Niederländische Lehrer treten gegen den Widerstand der Gewerkschaften in eintägigen Streik

Am 6. November beteiligten sich in den Niederlanden Tausende von Lehrern an 4.300 Grund- und Sekundarschulen (d. h. an 80 Prozent aller Schulen im Land) an einem eintägigen Streik.

Diese Aktion war die jüngste in einer Reihe von Massenprotesten im ganzen Land, die „Herbst der Unzufriedenheit“ genannt werden. Zeitgleich dazu fand im Parlament eine zweitägige Debatte über den Etat des Bildungsministeriums für 2020 statt.

Der Lehrerstreik von Mittwoch ist schon der zweite nach dem Ausstand der Lehrer Anfang Februar. Schon seit längerem kämpfen sie für bessere Bezahlung und kürzere Arbeitszeiten. Da 84 Prozent der Grundschulen zu wenig Vertretungslehrer haben und 20 bis 29 Prozent der offenen Stellen im Jahr 2018 unbesetzt geblieben sind, arbeitet die Mehrheit der Grundschullehrer auch im Krankheitsfall weiter. In vier von zehn Schulen gibt es keine Vertretungslehrer, und in jeder fünften Grundschule sowie in jeder vierten Sekundarschule sind Stellen unbesetzt.

Der Lehrerstreik in den Niederlanden ereignet sich vor dem Hintergrund eines massiven Ausbruchs von Kämpfen der Arbeiterklasse auf der ganzen Welt. Erst vor Kurzem hat die Lehrergewerkschaft von Chicago einen elftägigen Streik ausverkauft, an dem mehr als 25.000 Lehrer teilnahmen, und nur zwei Tage vorher haben in Little Rock (Arkansas) mehr als 1.600 Lehrer gestreikt.

Vor dem Lehrerstreik in den Niederlanden hatte die größte Gewerkschaft im Bildungswesen, die AOb (Algemene Onderwijsbond) ihre Unterstützung für Arbeitskampfmaßnahmen zurückgezogen, nachdem das Kabinett ihrer Forderung nach einer einmaligen Geldspritze von 460 Millionen Euro nachgekommen war. Die AOb behauptete, dies würde ausreichen, um das Lohngefälle zwischen Grund- und Sekundarschullehrern für zwei Jahre zu schließen und die Arbeitsbelastung zu verringern. Laut einigen Berichten sind von dieser ohnehin kläglichen Summe allerdings nur 363 Millionen Euro tatsächlich neue Mittel.

Doch trotz dieses betrügerischen Deals zwischen der Lehrergewerkschaft und der Regierung von Premierminister Mark Rutte traten die Lehrer am 6. November in den Streik. Allerdings geschah dies nun unorganisiert, und sie mussten individuell darüber entscheiden, ob sie sich an dem Ausstand beteiligen. Ursprünglich geplante Massenproteste in wichtigen niederländischen Städten wurden abgesagt.

Anfang 2018 hatte die angeblich „basisdemokratische“ Lehrerorganisation „PO in actie“ Protestmärsche und Streiks organisiert, um die Rutte-Regierung zu kleineren Haushaltskorrekturen zu zwingen. Diese Korrekturen konnten jedoch kaum etwas an der systemischen Unterfinanzierung des öffentlichen Bildungswesens ändern, in dem mehrere Milliarden Euro fehlen. Später unterdrückte die PO mit ihren Gewerkschaften die Unzufriedenheit der Lehrer.

PO in actie ist wegen ihrer doppelzüngigen Rolle zunehmend diskreditiert. Sie war alarmiert über das Ergebnis einer Umfrage auf ihrer Website, in der sich die Lehrer fast einstimmig dafür ausgesprochen hatten, gegen den Willen der Gewerkschaft in den Streik zu treten. PO in actie riet daraufhin den Lehrern, nicht in Den Haag, sondern lieber in den sozialen Netzwerken zu protestieren. Laut der Umfrage unterstützen weniger als ein Prozent der mehr als 11.000 Lehrer den Deal zwischen Gewerkschaft und Regierung und sind der Meinung, die Gewerkschaften würden ihnen keine Beachtung schenken.

Als Reaktion auf die Empörung ihrer Mitglieder und aus Angst, dass Tausende von Lehrer von sich aus aktiv werden könnten, vollzogen die AOb und die CNV Onderwijs, die zweite wichtige Lehrergewerkschaft, eine Kehrtwende. Sie legten nun Lippenbekenntnisse zum Streik vom 6. November ab. Die Vorsitzende der AOb, Liesbeth Verheggen, trat mit sofortiger Wirkung zurück. Die CNV Onderwijs bezeichnete es als einen „Fehler“, dass der Streik abgesagt worden war. Sie kündigte außerdem an, dass die Lehrer, die nicht zur Arbeit erschienen sind, Streikgeld erhalten werden.

Der mutige Streik der niederländischen Lehrer zeigt erneut die enorme Kluft zwischen den Arbeitern und den Gewerkschaften, die sie angeblich repräsentieren. Während die Arbeiter weltweit zum Kampf für eine Verbesserung ihrer Löhne und Arbeitsbedingungen bereit sind, verraten die Gewerkschaften in einem Land nach dem anderen diese Kämpfe und lenken sie in eine nationalistische Sackgasse.

Der Kampf für Arbeitsplätze, höhere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen erfordert eine breite unabhängige politische Mobilisierung der arbeitenden Bevölkerung auf der Grundlage eines revolutionären sozialistischen Programms. Niederländische Lehrer, die den sozialen Kahlschlag beenden und sich für höhere Löhne sowie bessere Arbeitsbedingungen einsetzen wollen, sollten in ihren Schulen Aktionskomitees gründen – unabhängig von den Gewerkschaften, deren angeblich „basisdemokratischen“ Verteidigern und den kapitalistischen politischen Parteien, mit denen diese betrügerischen Gruppen verbündet sind.

Diese Komitees sollten von den Beschäftigten demokratisch kontrolliert werden und ihnen Rechenschaft schuldig sein. Sie sollten Kontakte mit anderen Schulen, Eltern, Schülern und Arbeitern in den Niederlanden und der Welt aufbauen.

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