CDU, SPD und Grüne sondieren rechte „Kenia“-Koalition in Sachsen

Am vergangenen Wochenende haben die Parteigremien von CDU und Grünen in Sachsen den Beginn von Sondierungsgesprächen beschlossen. Der SPD-Landesvorstand hatte sich bereits unmittelbar nach den Wahlen Anfang September für die Aufnahme von Sondierungsgesprächen zur Bildung einer schwarz-grün-roten „Kenia“-Koalition ausgesprochen.

„Uns geht es darum, diesem Land eine stabile Regierung zu geben“, sagte der CDU-Chef und Ministerpräsident Michael Kretschmer auf einer Tagung des Landesvorstands am Samstag in Riesa.

Am gleichen Tag votierten auch die Grünen auf einer Sitzung des Parteirates in Dresden für Sondierungen mit CDU und SPD. „Es gibt wirklich ein Bedürfnis danach, zu einem Aufbruch zu kommen“, erklärte der Grüne Spitzenkandidat Wolfram Günther nach der Sitzung. Bei den Sondierungen gehe es „darum auszuloten, […] wie man auch eine neue politische Kultur in diesem Land einführen kann, wie man einen neuen gesellschaftlichen Zusammenhalt organisieren kann.“

In Wirklichkeit hätte eine Kenia-Koalition nicht das Geringste mit einem „Aufbruch“ oder einer „neuen politischen Kultur“ zu tun. Sie würde vielmehr die rechte Regierungspolitik von CDU und SPD fortsetzen, die bei den Wahlen vor allem die rechtsextreme AfD gestärkt hat.

Wie rechts eine Kenia-Koalition stehen würde, zeigt schon ein Blick in die Programme der beteiligten Parteien. An der Ausarbeitung des CDU-Wahlprogramms mit dem Titel „Von Sachsen. Für Sachsen“, das die Partei als „Regierungsprogramm 2019-2024“ anpreist, war unter anderem der Politikwissenschaftler Werner Patzelt beteiligt, der für seine Nähe zur AfD und der rechtsradikalen Pegida-Bewegung bekannt ist.

Dementsprechend liest sich der Text. Im Zentrum stehen die massive Aufrüstung der sächsischen Polizei und der Sicherheits- und Geheimdienstbehörden, die gerade in Sachsen für ihre engen Verbindungen zur Neonazi-Szene und rechtsextremen Terrorstrukturen berüchtigt sind. Das Programm kündigt u.a. an, „in den kommenden beiden Jahren 525 zusätzliche Polizisten“ einzustellen. „Bis 2024“ werde „diese Zahl auf mindestens 1000 erhöht“.

Eine mindestens ebenso starke Aufrüstung ist für den sächsischen Verfassungsschutz vorgesehen, der unter dem Deckmantel des Kampf gegen „Extremismus“ vor allem linke Gruppen und Meinungen kriminalisiert und verfolgt. Im aktuellen Verfassungsschutzbericht diffamiert die Behörde sogar das Rock-gegen-Rechts-Konzert in Chemnitz, an dem nach den rechtsradikalen Ausschreitungen in der Stadt vor rund einem Jahr mehr als 70.000 Menschen teilnahmen, als linksextremistisch.

Das CDU-Papier lässt keinen Zweifel daran, dass sich an der Ausrichtung des Geheimdiensts nichts ändern wird. „Wir stehen zum Verfassungsschutz in seiner jetzigen Struktur“, heißt es dort. „Wir wollen den Verfassungsschutz für neue Herausforderungen wappnen, die durch gesellschaftliche Randgruppen, radikale Bewegungen oder wachsende Gewaltbereitschaft innerhalb der extremistischen Milieus entstehen.“

Das Programm liest sich wie eine Blaupause für einen modernen Polizei- und Überwachungsstaat. Es gehe darum, das sächsische Verfassungsschutzgesetz an aktuelle Erfordernisse anzupassen, um „den notwendigen Rechtsrahmen für den Zugriff des Verfassungsschutzes auf die Verkehrsdaten bekannter Extremisten, Gefährder und Terrorverdächtiger“ zu schaffen, heißt es darin. Hierfür werde man den sächsischen VS „personell weiter stärken und die Zusammenarbeit mit Landesverfassungsschutzämtern sowie dem Bundesamt für Verfassungsschutz verbessern“.

Vorgesehen sind unter anderem das Ausspähen auch von Minderjährigen – so soll „der Verfassungsschutz bei der Sammlung von Informationen künftig nicht an starre Altersgrenzen gebunden sein“ – und die weitere Einschränkung der „Bewegungsfreiheit“ von sogenannten Gefährdern „durch Aufenthalts- und Kontaktverbote sowie durch die technische Aufenthaltsüberwachung (‚elektronische Fußfessel‘)“. Zusätzlich soll unter dem Deckmantel des Kampf gegen „Cyberkriminalität“ die Überwachung des Internets ausgeweitet werden.

Auch das letzte Kapitel „Heimat in Stadt und Land“ liest sich wie eine Kopie des AfD-Programms. Darin finden sich Sätze wie: „Um die engere Heimat herum kann ein Zusammengehörigkeitsgefühl als Sachse, Deutscher und Europäer entstehen.“ Oder: „Diese ganz besondere sächsische Identität verteidigen wir, indem wir unsere Kultur mit anderen teilen sowie ihren unerwünschten Wandel abwehren.“

Bestandteil dieses im Kern rechtsradikalen Programm sind weitere Angriffe auf die Arbeiterklasse in enger Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften. Es lobt das „gemeinsame Verdienst von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die mit Fleiß und Augenmaß die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft gesichert haben“. Nun stünden „die Tarifpartner auch weiterhin in der Verantwortung, diesen Wettbewerbsvorteil Sachsens zu sichern“, der „durch einen starken internationalen Wettbewerb mit Handelsstreitigkeiten und mit einer zunehmenden Regulierung und Bürokratisierung herausgefordert ist“.

Allein die Tatsache, dass die Grünen Sondierungsgespräche mit der CDU beginnen, zeigt, dass sie wie die SPD bereit sind, die arbeiterfeindliche „Law and Order“-Politik aktiv voranzutreiben. „Wir stärken den Rechtsstaat und sorgen durch eine gute Ausstattung, bestmögliche Ausbildung und mehr Personal für unsere Polizei sowie die konsequente Anwendung vorhandener Gesetze für mehr Sicherheit“, heißt es im Wahlprogramm der Grünen.

Als Oppositionspartei brachte es die Partei sogar fertig, Kretschmer und die bislang regierende Große Koalition in Sachsen von rechts anzugreifen. Schon vor fünf Jahren hatte die damalige innenpolitische Sprecherin der Grünen, Eva Jähningen, geklagt, dass für eine „leistungsstarke“ Polizei „400 Neueinstellungen pro Jahr“ nicht ausreichen. Die damalige Fraktionsvorsitzende der Grünen im Sächsischen Landtag, Antje Hermenau, wurde 2014 für ihre Bemühungen zur Aufnahme der Schuldenbremse in die Sächsische Verfassung mit der Sächsischen Verfassungsmedaille ausgezeichnet. Mittlerweile ist sie Mitglied der Freien Wähler und spricht auf Veranstaltungen der AfD.

Dass eine „Kenia“-Koalition nicht davor zurückschrecken würde, eng mit der AfD zusammenzuarbeiten und die Weichen für zukünftige Regierungskoalitionen mit den Rechtsextremen zu stellen, wird in Sachsen-Anhalt sichtbar. In dem bislang einzigen Bundesland, in dem CDU, SPD und Grüne seit nunmehr drei Jahren miteinander regieren, wurde 2017 mit den Stimmen von AfD und CDU eine Enquete Kommission gegen Linksextremismus unter der Führung des damaligen AfD-Fraktionsvorsitzenden André Poggenburg eingerichtet, eines offenen Rassisten und Faschisten.

Im Juni veröffentlichten die stellvertretenden Vorsitzenden der CDU-Fraktion im sachsen-anhaltinischen Landtag, Ulrich Thomas und Lars-Jörn Zimmer, eine Denkschrift, die sich für eine mögliche Koalitionsregierung mit der AfD ausspricht. Und dies auf der Grundlage eines explizit rechtsextremen Programms. Es müsse „wieder gelingen, das Soziale mit dem Nationalen zu versöhnen, Sicherheit vor sozialem Absturz mit Sicherheit vor Kriminalität. Der Sehnsucht nach Heimat und nationaler Identität ist durch eine klare Abgrenzung gegen multikulturelle Strömungen linker Parteien und Gruppen entgegenzutreten“, heißt es darin.

Auch in Sachsen arbeiten Teile der CDU bereits offen mit der AfD zusammen und machen sich für eine zukünftige Regierungszusammenarbeit stark. Auf Wahlkampfveranstaltungen des früheren Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen (CDU) waren oftmals mehr AfD-Anhänger als Mitglieder seiner eigenen Partei anwesend. Bezeichnenderweise wurde vor wenigen Tagen Matthias Rößler, ein enger Verbündeter Maaßens, von der CDU-Fraktion erneut als Parlamentspräsident vorgeschlagen.

Die Linkspartei ist keine Kraft gegen die Rechtswende, sondern Bestandteil davon. Die Partei, deren Vorgängerorganisationen vor 30 Jahren den Kapitalismus in Ostdeutschland wieder eingeführt hat, und damit die Hauptverantwortung für die soziale Katastrophe und die politische Frustration trägt, die nun von der extremen Rechten ausgeschlachtet wird, orientiert sich nach ihrem Wahldebakel ebenfalls an der Politik der AfD.

So beklagte die Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht den Umgang ihrer Partei „mit AfD-Wählern, die gern pauschal als Rassisten beschimpft werden“. Wenn man „wieder mehr Zuspruch“ haben wolle, müsse man sich „ändern“. Dabei gehe es „nicht nur um unsere Haltung zur Migration“. Auch „Heimat“ und „Familie“ seien „etwas sehr Wichtiges“. Das Gleiche gelte für die Themen „Sicherheit“ und „Schutz vor Kriminalität“.

Loading