasse sie nicht rechtzeitig stoppt.

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