Hunderte demonstrieren vor dem Amtsgericht Westminster für Julian Assanges Freilassung

Am Montag versammelten sich etwa 200 Demonstranten vor dem Amtsgericht Westminster in London, um gegen die Auslieferung von WikiLeaks-Gründer Julian Assange an die USA zu protestieren. In den USA drohen ihm 175 Jahre Haft wegen Spionage.

Die Anhörung war erst der dritte öffentliche Auftritt von Assange, seit er im April von der britischen Polizei rechtswidrig in der ecuadorianischen Botschaft verhaftet wurde, die ihm bis dahin Asyl gewährt hatte. Sie diente der Vorbereitung für die Hauptanhörung zur Auslieferung im Februar 2020.

John Pilger spricht vor dem Gerichtsgebäude

Die Demonstration wurde vom Julian Assange Defence Committee organisiert und von der Socialist Equality Party (SEP) unterstützt. Neben Teilnehmern aus ganz Großbritannien waren auch Dutzende von „Gelbwesten“-Aktivisten aus Frankreich angereist.

Ab neun Uhr morgens forderten die Demonstranten lautstark: „Freiheit für Julian Assange!“ und „Es gibt nur eine Entscheidung: keine Auslieferung!“ Andere Unterstützer standen Schlange, um der Anhörung beizuwohnen. Die Polizei, die teilweise in Zivil auftrat, provozierte mit dem Versuch, die Demonstranten in einem winzigen umzäunten Bereich zusammenzupferchen. Im Verlauf der Demonstration drohte ein Beamter mit dem Einsatz der Tactical Support Group, einer Sondereinheit der Polizei, falls sich die Demonstranten nicht in den Bereich hinter die Absperrungen begeben. Obwohl sich alle weigerten, entschied sich die Polizei dagegen, vor so vielen Journalisten und unabhängigen Medienvertretern einen Zusammenstoß zu riskieren.

Chris Marsden fordert vor dem Amtsgericht von Westminster Freiheit für Julian Assange

Einer der ersten, der während einer kurzen Pause mit Neuigkeiten aus dem Gericht kam, war der ehemalige Londoner Bürgermeister Ken Livingstone. Auf die Frage nach Assanges Schicksal antwortete er: „Er hat den Leuten ermöglicht, die Wahrheit zu erfahren. Wir wurden unser ganzes Leben lang angelogen, seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Amerika hat uns immer wieder betrogen, zum Beispiel beim Vietnamkrieg, der 3,8 Millionen vietnamesische Todesopfer gefordert hat. Sie verteidigen nur die Interessen der amerikanischen Wirtschaft. Sie sollten ihn freilassen.“

Nach mehr als zwei Stunden kam Emmy Butlin vom Julian Assange Defence Committee aus dem Gebäude, um zu erklären, was im Gericht passiert war. Sie schilderte, sichtlich aufgebracht: „Julian Assanges Gesundheitszustand verschlechtert sich täglich. Was macht er da drin? Warum foltern sie ihn? Sein Gesundheitszustand verschlechtert sich vor unseren Augen. Dieses Unrecht darf nicht vor unseren Augen passieren. Wir werden ihn verlieren.“

Emmy erklärte, Richterin Vanessa Baraitser habe einen Antrag auf einen dreimonatigen Aufschub abgelehnt. Sie habe außerdem vorgeschlagen, die Anhörung im Februar sollte im Amtsgericht von Belmarsh stattfinden, wo es nur fünf Zuschauerplätze gibt. Auf diese Nachricht reagierten die Demonstranten mit dem Ruf „Schande! Schande!“

Emmy forderte: „WikiLeaks hat die Öffentlichkeit mit Informationen versorgt, mit wahren Informationen, und diese Richterin will uns fünf Plätze geben. Das ist inakzeptabel. Wehrt euch sofort!“

Emmy Butlin vom Julian Assange Defence Committee unterrichtet Demonstranten über die Vorgänge im Gericht

Gegenüber der WSWS erklärte Emmy, Assange habe im Gericht „abgemagert, wie ein Geist“ ausgesehen. Er habe „mit ruhiger Stimme erklärt, ein ganzer Staat wolle ihn vernichten. Er fing an, über seine Haftbedingungen zu reden, und die Richterin sagte nur: ,Ihre Haftbedingungen sind nicht Gegenstand dieser Verhandlung.‘“

Sie schilderte, dass eine spanische Sicherheitsfirma Assange im Auftrag der CIA in der ecuadorianischen Botschaft ausgespäht hat und erklärte, die USA hätten auf diese Weise „Aufzeichnungen über seinen Gesundheitszustand und über Unterhaltungen mit seinen Anwälten erhalten. Die Verteidigung hat wegen des Gerichtsverfahrens über diese Angelegenheit in Spanien um mehr Zeit gebeten.“

Weiter erklärte sie, die Kommunikation zwischen Julian und seinen Anwälten sei „erheblich beeinträchtigt, weil er keinen Laptop hat und nicht mit ihnen kommunizieren kann. Sie schicken ihm Sachen mit der normalen Post. Das dauert ewig, manchmal wird es nicht rechtzeitig geliefert. Was die Arbeit der Verteidigungsanwälte angeht, gibt es also ernsthafte Probleme mit Verzögerungen. Aber die Richterin hat eine Verlängerung abgelehnt und gesagt: ,Oh nein, Sie haben genug Zeit!‘“

Der nationale Sekretär der britischen Socialist Equality Party, Chris Marsden, erklärte in seiner Rede vor den Demonstranten: „Über dem Eingang dieses Gerichtsgebäudes steht: Dieu et Mon Droit – Gott und mein Recht! Daneben steht auch: gegründet 2011. Das ist das letzte Jahr, in dem Assange in Freiheit lebte.

Einige der etwa 100 Gelbwesten-Demonstranten, die zur Unterstützung von Assange angereist waren

Sie haben kein Recht, das zu tun, was sie tun. Wir sind im Recht. Die Verteidiger von Julian Assange, die Gegner der imperialistischen Kriege und der imperialistischen Kriegsverbrechen sind im Recht...

Alle hier Anwesenden haben das Recht auf ihrer Seite – gegen ein Komplott, eine Verschwörung und ein kriminelles Justizsystem, das Whistleblower – Gegner von Krieg, Kolonialismus und Verbrechen im industriellen Maßstab, die Millionen Menschenleben gefordert haben – zum Schweigen bringen will.

Das ist ihr Gericht. Unser Gericht ist das Gericht der internationalen öffentlichen Meinung! Überall wächst das Bewusstsein über die Schwere des Verbrechens, das an Julian Assange verübt wird. Wir wollen, dass die Arbeiterklasse einen Mann verteidigt, dessen Freiheit von größter Bedeutung für alle Männer, Frauen und Kinder auf der ganzen Welt ist... Wir werden diesen betrügerischen Prozess wegen fingierter Vorwürfe nicht akzeptieren – 175 Jahre wegen Spionage, obwohl sein einziges Verbrechen war, Journalismus auszuüben!

Wir sind hier, um dagegen Widerstand zu leisten. Und wir repräsentieren Millionen Menschen. Sie repräsentieren nichts... Ein verkommenes, schmutziges, korruptes System, das einen Unschuldigen ins Gefängnis bringen will.“

Er versprach: „Wir werden nicht nachgeben, bis Julian Assange, Chelsea Manning und alle anderen heldenhaften Whistleblower frei sind, die sich den Verbrechen an der Weltbevölkerung widersetzt haben.“

WikiLeaks-Chefredakteur Kristinn Hrafnsson und der preisgekrönte Journalist John Pilger sprachen ebenfalls zu den Demonstranten.

Hrafnsson erklärte, es sei ein „weiterer enttäuschender Tag im Gericht gewesen“, weil die Richterin den Antrag auf mehr Vorbereitungszeit für die Verteidigung zurückgewiesen hat. „Julian selbst hat gesagt, eine Supermacht hat zehn Jahre lang Zeit gehabt, um das Verfahren gegen ihn vorzubereiten. Und er saß in den letzten sechs Monaten in Belmarsh ohne Zugang zu juristischen Dokumenten und hatte nicht mal einen Computer... Wie soll das fair sein? Diese Frage lässt sich leicht beantworten: Es ist überhaupt nicht fair.“

Weiter erklärte er, Assanges Anwälte hätten die Einstellung des Verfahrens gefordert, weil es in einem bilateralen Vertrag zwischen den USA und Großbritannien „im Prinzip heißt, dass man niemanden wegen eines politischen Vergehens ausliefern kann – und genau das passiert hier. Das Verfahren hätte schon vor langer Zeit eingestellt werden müssen – hier findet ein Prozess gegen den Journalismus statt, und dagegen muss man kämpfen!“

Pilger erzählte, Julian Assanges Stimme sei „so schwach gewesen, dass wir ihn kaum hören konnten. Er hörte sich fast wie ein anderer Mensch an. Das haben die Jahre in der Botschaft und die monatelange Haft in Belmarsh aus ihm gemacht.“

Demonstranten vor dem Amtsgericht Westminster

Er bezeichnete das Verfahren als „groteske Absurdität“, da das Auslieferungsabkommen zwischen Großbritannien und den USA angeblich Auslieferungen „wegen politischer Vergehen“ verbietet. Im Fall von Assange sind die Vergehen „rechtlich gesehen politisch. Das ist kein Agitprop und keine Meinung – sie sind politisch.“

Weiter erklärte er, Assange werde im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh „schlimmer als ein Mörder behandelt. Mörder dürfen Kontakt zu anderen Häftlingen haben, Julian nicht.“ Die Behörden halten ihn nahezu in Einzelhaft. „Das ist ein bewusstes Vorgehen, und dahinter steht ein Schurkenstaat – ein Staat, der seine eigenen und internationale Gesetze ignoriert.“

Die britische Socialist Equality Party übertrug einen Livestream von der Protestveranstaltung auf ihrer Facebook-Seite, der von Besuchern aus der ganzen Welt verfolgt wurde.

Nach der Demonstration fasste Chris Marsden die Erfahrungen des Tages und die Lehren zusammen: „Das war eindeutig eine Fortsetzung der Versuche, Julian Assange in die USA abzuschieben, wo ihm 175 Jahre Haft wegen Spionage drohen... Wenn es nach der britischen herrschenden Klasse und ihrem Justizapparat geht, gibt es in diesem Schauprozess nur ein mögliches Urteil: Assange wird an Amerika ausgeliefert und für immer zum Schweigen gebracht.“

Loading